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Blauer Lichterglanz in Potsdam.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Zoff um Potsdamer Weihnachtsmarkt: Mehr als 250 Händler lehnen „Blauen Lichterglanz“ ab und wollen neues Konzept

Gewerbetreibende der Potsdamer Innenstadt wollen einen anderen Weihnachtsmarkt an anderen Standorten. Die AG Innenstadt wehrt sich, Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) will schlichten.

Mehr als 250 Potsdamer Gewerbetreibende machen Druck auf das Rathaus und die AG Innenstadt. Sie wollen einen neuen Weihnachtsmarkt für die Potsdamer Innenstadt, der nicht mehr oder nur vereinzelt in der Brandenburger Straße stattfindet. An der Auftragsvergabe ohne Ausschreibung von der AG Innenstadt an die Cottbuser Eventfirma Coex üben die Händlerinnen und Händler scharfe Kritik.

Julia von La Chevallerie, Inhaberin des Cafés Miss Green Bean, hat seit Eröffnung des diesjährigen „Blauer Lichterglanz“ genannten Weihnachtsmarkts 253 Unterschriften von Geschäftsinhaberinnen und -inhabern in der Innenstadt gesammelt. Darunter sind Vertreter von Edeka, H&M, Butlers, Thalia, Esprit und Tommy Hilfiger. Sie alle fordern „einen anderen Weihnachtsmarkt“: keine zugestellten Geschäftseingänge und Schaufenster, keine „Fresskonkurrenz“ vor Restaurants, hochwertige Anbieter und ein modernes Beleuchtungskonzept bis in die Nebenstraßen.

Julia von La Chevallerie, Betreiberin vom Café Miss Green Bean, mit den gesammelten Unterschriften.
Julia von La Chevallerie, Betreiberin vom Café Miss Green Bean, mit den gesammelten Unterschriften.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

„Beschämend“, „einen Weihnachtsalbtraum“ und „eine echte Beleidigung für die Stadt“ nennen sie den „Blauen Lichterglanz“. 20 Gewerbetreibende verliehen ihren Forderungen bei einem Treffen am Dienstag Nachdruck, darunter Ansässige der Brandenburger Straße wie Intersport Olympia, Curry Wolf und ein Buchladen, aber auch Inhaberinnen, die durch die Lage in den Nebenstraßen, in der Gutenbergstraße oder am Bassinplatz, nicht direkt betroffen sind. Unterschrieben hatten zudem Anrainer der Mittelstraße und des Luisenplatzes – auch Friseursalons, Hotels und Mobilfunkanbieter.

Die Kritik des Einzelhandels

„Mit der Weihnachtsmarkteröffnung gehen die Umsätze um 40 bis 50 Prozent runter“, berichtete Cafébetreiberin Julia von La Chevallerie. In den Coronajahren ohne Weihnachtsmarkt sei ihr Umsatz höher gewesen, bestätigten Alex Passi vom Café No. 15 sowie die Douglas-Filialleiterin, alle ansässig in der Brandenburger Straße.

Kristina Hasenstein, Inhaberin von Mode & Design Potsdam, ist eine der kritischen Stimmen.
Kristina Hasenstein, Inhaberin von Mode & Design Potsdam, ist eine der kritischen Stimmen.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Zwei ihrer Schaufenster würden jedes Jahr zugestellt, dazu kämen die Hinterlassenschaften der Weihnachtsmarktgäste und zerstörte Dekorationen, berichtete Angelina Capuozzo von Angelina’s Fashion & Lifestyle an der Ecke Friedrich-Ebert-Straße. Simone Möller nennt den Weihnachtsmarkt als einen Grund, warum sie nach zwölf Jahren mit ihrem Geschäft Moeller Woman die Brandenburger verließ. Eine der acht Forderungen der Händler lautet: Ein Weihnachtsmarkt auf Marktplätzen statt in der Einkaufsstraße.

AG Innenstadt empört über „dekonstruktives Sturmlaufen“

Der Verein AG Innenstadt ist Veranstalter des Weihnachtsmarktes und richtet diesen seit 25 Jahren mit Coex aus. Sie würden jedoch in die Gestaltung nicht einbezogen, sagten fünf am Dienstag anwesende Gewerbetreibende, die Mitglied der AG Innenstadt sind. Laut Mitglied Alex Passi werde die Vereinssatzung stark auf Weihnachtsmarkt und Coex zugeschnitten. Zudem sei ein Vorstandsmitglied mit dem Coex-Chef verwandt. „Jeder Blinde sieht dort einen Interessenskonflikt“, so Passi.

Alex Passi (2.v.r.) betreibt ein Café in der Brandenburger Straße und beobachtet die AG Innenstadt kritisch.
Alex Passi (2.v.r.) betreibt ein Café in der Brandenburger Straße und beobachtet die AG Innenstadt kritisch.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Die AG Innenstadt wies den Vorwurf zurück. Es gäbe keinen Interessenkonflikt, das grenze an Diskriminierung, so Götz Friederich, Vorsitzender der AG Innenstadt. Der Verein sei froh über jeden Ehrenamtlichen. 95 Gewerbetreibende seien Mitglied. Mit Dietmar Teickner, Lakritzkontor-Inhaber und Glögg-Stand-Betreiber, und Event-Gastrom Jörg Meyer hätten zwei der sieben Vorstandsmitglieder eine Weihnachtsmarktbude.

Die protestierenden Gewerbetreibenden haben jedoch die Unterstützung wichtiger Fraktionen in der Stadtpolitik. In Kooperation mit SPD und Linken wolle man einen Beschlussantrag vorbereiten und alle Forderungen aufnehmen, sagte der Grünen-Stadtverordnete Uwe Fröhlich. Für mehr Transparenz habe die Fraktion zudem Anfragen zu den Rahmenbedingungen des Weihnachtsmarkts an die Verwaltung gestellt.

Götz Friederich, Vorsitzender der AG Innenstadt.
Götz Friederich, Vorsitzender der AG Innenstadt.

© Andreas Klaer

Friederich dagegen nennt die Unterschriftenliste ein „dekonstruktives Sturmlaufen“: „Wir kennen weder die Unterschriftenliste und wer unterschrieben hat, noch Frau Chevallerie. Konstruktive Kommunikation geht anders.“ Die AG Innenstadt sei stets offen für konstruktive Ideen, die Stadt arrangiere regelmäßig Treffen. Doch habe niemand Kontakt gesucht.

Stadt lädt zum Gespräch

Julia von La Chevallerie sagt, sie habe die Liste bisher an Dehoga, IHK und Handelskammer geschickt. Nun wolle sie im Holländischen Viertel weitere Unterschriften sammeln und diese erneut an die Verbände sowie erstmals an Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) senden. Dies ist am Dienstagabend wohl auch erfolgt. Aus dem Rathaus heißt es, Schubert habe versucht, mit der Initiatorin ins Gespräch zu kommen, sie allerdings nicht erreichen können.

Anfang 2024 werde der Oberbürgermeister die Gewerbetreibenden, die AG Innenstadt und Coex zu einem Gespräch laden, um eine Auswertung des diesjährigen Weihnachtsmarktes vorzunehmen. Auch IHK und Handelsverband würden eingeladen. Daniel Hönow, IHK-Regionalcenter-Leiter Potsdam, hofft, mit einem Dialog zwischen den Beteiligten künftig Missstände verhindern und an einer „gemeinschaftlich getragenen Lösung“ arbeiten zu können. Ab Januar wolle die IHK Gespräche führen.

„Verbunden werden soll der Termin des Oberbürgermeisters mit einer mit den Händlervereinigungen abgestimmten Befragung aller ansässigen Gewerbetreibenden, um ein objektives Bild zu erhalten“, so Stadtsprecherin Juliane Grimm. Laut der diesjährigen Bürgerumfrage sind Weihnachtsmarktgäste aus Potsdam zu 77 Prozent mit der Gestaltung und zu jeweils 73 Prozent mit Standort und Sauberkeit zufrieden. Diese Umfrage solle die Diskussion um den Weihnachtsmarkt objektivieren, so Grimm. Hönow von der IHK nennt den Weihnachtsmarkt einen „erheblichen Anziehungspunkt“, der zahlreiche Einheimische und zusätzliche Gäste in die Innenstadt locke und erhebliche „Umsätze für die lokale Wirtschaft“ bringe.

Forderungen könnten kontraproduktiv sein

Die Forderungen der Gewerbetreibenden kommentiert die Stadt verhalten: Bei einer Ausschreibung oder Betreibung durch die Landeshauptstadt würden Kosten entstehen, die aus dem städtischen Haushalt oder durch ein Umlagesystem von den Gewerbetreibenden getragen werden müssten. Eine Verlagerung des Weihnachtsmarktes würde zum Verlust der verkaufsoffenen Sonntage in weiter entfernten Straßen und Nebenstraßen führen.

Auch AG Innenstadt-Chef Friederich sagt: Ohne den Markt in der Brandenburger Straße wären Sonntagsöffnungszeiten dort nicht möglich. Zudem fehle es auf Plätzen wie Bassin- und Luisenplatz an notwendiger Energieinfrastruktur. Der Markt sei bereits entzerrt, Schaufenster seien frei und Coex in der operativen Umsetzung ansprechbar.

Friederich betont, auch wenn ihn Art und Weise der Gewerbetreibenden befremde, sei die AG Innenstadt weiterhin gesprächsbereit: „Wir wollen es konzeptionell anders machen.“ Gäbe es andere Anbieter oder Beleuchtungsfirmen, werde man sich nicht verweigern.

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