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Winfried Kretschmann sagte, er sei mit Palmer politisch und persönlich befreundet – „und das bleibe ich auch“.

© dpa/Marijan Murat

Update

„Außerordentlich schmerzlich“: Kretschmann bedauert Palmers Parteiaustritt – übt aber scharfe Kritik

Baden-Württembergs Ministerpräsident kritisiert Palmers Aussagen zum Judenstern scharf. Dennoch tue es ihm leid um einen „klugen Kopf“ der Grünen.

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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den Parteiaustritt des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer als „außerordentlich schmerzlich“ bezeichnet. Vor Journalisten in Stuttgart sagte Kretschmann am Dienstag, es tue ihm leid um einen „klugen Kopf, der die Politik und die Partei lange streitbar bereichert hat und dabei oft an die Grenze gegangen ist und jetzt auch weit darüber hinaus“.

Die von Palmer angekündigte Auszeit bezeichnete Kretschmann als richtig, er habe ihm jedoch nicht dazu geraten. Mit seiner Äußerung vom „neuen Judenstern“ überschritt Palmer aus Kretschmanns Sicht „eine Grenze, die man nicht überschreiten darf“. „Ich habe ihm deutlich gesagt, dass man eine solche Äußerung unter keinen Umständen machen darf.“

Er selbst habe mit dem Tübinger Oberbürgermeister am Wochenende nicht persönlich gesprochen, habe aber einen Schriftwechsel mit ihm geführt. „Ich habe ihm keinen Rat gegeben“, sagte Kretschmann. Auch wolle er Palmer keine öffentlichen Ratschläge geben.

„Aus der Situation, in er sich damit selbst gebracht hat, muss er selbst rausfinden.“ Dennoch nötige ihm die Entscheidung Respekt ab. Kretschmann sagte, er sei mit Palmer politisch und persönlich befreundet – „und das bleibe ich auch“.

Andere Reaktionen aus der Landespartei klangen weniger verständnisvoll. Der Landesvorsitzende Pascal Haggenmüller erklärte in einem schriftlichen Statement, Palmers Auftritt am Rande einer Integrationskonferenz in Frankfurt habe gezeigt, wie weit sich Palmer von den Grundsätzen der Grünen entfernt habe. „Der Parteiaustritt ist deshalb ein konsequenter Schritt“, schrieb Haggenmüller.

Der Fraktionschef der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg, Andreas Schwarz, erklärte, Palmer schaffe mit seinem Austritt klare Verhältnisse. Auch Landessozialminister Manfred Lucha distanzierte sich gegenüber Journalisten von Palmers Politikstil: „Herr Palmer und ich sind uns persönlich und politisch in integrationspolitischen Fragen nicht sehr nahe, wir haben es aber immer geschafft, diese Differenzen nicht öffentlich auszutragen – es gibt auch jetzt keinen Grund dazu“, sagte er.

Es gab ja Gründe, warum wir viele Diskussionen alle miteinander hatten.

Grünen-Vorsitzender Omid Nouripour

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour hatte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer zuvor Respekt gezollt für seinen Parteiaustritt, aber kein Bedauern darüber geäußert. „Es gab ja Gründe, warum wir viele Diskussionen alle miteinander hatten“, sagte er am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Palmers Schritt sei „respektabel, und ich wünsche ihm ein gutes Leben“.

Palmer hatte am Montag seinen Parteiaustritt erklärt, wie Baden-Württembergs Grüne mitteilten. Zuvor hatte er erklärt, eine „Auszeit“ nehmen zu wollen.

Der Eklat an der Goethe-Universität in Frankfurt

Am Dienstag hat sich Palmer dann krankgemeldet. „Herr Palmer ist krank und steht heute nicht für Anfragen zur Verfügung“, teilte eine Sprecherin der Stadtverwaltung mit. Wie seine angekündigte Auszeit konkret aussehen und wie lange sie dauern soll, dazu machte die Stadtverwaltung keine Angaben. Am Wochenende hatte es große Diskussionen um umstrittene Äußerungen Palmers gegeben.

Was ist passiert? Am Freitag nahm Palmer an einer Tagung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main teil. Im Vorfeld einer Diskussionsrunde unterhielt sich Palmer mit anderen Konferenzgästen und nutzte dabei mehrfach das N-Wort.

Boris Palmer nimmt an einem Pressetermin der Stadt Tübingen teil (Archivbild).
Boris Palmer nimmt an einem Pressetermin der Stadt Tübingen teil (Archivbild).

© dpa/Marijan Murat

Auf Videos in den sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie Palmer versucht, seine Wortwahl vor Studierenden auf dem Uni-Campus zu rechtfertigen. „Ihr beurteilt Menschen anhand von einem einzelnen Wort.“ Nach einer kurzen Unterbrechung fügte er hinzu: „Das ist nichts anderes als ein Judenstern.“ Diese Äußerung wurde als Verharmlosung des Holocaust kritisiert.

Die anwesenden Studierenden, die teilweise gekommen waren, um gegen die Veranstaltung zu demonstrieren, waren sichtlich aufgebracht. Etliche riefen im Sprechchor „Nazis raus“. Der Politiker, dessen jüdische Vorfahren von den Nazis verfolgt wurden, schloss sich dem Sprechchor an. „Ich will auch keine Nazis in diesem Land“, sagte er. Auf der anschließenden Podiumsdiskussion verteidigte Palmer die Verwendung des N-Worts in bestimmten Kontexten.

Das sogenannte N-Wort beschriebt einen früher gebräuchlichen und als rassistisch wahrgenommenen Ausdruck für Schwarze.

In einer persönlichen Erklärung vom Montag betonte Palmer, er hätte als Oberbürgermeister „niemals so reden dürfen“. Seine Mitgliedschaft bei den Grünen ruhte bereits, weil er in den vergangenen Jahren immer wieder mit seiner Wortwahl für Aufsehen gesorgt hatte. (dpa, AFP)

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