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Bundeskanzler Olaf Scholz (l-r) und Joe Biden, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika USA, nehmen gegenüber von Sergej Lawrow (Vordergrund), Außenminister von Russland, am G20-Gipfel teil.

© picture alliance/dpa

G20-Gipfel-Kommuniqué beschlossen : Das Momentum von Bali und der Raketeneinschlag in Polen

Russland wird deutlich wie nie auf der Weltbühne gezeigt, dass es zunehmend isoliert ist. Der Gipfel macht Hoffnung. Aber Russland bleibt unberechenbar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Es hat so viele schlechte Nachrichten gegeben in diesem Jahr. So viel Leid, so viele Tote, ein drohender Atomkrieg. Und auch der G20-Gipfel galt vor ein paar Wochen noch als Gipfel, der die Spaltung der Welt manifestieren könnte. Aber Gastgeber Indonesien hat nun gezeigt, dass es auch anders geht.

Der Überlebenskampf der Ukraine lieferte die Vorlage für eine stetig wachsende Isolation Russlands. Und in einer Nebenrolle hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz einigen Kritiker gezeigt, dass sein Kurs der richtige gewesen sein könnte. Von Bali geht zunächst einmal das wichtige Signal aus, dass es eine Wende zum Besseren geben kann.

Das Gipfelkommuniqué mit einer mehrheitlichen Verurteilung des russischen Krieges in der Ukraine und der Absage an den Einsatz von Atomwaffen in dem Konflikt ist von den Staats- und Regierungschefs am Mittwoch beschlossen worden.

Indonesiens Präsident Joko Widodo und sein Team haben mit kluger Diplomatie erreicht, dass China und Indien eine Brücke gebaut wurde, um Russlands Krieg zwar nicht verurteilen zu müssen, aber auch die scharfen Worten der meisten anderen G20-Staaten nicht zu blockieren. Indonesien wird nach dem Gipfel ein Player bleiben, der an Bedeutung dazugewinnen wird.

Wie umgehen mit Russlands neuer Eskalation?

Aber dann kommen zum zweiten Gipfeltag die Nachrichten vom Raketeneinschlag in Polen, die zeigen, alles bleibt unberechenbar - dieses Ereignis ist noch ungeklärt. Doch allein schon die auf die Ereignisse in Bali folgende russische Raketenwelle auf die Ukraine sollten auch bisherigen Partnern Russlands wie Indien und China klarmachen, dass nur nicht Blockieren vielleicht zu wenig ist, dass Russland noch stärker isoliert werden muss.

Kanzler Scholz hatte schon vor dem G7-Gipfel in Elmau erkannt, dass sich in einer ändernden Welt, in der viele Staaten nicht mehr einfach für die eine oder andere Seite Partei ergreifen wollen und der Westen schwächer wird, sich auch Deutschland mehr um die Länder des globalen Südens kümmern muss. Von Asien über Afrika bis Südamerika. Da müssen er und seine Ampel-Koalition nun dranbleiben, diese Brücken zu den an Einfluss gewinnenden Staaten sind unbedingt zu stärken. Auch um den russischen Einfluss auf diese Staaten zurückzudrängen.

Das Entlarven der russischen Narrative lohnt sich

Kritiker seines China-Besuchs wie Außenministerin Annalena Baerbock müssen zudem erkennen, dass der Zeitpunkt der Reise vielleicht doch nicht so falsch war, um den vielleicht wichtigsten Beschluss von Bali vorzubereiten: Die G20-Gruppe erklärt, der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen sei unzulässig.

Dass Russland das schluckt, ist jedoch kein Signal für zu viel Entspannung, Wladimir Putin und sein Machtapparat bleiben unberechenbar, gerade wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen.

Da hilft nur kühler Kopf, es ist gut, dass die anderen G20-Staaten, vor allem die westlichen Mitglieder, sich in Bali nach dem Raketeneinschlag an der polnischen Grenze mit zwei Toten gleich zu Dringlichkeitssitzungen verabredeten. Und es passt ins Bild, dass sich der russische Außenminister Sergej Lawrow als Putin-Vertretung in Bali unangenehmen Fragen zur neuen Angriffswelle entzieht. Er ist bereits am Vortag abgereist. Auch das sagt eigentlich alles.

Ebenso wenig ist aber auch China ein sicherer Kantonist, hat sich aber etwas bewegt, was mehr Mahnung an Moskau betrifft. Bali macht etwas Hoffnung. Und die außenpolitische Taktik des Kanzlers ist zumindest vorerst aufgegangen.

Der Gipfel zeigt bei aller weltpolitischen Fragilität, dass die Nachricht vom Tod der Diplomatie vielleicht etwas verfrüht ist, dass das beständige Erklären der eigenen Positionen, warum man Sanktionen verhängt hat, das Entlarven der russischen Narrative sich lohnt. Bei allen Problemen: Schon das von der Türkei und den UN organisierte Abkommen zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer war ein großer Fortschritt und Erfolg – es muss fortgesetzt werden.

Für die deutsche Politik heißt es: pragmatisch bleiben, Realpolitik betreiben, so weh es tun mag. Denn es sind die schwierigen Golfstaaten wie Katar und Saudi-Arabien, die man für die Lösung der Energieprobleme braucht. Und es ist das autoritäre und immer aggressiver auftretende China, das für den Handel und zur Lösung der globalen Klimafragen elementar wichtig bleibt. Das größte Problem ist und bleibt aber weiter Russland.

Moskau wurde deutlich wie nie auf der Weltbühne klargemacht, dass es zunehmend isoliert ist. Der Druck auf Präsident Wladimir Putin wächst innerhalb und außerhalb seines Landes.

Aber bisher zeichnet sich nicht ab, dass Putin so geschwächt ist, dass er seine Truppen auf die Grenzen vor dem 24. Februar zurückziehen könnte, der in Bali im Abseits stehende Außenminister Sergej Lawrow hat klargemacht, dass man nicht nachgeben will.

Das Momentum ist zwar da, aber die Lage bleibt schlecht. Waffenlieferungen an die Ukraine müssen weitergehen, ebenso die Hilfe bei der Wiederherstellung der Energie-Infrastruktur. Es braucht dringend und schneller mehr Luftabwehr. Und die Nato ist gut beraten weiter so umsichtig zu agieren, wie nach dem Vorfall in Polen, erst untersuchen, dann handeln.

Aber es braucht daneben auch kluge, nicht-öffentliche Diplomatie etwa durch die USA, aber auch mit Hilfe von Staaten, die Russland wie die Ukraine als Mittler anerkennen. Um ein Ende des Kriegs zu vermitteln, sehen sich die G20 nicht in der Pflicht, dafür ist das Format auch nicht geeignet. Aber sollte sich tatsächlich ein Fenster Richtung Ausweg aus der Kriegssituation öffnen, der Druck auf Russland und die Kosten zu groß werden, hätte Bali daran einen Anteil.

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