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Braucht es diese Brache? Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will eine breite gesellschaftliche Diskussion über mögliche künftige Nutzungen des Tempelhofer Feldes in Berlin anstoßen.

© dpa/Christoph Soeder

Olympia, Tempelhofer Feld, Chipfabriken: Die Angst vor Debatten um Großprojekte hemmt Deutschlands Entwicklung

Geht es um Großprojekte, reagieren viele mit einem pauschalen Nein. Darin zeigt sich vor allem eine Faulheit zur Debatte. Dabei braucht es das Ringen um die beste Antwort.

Ein Kommentar von Christian Latz

Auf dem Tempelhofer Feld bauen? Auf keinen Fall! Olympia 2036 in der Hauptstadt? Sowieso nicht! Geht es um Großprojekte, reagieren viele Berliner fast automatisch ablehnend. Alles sei schon so in Ordnung, wie es ist. Warum auch etwas anderes wagen?

Diese Haltung ist kein Berliner Phänomen. Es scheint, als herrsche in Deutschland eine grundsätzliche Angst vor Großprojekten jeder Art. Ob neue Mikrochipfabriken in Ostdeutschland oder die Tesla-Ansiedelung in Brandenburg. Erst einmal lautet die pauschale Antwort darauf häufig: nein.

Mal seien die staatlichen Subventionen zu hoch, bemängeln Kritiker. Mal gilt der möglicherweise zu geringe Wasservorrat in Brandenburg als K.-o.-Kriterium. Und im Zweifel reichen schon die Begriffe „BER“ und „Stuttgart 21“, um eine Diskussion zu beenden.

Bequemlichkeit im Status quo

Neben der Sorge, dass erneut ein Großprojekt in den Sand gesetzt werden könnte, zeigt sich darin vor allem eine Faulheit zur Debatte in Deutschland.

Viele haben es sich im Status quo bequem gemacht. Neue Vorhaben werden dagegen mittels simpler Schlagworte abgelehnt.

Kaum will die schwarz-rote Koalition in Berlin die Randbebauung des Tempelhofer Felds voranbringen, verweisen die Gegner der Bebauung sofort stur auf den Volksentscheid aus dem Jahr 2014 und erklären die Debatte schon damit für beendet. Dass Berlin heute eine andere Stadt ist, wird einfach negiert.

Dabei leidet die Stadt unter massivem Wohnungsmangel. Auch an Flächen für andere öffentliche Belange wie Schulen, Kitas, Verwaltungsgebäuden und Kultur fehlt es insbesondere im Zentrum.

Wer nur auf die Geschichte verweist, macht es sich zu leicht und beraubt sich selbst der Gestaltung der Zukunft.

Christian Latz, Tagesspiegel-Redakteur

Dass sich viele Bewohner auf diese Nöte mittlerweile eine andere Antwort wünschen könnten als noch vor neun Jahren, lassen die Bebauungsgegner nicht gelten. Volksentscheid sei Volksentscheid und damit Gesetz, heißt es lapidar. Ohne jedoch nennenswerte Alternativen anzubieten, wie die Probleme stattdessen gelöst werden könnten.

Ähnlich einfach machen es sich viele Kritiker einer Berliner Bewerbung um die Olympischen Spiele 2036. Als Reaktion auf die Idee folgt oft nur ein dröhnendes „1936“.

Olympia genau ein Jahrhundert nach den Nazi-Spielen erneut in Berlin auszutragen, wäre gewiss nicht einfach. Zu naheliegend sind Referenzen und Vergleiche, die weltweit von einer kritischen Öffentlichkeit permanent gezogen würden. Umso mehr Mühe müssten sich die Organisatoren geben, nicht in die Nähe der nationalsozialistischen Propaganda-Spiele zu rücken und zugleich dennoch permanent an die eigene grauenvolle Geschichte erinnern.

Es gibt auch gute Gründe gegen Großprojekte

Und doch sind Berlin und Deutschland heute andere Orte als vor einem Jahrhundert. Wer nur auf die Geschichte verweist, macht es sich zu leicht und beraubt sich selbst der Gestaltung der Zukunft.

Natürlich gibt es im Einzelnen gute Gründe gegen Großvorhaben. Nicht jedes Projekt ist per se gut, nur weil es groß ist. Auch Zukunftsvisionen können Fehlgriffe sein. Je größer ein Vorhaben ist, desto komplexer wird die Umsetzung. Und umso weitreichender sind oft auch die negativen Begleiterscheinungen, etwa für die Umwelt.

Nicht ohne Grund fallen die Schlagworte „BER“ oder „Stuttgart 21“ in diesem Kontext. Eben weil sie davon zeugen, was schiefgehen kann, wenn sich die Politik in Deutschland beim Streben nach Großem verkalkuliert. Als alleiniges Gegenargument taugen die Verweise trotzdem nicht.

Denn das ist letztlich die Folge all jener einfachen Ablehnungen: Berlin und Deutschland drohen in ihrer Entwicklung stecken zu bleiben. Dem Land stehen entscheidende Jahre bevor. Die Wirtschaft strauchelt, Krise reiht sich an Krise. Jetzt braucht es Ideen, wie das Land, wie die Stadt, zukünftig aussehen sollen.

Wer einfach nur Nein sagt, gibt sich zu denkfaul. Auch eine Debatte um die im Zweifel besseren Alternativen zu jenen Projekten bleibt damit aus. Dabei wird sie dringend gebraucht.

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