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Anna Smirnowa aus Russland bleibt nach ihrem Gefecht aus Protest an der Fechtbahn sitzen. Zuvor hatte die Ukrainerin ihr Hand versagt, als die Russin ihr zum Sieg (15:7) gratulieren wollte. 

© dpa/Tibor Illyes

Update

Verweigerter Handschlag bei Fecht-WM: Ukrainerin besiegt Russin – und wird disqualifiziert

Die ukrainische Fecht-Olympiasiegerin Olha Charlan ist bei der WM raus – wegen „unsportlichen Verhaltens“. Der ukrainische Fechtverband will dagegen vorgehen.

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Fecht-Olympiasiegerin Olha Charlan streckte Anna Smirnowa nach ihrem Sieg den Säbel entgegen, die Hand wollte sie der Russin aber nicht reichen – und wurde deshalb von den Weltmeisterschaften wegen „unsportlichen Verhaltens“ disqualifiziert.

Denn wer bei den Fechterinnen und Fechtern den Handschlag verweigert, wird für den weiteren Turnierverlauf ausgeschlossen. In der Runde der besten 32 durfte Olha Charlan deshalb nicht mehr antreten – die Fecht-WM in Mailand hat ihren sportpolitischen Eklat.

Der Chef des ukrainischen Fechtverbands, Mychajlo Illjaschew, kündigte ukrainischen Medien zufolge an, gegen die Disqualifikation vorzugehen. „Wir bereiten einen Protest vor, wir werden Berufung einlegen. Von einer Rückkehr zu diesem Wettbewerb ist jedoch keine Rede“, sagte Illjaschew mit Blick auf die Einzel-Konkurrenz. Ziel sei die Rücknahme der Disqualifizierung, damit Charlan an den Mannschaftswettbewerben der Weltmeisterschaft noch teilnehmen könne.

Der Fechtverband war vorab über Verweigerung des Handschlags informiert

Auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba forderte eine „Wiederherstellung der Gerechtigkeit“. In den sozialen Medien war die Empörung über das Vorgehen des Internationalen Fechtverbandes groß. Charlan erhielt zahlreiche unterstützende Worte von Fans und ukrainischen Sportlerinnen und Sportlern. Die Fechterin selbst bedankte sich in einem Beitrag für den Zuspruch, insbesondere galt der Dank auch den ukrainischen Kämpfern.

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Sportminister Wadim Hutzajt, selbst ehemaliger Fechter, bedauerte die Entscheidung. Hutzajt habe laut Medienberichten erklärt, dass es vorab Gespräche mit Vertretern des Internationalen Fechtverbands gegeben habe. Der Verband sei darauf hingewiesen worden, dass ukrainische Athleten russischen Gegnern nicht die Hand geben würden. Die ausgestreckte Hand Smirnowas sei „eine eindeutige Provokation gegen Olha Charlan“, sagte Hutzajt. Hutzajt betonte, dass die Richter Charlan bereits den Sieg zugesprochen hatten, bevor die Organisatoren die Disqualifikation bekannt gaben.

Nach Angaben der Cheftrainerin des ukrainischen Teams, Natalia Konrad, hat der Internationale Fechtverband die seit Corona gelockerte Handschlag-Regelung am Abend zuvor aufgehoben. Das sei allerdings nicht kommuniziert worden. Charlan sei ukrainischen Medien zufolge ein Ultimatum ausgesprochen worden: Handschlag oder Disqualifikation.

Auch der Deutsche Fechter-Bund kritisiert die Entscheidung

Der Deutsche Fechter-Bund kritisierte die Disqualifikation der ukrainischen Säbelfechterin. „Wir hätten mehr Feingefühl bei Entscheidungen von solcher Tragweite wie einer Disqualifikation erwartet. Olha Charlan hatte ihre Bereitschaft zum Abgrüßen mit dem Säbel deutlich signalisiert“, hieß es in einer Mitteilung des Verbandes. 

Dass Charlan trotz des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands angetreten sei und der Verband ihr dies gestattet habe, sehe man „als große menschliche und sportliche Geste, die durch die Entscheidung des Weltverbandes FIE schwer beschädigt wurde“, hieß es weiter. 

Die viermalige Säbel-Weltmeisterin aus der Ukraine hatte am Donnerstag in der Runde der letzten 64 die Russin Anna Smirnowa klar mit 15:7 besiegt. Die 23-Jährige durfte in Mailand unter neutraler Flagge antreten. Sportliche Wettbewerbe zwischen der Ukraine und Russland hatte es seit Beginn des Krieges nur im Tennis regelmäßig gegeben.

Erst am Vorabend hatte das ukrainische Sportministerium die Erlaubnis für die Teilnahme an solchen Wettkämpfen erteilt, wenn Russen oder Belarussen unter neutraler Flagge antreten. Weiterhin ist es Ukrainerinnen und Ukrainern demnach nicht gestattet, an Wettkämpfen teilzunehmen, bei denen Athleten mit Nationalflaggen aus Russland oder Belarus teilnehmen, nationale Symbole tragen oder Verbundenheit zu den Ländern durch Verhalten oder Aussagen bekunden.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte die Entscheidung begrüßt und die internationalen Sportverbände aufgefordert, Situationen mit Ukrainern und neutralen Sportlern aus Russland und Belarus „mit dem notwendigen Maß an Sensibilität“ zu behandeln.

Olha Charlan bot Rivalin den Säbel an – nicht aber die Hand

Gut 20 Mitglieder der ukrainischen Delegation unterstützten Charlan, riefen immer wieder „Slawa Ukrajini“ („Ruhm der Ukraine“). Nach ihrer Niederlage weigerte sich Smirnowa, die Planche zu verlassen und forderte die Disqualifikation ihrer Gegnerin. Als sie mit ausgestreckter Hand auf sie zugegangen war, hatte Olha Charlan nur kurz den Kopf geschüttelt und der Russin den Säbel entgegengehalten.

Danach ließ sich Smirnowa auf einem Stuhl nieder, ehe dieser ihr nach einer Weile wieder weggenommen und ihr Sitzstreik beendet wurde – das anschließende Gefecht zweier Degenspezialisten begann mit erheblicher Verspätung.

Zunächst war der Kampf von Charlan noch angesetzt, es schien, als ob Charlan weitermachen durfte. Doch dann blieb die rote Bahn leer, die Bulgarin Joana Iliewa erreichte kampflos das Achtelfinale. Das Wort „EXC“ war auf der Tafel neben Charlans Namen erschienen – und der Name der Bulgarin stand auf dem Feld für die nächste Runde.

Am Vortag hatte Degenfechter Ihor Rejslin (39) den Kampf gegen den Russen Wadim Anochin (31) boykottiert. Der Olympia-Dritte von Tokio ging am Mittwoch in der Runde der letzten 64 nicht auf die Planche, auf der Anochin wartete. Der Kampf wurde deshalb als „nicht angetreten“ zugunsten des Russen gewertet.

Bei der WM dürfen Fechterinnen und Fechter aus Russland und Belarus in den Einzelwettbewerben als neutrale Athleten starten. Charlan hatte zuletzt erklärt, gerne gegen Russinnen fechten zu wollen. Der Kampf gegen Russland solle „an allen Fronten“ geführt werden, sagte sie. Die Soldaten an der Front würden ihre Gefechte verfolgen. (Yulia Valova, mit dpa)

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