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Aryna Sabalenka hat keine Lust mehr auf Fragen zur Politik.

© IMAGO/tennisphoto.de

Tennis in Berlin: Bloß nicht nach Putin oder Lukaschenko fragen

Auch beim Rasenturnier in Berlin steht ein riesiger Elefant im Raum bei den Pressekonferenzen. Fragen nach der Politik sind unerwünscht.

Jelena Rybakina, 1,84 Meter groß und von graziler Statur, warf den Ball am Dienstag in den Berliner Himmel. Es folgte ein krachender Aufschlag, ihre Gegnerin Polina Kudermetowa konnte nur verdutzt hinterherschauen. Kurz danach hatte Rybakina ihr Erstrundenspiel beim Rasenturnier des LTTC Rot-Weiß in Berlin mit 6:4 und 6:2 auch schon gewonnen. Die 24-Jährige ist eine der Stars bei diesem Turnier. In der Weltrangliste steht sie derzeit auf Position drei, sie gewann im vergangenen Jahr Wimbledon und viele Beobachter glauben, dass die unheimlich talentierte Spielerin das auch in diesem Jahr schaffen kann.

„Ihr Aufschlag ist nicht zu lesen, das ist ihre große Waffe“, sagt etwa der ehemalige Profi Christopher Kas. „Außerdem hat sie eine hohe Schlagsicherheit bei gutem Tempo in den Grundschlägen.“ So die Experteneinschätzung. Nicht weniger Talent und mindestens genauso gute Chancen auf einen Sieg sowohl beim Turnier in Berlin wie auch in wenigen Wochen in Wimbledon hat Aryna Sabalenka. Die 25-Jährige ist eine andere Spielerin als Rybakina, sie ist kräftig, ihr Spiel besticht durch Wucht und nicht durch Eleganz.

Was beide Spielerinnen eint, auch in Berlin, sind Fragen nach ihrer Nationalität und wie sie dazu stehen. Rybakina stammt aus Moskau, tritt aber seit 2018 für Kasachstan an. Sabalenka ist Belarussin. Wegen ihrer Wurzeln geht der Krieg auch an ihnen nicht vorbei. Nur Tennis spielen? Geht nicht in diesen Zeiten, die Öffentlichkeit fordert eine Haltung dazu. Ob die jungen Frauen, die das ganze Jahr um den Globus jetten und bislang kaum durch ihr besonderes politisches Bewusstsein aufgefallen sind, dafür die richtigen Ansprechpartnerinnen sind, ist eine andere Frage.

Ich habe das hundert Mal beantwortet. Transkribieren Sie doch gerne meine offiziellen Statements auf der Seite der WTA.

Aryna Sabalenka in Berlin auf eine Frage zur Politik

Dementsprechend fällt den Spielerinnen der Umgang mit der Thematik schwer, vor allen Dingen Sabalenka. Sie tapst in ein Fettnäpfchen nach dem anderen. Bei den French Open in Paris vor wenigen Wochen war sie genervt von den emotional vorgetragenen Fragen einer ukrainischen Journalistin. Anschließend sah sie sich aus Gründen ihrer mentalen Gesundheit nicht in der Lage, die beiden darauffolgenden Pressekonferenzen zu besuchen.

Und als nach einem Spiel am Netz auf die unterlegene Ukrainerin Marta Kostjuk wartete, obwohl diese zuvor deutlich gemacht hatte, dass sie auf den Handshake verzichten wolle, stand sie ebenfalls in der Kritik. Dadurch hätte sie ihre Gegnerin wie eine unfaire Verliererin dastehen lassen, lautete der Tenor.

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Spielerinnen aus Russland oder Belarus spielen in Berlin im Hauptfeld der Einzelkonkurrenz

Auch der nächste Auftritt am Sonntag in Berlin von Sabalenka war nicht besser. Darauf angesprochen, ob sie es verstehen könne, dass derzeit viele politische Fragen an sie gerichtet werden, antwortete sie barsch: „Ich habe das hundert Mal beantwortet. Transkribieren Sie doch gerne meine offiziellen Statements auf der Seite der WTA.“

Apropos WTA. Der Welttennisverband der Frauen gibt in diesen Wochen und Monaten ein seltsames Bild ab. Er predigt den unpolitischen Sport. Auch in Berlin ernten die Journalisten finstere Blicke von der WTA-Pressesprecherin, wenn sie nach der Politik fragen. Und nicht nur das: Wer bei den heiklen politischen Fragen nachhakt, wird entweder unterbrochen oder dazu aufgefordert, Dinge rund um das Sportliche anzusprechen. Was das Thema nur noch größer macht. So steht bei jeder PK mit den Spielerinnen ein riesiger Elefant im Raum.

Es ist wie so oft im Sport: Die Politik lässt sich nicht abschütteln, auch wenn die Verbände das gerne tun würden. Selbst aus Spielerkreisen nimmt die Kritik an der WTA zu. Die Weltranglistenerste Iga Swiatek forderte jüngst eine Art Handlungsanweisung der Verbände für die Spielerinnen. „Wir wurden nicht zusammengebracht, um zu erklären, wie wir mit dieser komplexen Situation umgehen und uns verhalten sollten“, sagte die Polin. Daher gebe es Spannungen unter den Spielerinnen, die Atmosphäre sei in der Umkleidekabine sehr angespannt.

In Berlin herrscht dieser Tage nicht das Gefühl vor, als würde das Frauen-Tennis die komplexe Gemengelage in den Griff bekommen. Großen Anteil daran hat vermutlich die WTA selbst, in erster Linie aber natürlich: der Krieg in der Ukraine.

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