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„Die Geburt der flüssigen Begierde“: Salvador Dalí malte das Werk 1932

© Andreas Klaer

Wie hängt man einen Dalí richtig auf?: Einblicke in neue Barberini-Ausstellung

„Surrealismus und Magie“ heißt die Schau des Potsdamer Museums, die in der kommenden Woche startet. Rund 90 Bilder von mehr als 20 Künstler:innen werden gezeigt.

Ein grotesker Mann, zerschmelzende Felsen, zwei Spiegeleier und ein Wasserfall aus einer Kommode – Salvador Dalís Gemälde „Die Geburt der flüssigen Begierden“ ist im gleichen Maße unverständlich wie faszinierend. Am Montag wurde es als erstes Bild der kommenden Ausstellung „Surrealismus und Magie“ aufgehangen, die am 22. Oktober im Museum Barberini eröffnet wird. Neben Dali werden auch Werke von Max Ernst, Giorgio de Chirico, Leonora Carrington oder Rene Magritte zu sehen sein.

Die rund 90 Bilder von mehr als 20 Künstler:innen waren am vergangenen Mittwoch aus Venedig gekommen: Dort befand sich die erste Station der Ausstellung, die im April diesen Jahres in den Räumen der Peggy Guggenheim-Collection stattgefunden hatte. Nun stehen die Bilder in großen Holzkisten vor den noch leeren Wänden des Barberini und warten darauf, ausgepackt zu werden. Dies darf frühestens 24 Stunden nach der Ankunft passieren: Diese Zeit brauchen die Bilder, um sich akklimatisieren, damit die Farbe keine Schäden nimmt.

Der Versicherungswert ist enorm: Für das Dalí-Gemälde ist eigens Marco Rosin aus Venedig gekommen, der als offizieller Kurier den sachgemäßen Transport, das Auspacken und das Aufhängen überwacht, um eventuelle Schäden zu dokumentieren. „Links ein bisschen höher“, sagt Rosin, als „Die Geburt der flüssigen Begierden“ von zwei Mitarbeitern mit weißen Handschuhen ausgerichtet wird. „Wollen wir nochmal mit dem Laser nachmessen?“, fragt Ausstellungs-Kurator Daniel Zamani den Kurier. Doch Rosin ist zufrieden: „Ich bin glücklich damit.“

Porträt der Künstlerin als Hexe

Nun geht es an das zweite Gemälde, das heute aufgehangen wird: Max Ernsts „Die Einkleidung der Braut“, das eine Hommage an die britisch-mexikanische Künstlerin Leonora Carrington darstellt, mit der Ernst zeitweise zusammen war. „Das Bild zeigt Carrington als Hexe oder Zauberin“, erläutert Zamani. Alchemistische Vogelwesen legen der nackten Frauenfigur einen roten Eulenmantel um die Schultern, so wie einer Schamanin, die in die Haut ihres Schutztieres gehüllt wird.

Die „Einkleidung der Braut“ von Max Ernst ist eine Leihgabe der Peggy Guggenheim Collection.
Die „Einkleidung der Braut“ von Max Ernst ist eine Leihgabe der Peggy Guggenheim Collection.

© Andreas Klaer

Ernst stellt Carrington so dar, wie diese sich selber sah: Als Künstler-Magierin, die mit unsichtbaren Kräften in Kontakt stand und diese in ihre Bilder kanalisierte. Damit spiegelt das Gemälde perfekt das Thema der Ausstellung wider, nämlich die Faszination der Surrealist:innen für Esoterik und Okkultismus. „Das Gemälde war der Ausgangspunkt der Ausstellung“, betont Zamani, der die Schau seit knapp fünf Jahren vorbereitet. „Es war eines der Lieblingsbilder der Sammlerin Peggy Guggenheim und wird sonst kaum verliehen.“

Jeder Zentimeter der Bilder wird auf Transportschäden abgesucht

Nun steht es in Potsdam und wird endlich ausgepackt: Unter dem wachsamen Auge von Rosin wird die rote Holzkiste aufgeschraubt. Dahinter kommt eine dicke Schicht Schaumstoff zu Tage, unter der sich das in Folie eingehüllte Gemälde befindet. Vorsichtig wird es auf einen Tisch gelegt, denn nun müssen Rosin und Restauratorin Felicitas Klein es auf mögliche Transportschäden untersuchen.

Marco Rosin aus Venedig und Restauratorin Felicitas Klein untersuchen Max Ernsts „Die Einkleidung der Braut“ auf mögliche Transportschäden. 
Marco Rosin aus Venedig und Restauratorin Felicitas Klein untersuchen Max Ernsts „Die Einkleidung der Braut“ auf mögliche Transportschäden. 

© Andreas Klaer

Da das Bild ein gewisses Alter hat, sind bereits ältere Fehlstellen vorhanden, die in einem Protokoll festgehalten sind. Rosin zeigt auf die untere rechte Ecke des Gemäldes: „Auf diesen Bereich müssen sie besonders achten, da gibt es schon einige Brüche in der Farbe.“ Mit einer kleinen Lampe suchen Klein und Rosin Zentimeter für Zentimeter des Bildes ab – alles ist in Ordnung, es sind keine neuen Schäden hinzugekommen. Beide setzen ihre Unterschrift unter das Sichtungsprotokoll.

Guggenheim fürchtete sich vor dem Dalí-Gemälde

Die Werke der Ausstellung stammen aus insgesamt 50 Sammlungen aus Europa, den USA, Kanada, Mexiko und Israel. Die Potsdamer:innen haben Glück, denn im Barberini werden mehr Bilder zu sehen sein, als in Venedig: Da die Räume der Guggenheim-Collection kleiner sind, konnten dort nur etwa 60 Bilder gezeigt werden. In Potsdam sollen vor allem mehr Bilder von Kurt Seligmann, Roberto Matta, Carrington und Dalí zu sehen sein.

Kurator Daniel Zamani neben dem Werk von Dalí.
Kurator Daniel Zamani neben dem Werk von Dalí.

© Andreas Klaer

Insgesamt sieben Gemälde stammen direkt aus der Sammlung von Peggy Guggenheim. Die Kunstmäzenin, die zeitweise auch mit Max Ernst verheiratet war, gehörte zu den wichtigsten Sammler:innen surrealistischer Kunst. Von Dalí hielt sie übrigens nicht besonders viel: „‘Die Geburt der flüssigen Begierden‘ war das Bild in ihrer Sammlung, das sie am wenigsten mochte“, sagt Zamani. „Sie hat sich vor dem Bild gefürchtet.“ Dies kann man durchaus nachvollziehen: Mit seinen eigenartig sexuellen Motiven wohnt dem Gemälde durchaus eine Art freudsches Grauen inne.

Guggenheim habe es nur widerwillig gekauft, da sie den Anspruch hatte, von allen wichtigen Surrealist:innen mindestens ein bedeutendes Werk zu besitzen, so Zamani. „Als man sie gefragt hat, ob sie noch weitere Bilder von Dalí kaufen wolle, hat sie gesagt: ‚Um Gottes Willen, eines ist mehr als genug!‘“, sagt Zamani.

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