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Monets Gemälde „Impression, Sonnenaufgang“ von 1872 gab dem Impressionismus seinen Namen. Jetzt ist es für acht Wochen in Potsdam zu sehen.

© bpk/RMN - Grand Palais

„Die Quelle des Lichts“: Das Potsdamer Museum Barberini geht auf Sonnensuche

Die Schau „Sonne. Die Quelle des Lichts“ ist vom 25. Februar bis 11. Juni 2023 im Barberini zu sehen. Sie entstand in Kooperation mit dem Musée Marmottan.

Um Licht geht es am Potsdamer Museum Barberini seit der Eröffnung 2017. Schon die „Kunst der Landschaft“ untersuchte, wie die Impressionisten mit ihrer Pleinair-Malerei der gleißenden Sonne des Südens nachspürten, dem Schillern nordfranzösischen Schnees. Dass das Haus sich nun der Sonne als Quelle des Lichts widmet: Nur konsequent.

Und auch dass die Sonne hier sogar im Wortsinn mitmalen darf. „Die Sonne überflutet meine Leinwand“, heißt ein Bild des 2021 gestorbenen Gérard Fromanger im letzten Raum. Ein großer sonnengelber Kreis, aus dem Farbspuren herausrinnen. Die Sonne, sie tropft. Es ist das postmodern kichernde Echo auf den Strahlenkranz, ein Bildmotiv, das sich in zahllosen Variationen in der Schau wiederfindet.

Ein Ritt durch 2400 Jahre

Fromanger setzt den ironischen Schlusspunkt an eine Reise, die knapp zweieinhalb tausend Jahre umspannt. Es ist ein erstaunlicher Trip nicht nur ins Herz des Impressionismus, sondern durch die Geschichte der abendländischen Kunst. Damit dieser unglaubliche Ritt gelingt, hat Kurator Michael Philipp anders als das kooperierende Musée Marmottan in Paris, wo die Ausstellung zuvor zu sehen war, nicht chronologisch sortiert, sondern in Themenblöcke gegliedert. Und trotz 1000 Quadratmetern Fläche aussortiert: Die Schau beschränkt sich auf Europa.

Der Impuls hinter der Ausstellung war sehr konkret: der Wunsch des Potsdamer Museums, Monets berühmtes Gemälde „Impression, Sonnenaufgang“ auszuleihen, eine Darstellung des Industriehafens von Le Havre. Es war 1874 auf der ersten Gemeinschaftsausstellung der Société anonyme zu sehen und gab dem Impressionismus seinen Namen. Im Musée Marmottan hängt es an zentraler Stelle. Man trennte sich dort so schwer, dass es nur acht Wochen in Potsdam bleiben darf.

Wer verstehen will, wie bahnbrechend dieses Werk ist, muss sich Monets ebenfalls 1872 Jahr entstandenes Bild „Argenteuil am Spätnachmittag“ im gleichen Raum ansehen. In Argenteuil ist die Welt noch in Ordnung, eine vorindustrielle Idylle. In Le Havre ist die Moderne unübersehbar da. Wolken und Rauch verschmelzen zu einer Masse. Die Sonne ist, wie später in den 1930ern bei Arthur G. Dove oder in den 1950ern bei Jean Miró, nichts mehr als ein rotes Auge. Kein Trost, kein Versprechen. Schon eher Warnsignal.

Menschliche Hybris allerorten

Damit sind zwei Kernmotive dieser Schau berührt. Erstens: überraschende Kontinuitäten. Wer hätte gedacht, dass Caspar David Friedrichs mit religiöser Hoffnung aufgeladener „Ostermorgen“ und der 1926 entstandene „Grätenwald“ des vom Ersten Weltkriege tief erschütterten Max Ernst so viel gemeinsam haben? Die kahlen Bäume, und auch die Frage: Kann man von diesem fahlen Sonnenball etwas erwarten?

„Ostermorgen“ (l.) von Casper David Friedrich und „Grätenwald“ von Max Busch.

© Manfred Thomas Tsp/MANFRED THOMAS TSP

Die zweite, sehr eindrückliche Konstante dieser Schau ist die frappierende Ambivalenz der Sonne, durch die Jahrhunderte hinweg. Hierin liegt auch die Aktualität dieser Ausstellung, die sie nicht vor sich herträgt, aber in jedem Raum zu spüren ist. Die Sonne nährt und ernährt - aber sie verzehrt auch alles, was ihr zu lange oder zu nah ausgesetzt ist. Davon kündet der Feuerball bei Monet oder Miró.

Und auch Katharina Sieverding. Sie zeigt großformatig rot glühende Nasa-Aufnahmen des Sonnenballs. Die Sonne, eine lebensbedrohliche Masse. „Die Sonne um Mitternacht schauen“, nennt sie das, eine zeitgemäße Fortschreibung des antiken Ikarus-Mythos, um den es ein paar Räume weiter geht. Hendrick Goltzius zeigt, wie Ikarus noch im Sturz den Blick nicht von der Sonne wenden kann. Bernhard Heisigs Ikarus schreit verzweifelt gegen den Fall an.

Katharina Sieverding zeigt großformatig rot glühende Nasa-Aufnahmen des Sonnenballs.

© Andreas Klaer

Menschlicher Hybris begegnet man hier aller Orten. Einige Herrscher wollten bekanntlich selbst Sonne sein. Lange vor Louis XIV. kam Alexander der Große auf die Idee, er ließ sich als Sonnengott Helios abbilden. Auch Napoleon ist, ziemlich missglückt, als Apollon zu sehen: ein realistisches Köpflein auf gelbem Grund.

„Sonnenaufgang“ von Otto Dix aus dem Jahr 1913

© Andreas Klaer

War in der Antike die Sonne eine Gottheit, eine unbesiegbare Kraft, die die Weltgeschicke mit einem Ritt durch das Himmelszelt lenkte, so kam mit dem Alten Testament die Entthronung. Die Sonne wurde zu einem Stern aus Gottes Hand, weisungsgebunden: Sie sollte Gott huldigen - oder kosmischen Schmerz auszudrücken. Als Jesus gekreuzigt wurde, soll sich die Sonne verfinstert haben.

Nach Jahrhunderten der Dienstbarkeit, in der Alchimie, in der Religion, im Tarot, kam die Sonne erst in der Landschaftsmalerei ab Beginn des 17. Jahrhunderts wieder richtig zum Zuge. Auch hier blieb sie Stimmungsträgerin, aber sie wurde bestimmende Kraft. Die Gemälde Turners, Monets, Boudins und Signacs zeigen das. Ein berauschendes Aufbäumen, dem Monet mit Le Havre den Endpunkt selbst bereits eingeschrieben hat. Die Antwort darauf gibt Otto Piene 1961. Seine „Schwarze Sonne“: ein Rußfleck.

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