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Weihnachtsbäume im Grottensaal im Neuen Palais in Potsdam.

© Andreas Klaer,PNN,Tsp / Andreas Klaer

Wie Wilhelm II. feierte: Bescherung bei 16 Grad Raumtemperatur

Vier Meter hohe Weihnachtsbäume, hastige Festessen und Berge von Geschenken: So feierte der deutsche Kaiser den Heiligabend im Grottensaal des Neuen Palais.

Kaiser Wilhelm II. war bekannt dafür, sich gerne massenmedial zu inszenieren: Unzählige Fotografien zeugen vom Selbstdarstellungseifer des Monarchen, dem immer sehr an Applaus gelegen war. Da überrascht es schon, dass es keinerlei Fotos von Wilhelm II. beim Weihnachtsfest gibt: „Obwohl er sonst sehr medienaffin war, wollte er den Heiligabend komplett privat verbringen“, sagt Jörg Kirschstein von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.

Es gibt nur eine gezeichnete Postkarte, die einen Eindruck vermittelt, wie der Kaiser Weihnachten feierte: Etwas steif und nicht sonderlich fröhlich schaut seine Durchlaucht darauf drein. „Es gab eine große Nachfrage nach Fotos, die das Weihnachtsfest der Kaiserfamilie zeigten“, sagt Kirschstein. Die Postkarte war ein Kompromiss, um das öffentliche Interesse zu befriedigen.

Weihnachtspostkarte mit Motiv aus dem Grottensaal des Neuen Palais in Potsdam.
Weihnachtspostkarte mit Motiv aus dem Grottensaal des Neuen Palais in Potsdam.

© SPSG

Kirschstein steht im Grottensaal im Neuen Palais, der derzeit mit zwei Tannenbäumen geschmückt ist. Genau hier fand zwischen 1889 und 1917 das hoheitliche Weihnachtsfest statt, bis der Kaiser ins Exil flüchtete. Doch warum der Grottensaal? „Durch die vielen Verzierungen mit Muscheln und Mineralien war es nun mal der opulenteste und geheimnisvollste Saal“, sagt Kirschstein. „Wenn die Kerzen angezündet wurden, hat es überall an den Wänden gefunkelt.“

Ein Grottensaal voller Tannenbäume

Zu Weihnachten stand im Grottensaal ein kleiner Wald aus Tannenbäumen: Zwei vier Meter hohe Bäume wurden für das Kaiserpaar aufgestellt, sieben kleinere waren für die Kinder bestimmt. „Die Größe der Bäume richtete sich dabei nach dem Alter der Kinder“, sagt Kirschstein. Auch in den vier Fontainenbecken standen kleinere Weihnachtsbäume, die Brunneneinfassungen waren mit Tannengrün dekoriert.

Hohenzollern-Experte Jörg Kirschstein ist neuer Kastellan des als Gästeschloss erbauten Neuen Palais in Potsdam.
Hohenzollern-Experte Jörg Kirschstein ist neuer Kastellan des als Gästeschloss erbauten Neuen Palais in Potsdam.

© Andreas Klaer,PNN,Tsp / Andreas Klaer

Über den Ablauf des Heiligabends gibt es detaillierte Aufzeichnungen: Um 15 Uhr begab sich Wilhelm II. zu Fuß in die Priesterstraße, um dort die Leib-Kompanie des 1. Garderegiments zu bescheren. Zeitgleich verteilte seine Gemahlin Geschenke an rund 170 Angestellte des Hofes im Schildersaal des Neuen Palais – ein Brauch, den die Kaiserin aus ihrer Heimat Niederschlesien mitgebracht hatte.

Um 16 Uhr begann im Apollosaal das Weihnachtsdinner, an dem der ganze Hofstaat teilnahm – insgesamt rund 30 Personen. „Das Essen begann immer mit ‚Karpfen blau‘“, so Kirschstein. Der wurde natürlich nicht irgendwo auf dem Markt gekauft: Der preußische Landwirtschaftsminister Victor von Podbielski sorgte höchstpersönlich dafür, dass 25 Pfund Karpfen aus der Oberförsterei Steinbusch an das Oberhofmarschallamt geliefert wurden.

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Geschenke erhielt Wilhelm II. 1903 zu Weihnachten.

Zu den weiteren Gängen gehörte Schinkenauflauf mit grünem Spargel, Gans, süße Mince Pies und Christmas Pudding, der stets mit Alkohol übergossen und brennend hereingetragen wurde. Viel Zeit blieb nicht, um alle Gänge ausgiebig zu genießen: Nach genau 45 Minuten war das Dinner vorbei. „Der Kaiser war ein schneller Esser“, so Kirschstein.

Zehn Zobel für die Kaiserin

Um 16.45 Uhr schritt man zur Bescherung im Grottensaal. Auch die Geschenke wurden gewissenhaft für die Nachwelt protokolliert: 1899 erhielt Eitel Friedrich das Buch „Der Trompeter von Säckingen“, Adalbert bekam ein gerahmtes Bild der Kaiserin Augusta, August Wilhelm eine Schwarzwälder Uhr, Oskar erhielt zwei Bücher über Malerische Studien, der jüngste Sohn Joachim bekam das Spiel „Klar Schiff“.

Recht bescheidene Gaben, vor allem wenn man sie mit den Geschenken für den Kaiser vergleicht: Für das Jahr 1903 etwa listet das Oberhofmarschallamt insgesamt 43 Einzelpositionen auf, darunter ein Jagdgewehr mit Fernrohr, zwei große blaue Vasen mit Tannenmalerei vom Zaren von Russland, eine Garnitur goldene Manschettenknöpfe oder eine versilberte, innen vergoldete Zigarettendose.

Auch die Kaiserin konnte sich nicht beklagen: 1903 bekam Auguste Victoria unter anderem zehn Zobel, drei Pakete Chinchilla-Pelze, einen Nerzkragen, eine Boa aus weißen Straußenfedern sowie einen goldenen Schirmstock mit großem Opal.

Trotz der prachtvollen Ausstattung des Grottensaals: Besonders gemütlich war es im dem großen Raum nicht, zumindest was die Temperaturen anging. Für gewöhnlich herrschten im Grottensaal lediglich 13 Grad. „An Heiligabend wurde er auf 16 Grad geheizt“, sagt Kirschstein. Aufwärmen konnte man sich in den Privatgemächern: Gegen 19.15 Uhr zog sich die Kaiserfamilie zurück. Um 20.30 Uhr folgte mit der zweiten Abendtafel im Grottensaal dann schließlich der letzte Programmpunkt der wilhelminischen Weihnachten.

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