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Das Minsk in Potsdam ist das jüngste Projekt der Hasso-Plattner-Foundation.

© Andreas Klaer

PYAnissimo: Als das Minsk noch eine Bonzenbude war

Unsere Kolumnistin wünscht sich, dass das Minsk – einst Vorzeigebau der DDR – entglorifiziert und entmystifiziert wird.

Eine Kolumne von Steffi Pyanoe

Ich oute mich jetzt mal: Ich war noch nie im Minsk. Als ich ein Kind war, wohnten wir in einer Stadt im Süden von Potsdam. Der Weg in die Bezirkshauptstadt, wenn wir hier was zu erledigen hatten, führte durch die unglaublich düstere Leipziger Straße und am Brauhausberg vorbei. Vorbei! Das richtige Potsdam begann erst hinter der Langen Brücke.

Einmal gab es mal einen Schulausflug in die Schwimmhalle, aber das war‘s dann auch mit dem Berg. Später, als Internatsschülerin auf Hermannswerder, ging es wieder nur am Berg vorbei: Wenn wir nachts mit der letzten Straßenbahn vom Lindenpark kamen, wo es im jwd eine ganz passable Disko gab, begann hier ein langer Fußmarsch bis auf die Insel. Der Berg war eine andere, unwirkliche Welt.

Wenn jetzt viele davon schwärmen, wie toll die Disco im Minsk war und wie wunderbar man dort feiern konnte, dann frage ich mich, wie viele von den damaligen und den heutigen Potsdamern das wirklich betraf und betrifft. Ich kenne keinen, der mal drin war. Für die, mit denen ich damals zu tun hatte, war das Minsk am Berg eine Bonzenbude. Ein Vorzeige-Ding direkt unterhalb der bedrückend-mächtigen Parteizentrale, und man ahnte: Die Stasi würde immer mit am Tisch sitzen.

Blick in die Ausstellung mit Schrebergarten-Fotos von Stan Douglas im Minsk in Potsdam.

© dpa / Christopher Söder

Da ging man einfach nicht hin. Und dann der Name: Minsk mag folkloristisch gemeint gewesen sein – aber Minsk war letztlich nichts weiter als die Hauptstadt einer der zahlreichen glorreichen Sowjetrepubliken. Die Sowjetunion hatte nämlich nicht nur eine, sie hatte gleich ganz viele Hauptstädte! Trotzdem war echte Völkerfreundschaft oder besser Bevölkerungsfreundschaft zwischen der kleinen DDR und der riesen Sowjetunion nicht gefragt.

Und plötzlich steht das Minsk für ostdeutsche Identität und Ost-Architektur. Für Erinnerungen, die aus der Ferne ganz besonders fröhlich funkeln. Aber das moderne Gebäudeensemble mit seiner durchaus besonderen architektonischen Handschrift spielte damals auch eine politische Botschaft aus: Während unten in der Altstadt die Bausubstanz verrottete, durfte man hier Mangelwirtschaft und Unfreiheit für einen Moment vergessen. DDR-Postkartenidylle: Seht her, so schön ist der Sozialismus.

Dass ein sehr reicher Unternehmer jetzt das Objekt gekauft und mal eben zum Museum umgebaut hat, weil er es kann, für eine Kunstrichtung, die es nach der Wende schwer hatte, ist trotzdem schön. Es gäbe noch viele andere Möglichkeiten, in Potsdamer Häuser zu retten und für die Kunst etwas zu tun – aber nun ist es das Minsk geworden.

Und natürlich werde ich hingehen, in das neue Museum. Ohne sentimental zu werden. Ich wünsche mir, dass wir das Minsk entglorifizieren und entmystifizieren. A house is a house is a house. Das heutige Minsk könnte auch in Wuppertal stehen. Dass es hier steht in Potsdam, umso besser.

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