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Vorfahrt für den ÖPNV in der Mark

© dpa/Patrick Pleul

Mobilitätsgesetz für die Mark : Vorrang für Bahn, Bus und Rad

Eine Volksinitiative hatte über 20.000 Unterschriften für eine schnellere Verkehrswende gesammelt. Jetzt liegt der Entwurf für das erste Mobilitätsgesetz der Mark vor.

Zwei Stunden. Selbst aus dem entferntesten Dorf der Mark soll man das Zentrum Berlins mit dem öffentlichen Personennahverkehr „in maximal 120 Minuten“ erreichen können. Dieses ambitionierte Ziel soll nun im neuen, dem ersten Brandenburger Mobilitätsgesetz, verankert werden, auf das sich jetzt Verkehrsminister Guido Beermann (CDU), die Volksinitiative „Verkehrswende jetzt“ und die Kenia-Koalitionäre aus SPD, CDU und Grünen nach zähem Ringen in einem moderierten Dialogverfahren geeinigt haben. Der ÖPNV soll Vorfahrt erhalten, der Radverkehr weit höheren Stellenwert als bisher. Brandenburg wäre bundesweit das erste Flächenland mit einem solchen Mobilitätsgesetz.

„Eine Metropole in diesem Sinne ist in erster Linie Berlin, kann aber bei regionaler Bedeutung auch Hamburg, Dresden, Leipzig, Wroclaw, Magdeburg, Rostock oder Szczecin sein“, heißt es im Entwurf, der dieser Zeitung vorliegt. Aus jedem Mittelzentrum, das sind Kleinstädte wie Belzig oder Eberswalde, soll das nächste Metropolenzentrum in maximal 90 Minuten mit dem ÖPNV erreichbar sein, aus Oberzentren wie Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder) in maximal 60 Minuten.

Und im Nahbereich soll man innerhalb von 45 Minuten in die nächste Kleinstadt kommen können und innerhalb von 60 Minuten ins nächste Oberzentrum. Ab wann diese Standards gelten sollen, und in welchem Takt er gewährleistet wird, ist im Entwurf nicht fixiert. Ziel sei ein Stundentakt, heißt es.

16 Verbände gehören zum Bündnis

Das Verkehrswende-Bündnis, an dem 16 Verbände wie der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) und die Grüne Liga mitmachen, hatte über 20.000 Unterschriften für einen zügigeren ÖPNV- und Radverkehrsausbau im Land gesammelt. Im April 2021 hatte der Landtag ein Dialogverfahren auf den Weg gebracht, nach dem möglichst schon bis Ende 2022 ein Mobilitätsgesetz vorgelegt werden sollte. Die Suche nach einem Kompromiss gestaltete sich schwierig, sodass es ein halbes Jahr länger dauerte.

Der nun ausgehandelte Kompromiss, über den zuerst die MOZ und die MAZ berichteten, soll am heutigen Dienstag im Landtag vorgestellt werden. Es ist eins der letzten unerledigten großen Vorhaben auf der To-do-Liste der Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen in Brandenburg vor der Landtagswahl im Herbst 2024. Der weitere Fahrplan sieht dem Vernehmen nach vor, dass das Mobilitätsgesetz - nach einer regierungsinternen Abstimmung - im September vom Landtag verabschiedet werden soll. Ziel ist es, damit nicht ins Wahljahr zu rutschen.

Als integriertes Gesetz soll es das bisherige ÖPNV-Gesetz und das Straßenbedarfsplanungsgesetz ablösen. Es nimmt Brandenburgs Klimaschutzziele auf, bis 2045 Netto-Treibhausgas-Neutralität zu erreichen, was ohne einen signifikanten Beitrag des Verkehrssektors nicht möglich wäre. So soll der Anteil des Umweltverbundes (ÖPNV, Rad, Fußverkehr) bis 2030 auf 60 Prozent erhöht werden - auch durch Prioritäten im Landeshaushalt. Mit dem Fahrrad, so lautet ein weiteres Ziel, sollen 2030 dann 20 Prozent der Wege zurückgelegt werden, 25 Prozent zu Fuß. Bereits heute fließen 65 Prozent aus dem Verkehrs-Etat des Beermann-Ressorts in den Umweltverbund. Für Radfahrer soll die Mark mit mehr separaten Radwegen und Radschnellwegen, einer Verbesserung der Lückenschlüsse und velofreundlicheren Ampel-Takten attraktiver werden.  

Zur Verkehrssicherheit wird das seit Jahren verfolgte, aber nicht erreichte Ziel der „Vision Zero“ verankert, dass niemand mehr im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt wird. In dem Gesetzentwurf wird außerdem festgeschrieben, dass die Sanierung bestehenden Straßen Vorrang vor Neubau-Vorhaben haben soll - und zwar auch „bei der Anmeldung von Straßenbauprojekten für den Bundesverkehrswegeplan.“ Der Neubau, darauf pochen insbesondere das Beermann-Ministerium, aber CDU und SPD, wird nicht ausgeschlossen. Das Auto, so der pragmatische Ansatz, soll trotz ÖPNV-Vorfahrt in Brandenburg weiter rollen, künftig elektrisch oder mit Wasserstoff betrieben.

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