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FDP-Chef Christian Lindner macht im Haushaltsstreit ein kleines Zugeständnis.

© Reuters/Liesa Johannssen

SPD und Grüne reagieren erleichtert: Lindner kündigt kleine Reform der Schuldenbremse an

Im Haushaltsstreit macht FDP-Chef Lindner seinen Koalitionspartnern ein Zugeständnis. Teile der SPD träumen aber weiter von einer großen Lösung mit der Union.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat eine kleine Reform der Schuldenbremse in Aussicht gestellt, bei seinen Koalitionspartnern sorgt das für Erleichterung. „Das Thema muss raus aus der Tabuzone“, sagte Andreas Audretsch, Frakitonsvize von Bündnis 90/Die Grünen, dem Tagesspiegel.

„Die Schuldenbremse ist ein Relikt vergangener Zeit“, sagte SPD-Fraktionsvize Achim Post dem Tagesspiegel. Kurzfristig gehe es jetzt darum, die Schuldenbremse der aktuellen Zeit und Ihren Herausforderungen anzupassen. Dafür sei Lindners Vorschlag ein Baustein.

Die Schuldenbremse ist ein Relikt vergangener Zeit

Achim Post, SPD-Fraktionsvize

Reform ist schon länger vereinbart

FDP-Chef Lindner will im kommenden Jahr die sogenannte Konjunkturkomponente anpassen, um in Krisenzeiten mehr Investitionen zu ermöglichen. „Es ist beabsichtigt, die Berechnung an den aktuellen Stand der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung anzupassen, was die Schwankungsbreite verändern wird“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das vergrößere aber über mehrere Jahre gesehen nicht die mögliche Verschuldung. „Denn der größere Spielraum im Abschwung wird im Aufschwung wieder eingesammelt“, betonte er. Mit der aktuellen Haushaltssituation des Bundes habe das nichts zu tun.

Diese Reform habe die Ampel bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, betonte auch Post. „Sie sollte nun sehr zeitnah umgesetzt werden.“ Andreas Audretsch begrüßte dennoch, dass Lindner nun bereit sei, „über Anpassungen der Schuldenbremse zu sprechen“.

Grüne und SPD wollen grundlegende Reform

Vor vier Wochen hatte das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil die Schuldenbremse sehr eng interpretiert. SPD und Grüne fordern deshalb eine grundlegende Reform. „Investitionen in Klimaschutz ist Sicherung der Freiheit unserer Kinder“ – auch das habe Bundesverfassungsgericht 2021 entschieden, sagte Audretsch. Nötig sei nun eine Öffnungsklausel bei der Schuldenbremse, „um in Klimatechnologien, in Jobs, in klimagerechten Wohlstand zu investieren.“

Was ist denn generationengerecht daran, wenn ich zwar ein ausgeglichenes Konto habe, aber alle Schulgebäude in Deutschland verfallen?

SPD-Chefhaushälter Dennis Rohde

SPD-Chefhaushälter Dennis Rohde sieht in der Schuldenbremse ebenfalls keinen Schutz für spätere Generationen. „Was ist denn generationengerecht daran, wenn ich zwar ein ausgeglichenes Konto habe, aber alle Schulgebäude in Deutschland verfallen?“, sagte er in einem Podcast seiner Fraktion.

Dass eine solche große Reform mit der FDP nicht möglich ist, ist SPD und Grünen allerdings bewusst. Rohde forderte deshalb die Union auf, sich zu bewegen. „Die CDU muss jetzt mal klären, was ihre Prioritäten sind. Politik für die Menschen machen oder Populismus?“, sagte er.

SPD-Politiker appellieren an Union

Es gebe eine realistische Chance für eine Reform, wenn sich die Vernünftigen in der Union durchsetzten, meinte Rohde, „weil es einfach Webfehler bei der Schuldenbremse gibt.“ Mit Blick auf die Union forderte auch SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch eine „Allianz der Vernünftigen.“

Die Union ist in der Frage weiter gespalten. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) forderte trotz Kritik von CDU-Parteichef Friedrich Merz erneut eine Reform.

„Ich halte Investitionen in die Zukunft für absolut notwendig“, sagte Wegner der Deutschen Presse-Agentur. „Das können weder Berlin noch andere Bundesländer und auch nicht der Bund aus dem Haushalt stemmen.“ Bei Verkehrswegen, Brücken, Schulen, Polizei- oder Feuerwehrwachen sei der Investitions- und Sanierungsstau enorm, weil hier über Jahre vieles auf Verschleiß gefahren worden sei.

Auch Wegner kann sich deshalb mehr Schulden für Investitionen vorstellen. Ihm gehe es nicht um Wahlgeschenke im konsumtiven Bereich, sondern „um die existenziell wichtigen Investitionen, die unser Land jetzt braucht.“

Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther stützte hingegen Merz‘ Kurs. „Ich halte die Schuldenbremse für richtig und auch das geltende Regelwerk“, sagte er. „Für Zukunftsinvestitionen müssen wir Geld in die Hand nehmen. Aber ich befürchte, dass man es auch für andere Zwecke sehr viel leichtfertiger ausgeben würde, wenn wir jetzt an dem Regelwerk etwas ändern würden.“ Das habe es in der Vergangenheit oft gegeben.

Der von Lindner geplanten Reform der Konjunkturkomponente müsste die Unionsfraktion im Bundestag wohl nicht zustimmen. Denn sie ist nicht im Grundgesetz geregelt, sondern in einem Ausführungsgesetz.

Wie lange hält der Ampel-Formelkompromiss?

Da es im Bundeshaushalt für das kommende Jahr kaum Spielraum gibt, dürfte die Ampelkoalition zudem schon bald erneut über eine Aussetzung der Schuldenbremse per Notlage streiten. SPD und Grüne hatten auf eine erneute Aussetzung in den vergangenen Wochen massiv gefordert, die FDP lehnte das ab.

Die Frage führte zwischen Lindner und Kanzler Olaf Scholz fast zum Bruch. Am Ende blieb nur ein Formelkompromiss. Mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) vereinbarten Scholz und Lindner, dass eine Notlagen-Erklärung möglich bleibt, sollte die Ukraine weitere Hilfen benötigen.

„Für 2024 bleiben alle Wege auf dem Tisch“, betonte Audretsch. „Wenn die Ukraine uns braucht, stehen wir bereit und werden dafür wenn nötig auch die Notlagen-Klausel der Schuldenbremse ziehen.“

SPD-Chefhaushälter Dennis Rohde sieht die Voraussetzungen für eine Notlage bereits jetzt gegeben. „Für mich ist ein Krieg in Europa kein Normalzustand“, sagte er. Er betonte jedoch zugleich, dass man die Schuldenbremse nicht aussetzen werden, um irgendwelche Maßnahmen zu finanzieren. Es gehe allein um die Frage: „Wie entwickelt sich die Situation in der Ukraine?“

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