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Der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla und die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel.

© dpa/Carsten Koall

„Demut“ und „Harmonie“: In der AfD fürchten sie jetzt den Streit

Die Umfragewerte sorgen auf dem Parteitag der extrem rechten Partei für gute Stimmung. Und doch sorgt man sich, dass es damit wieder vorbeigehen könnte.

Wenn es nach Tino Chrupalla geht, dann gibt es genau ein Erfolgsrezept für seine Partei: Harmonie. Durch „Harmonie“ seien die aktuellen Umfragewerte möglich geworden. „Und diese Harmonie werden wir auch in die nächsten Wahlkämpfe tragen“, ruft der AfD-Chef auf dem Parteitag in Magdeburg den 600 Delegierten zu.

Das mag banal klingen – doch in der AfD ist es das nicht. Jahrelang zerfleischte sich die extrem rechte Partei in internen Machtkämpfen. Seit gut einem Jahr ist Ruhe, die großen internen Machtkämpfe sind vorbei, nachdem Parteichef Jörg Meuthen das Handtuch geworfen hat. Die vergleichsweise Gemäßigten haben den Kampf aufgegeben. Und wenn es nach Chrupalla geht, hält diese Ruhe weiter an. Heftigen Streit will er auf dem Parteitag in Magdeburg verhindern.

Zwei Wochenenden lang tagt die Partei, stimmt über ein Programm zur Europawahl ab und bestimmt ihre Kandidaten. Chrupallas Botschaft: Niemand soll etwas tun, das die Umfragewerte von 20 bis 22 Prozent gefährden könnte. Ohnehin seien das keine Wahlergebnisse. Die vom Verfassungsschutz beobachtete Partei hofft darauf, bei den Landtagswahlen im Osten im nächsten Jahr stärkste Kraft zu werden.

Obwohl Funktionäre sagen, besser könne es für die AfD eigentlich kaum laufen, weiß auch niemand, wie lange das Umfragehoch anhält. In der Partei gebe es einige, die „vor Kraft kaum laufen könnten“, heißt es. Man dürfe jetzt nicht übermütig werden. Auch Chrupalla mahnt in seiner Rede, den Umfragen mit „Demut“ zu begegnen. Und: Man dürfe sich darauf nicht ausruhen.

Kandidatenmangel an der Basis

Genau das ist aus Sicht von führenden AfD-Funktionären auch die Gefahr. Denn eigentlich hat die AfD besonders ein fundamentales Problem, das sie angehen müsste: Ihr fehlen an der Basis fähige Mitglieder. Nächstes Jahr sind vielerorts Kommunalwahlen. Doch die AfD hat nicht genug Kandidaten, um die Mandate zu besetzen, die sie dann erringt.

In der Partei läuft deshalb ein Programm, das Führungskräfte schult. Neumitglieder werden gleich auf ihre mögliche Gemeinderatstauglichkeit abgeklopft. Nach Zeiten des Mitgliederschwunds, hat sie in letzter Zeit wieder neue Mitglieder hinzugewonnen. Sie liegt jetzt bei 32.000. Damit der Aufwärtstrend weiter anhält, so glauben sie an der AfD-Spitze, müssen schmutzige Machtkämpfe ausbleiben.

„Wir wollen die EU nicht“

Ruhig geht es am ersten Tag in Magdeburg dennoch nicht zu. Denn die AfD stimmt einen für sie heiklen Antrag ab. Sie ist im Europaparlament Mitglied der Partei „Identität und Demokratie“, wie unter anderem auch die österreichische FPÖ und der französische Rassemblement National. Die Frage ist nun: Soll sie der zugehörigen Partei beitreten? Das hätte finanzielle Vorteile, der Bundesvorstand ist dafür.

Doch für einige geht es hier um die Identität der Rechtsaußenpartei. „Wollen Sie, dass wir unsere Glaubwürdigkeit als Dexit-Partei verlieren?“, ruft der Baden-Württemberger Emil Sänze. „Wir sind die Alternative für Deutschland, nicht die Alternative für Europa“, schimpft der Bayer Martin Sichert. „Wir wollen die EU nicht und wir wollen nicht unsere Seele für ein paar Almosen aus Brüssel verkaufen.“ Ein anderer Redner plädiert für Nichtbefassung.

Parteichefin Alice Weidel eilt für einen kurzen Beitrag zum Rednerpult. Sie schreit fast, als sie den Beitritt zur ID-Partei verteidigt. „Wir wollen in Europa die Mehrheit haben gegen die etablierten Parteien, die sich Europa zur Beute gemacht haben!“ Dazu müsse man zusammenarbeiten. Am Ende geht der Antrag durch, die AfD tritt der ID-Partei bei.

Das Wort der Parteichefin wirkt, dabei hat sie erst kürzlich einen riskanten Schachzug gemacht. Ohne es in Fraktion und Partei abzustimmen, so heißt es, habe sie sich für einen AfD-Kanzlerkandidaten ausgesprochen – und sich gleich selbst ins Spiel gebracht.

Normalerweise hätte Weidel danach öffentliche Angriffe von Parteifreunden befürchten müssen. Doch es gab nur eine Spitze vom AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland. Aber niemand habe der „Nestbeschmutzer“ sein wollen, der die Umfragewerte in Gefahr bringt, sagen AfD-Funktionäre.

Bis auf ihren Kurzauftritt hält sich Weidel in Magdeburg zurück. Chrupalla dagegen hält gleich zwei Reden. Der AfD-Chef träumt von einer Regierungsbeteiligung in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Er ruft der CDU zu, sie solle die Brandmauer zur AfD nieder reißen. Und mit Blick auf CDU-Chef Friedrich Merz, der kürzlich die CDU als „Alternative für Deutschland mit Substanz“ bezeichnet hatte, spöttelt Chrupalla: „Sogar Friedrich Merz will mittlerweile lieber Parteichef der AfD-sein.“ Von Demut ist jetzt nicht mehr viel zu spüren.

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