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Da geht’s lang: Olaf Scholz und Chinas Präsident Xi Jinping in Peking.

© AFP/Kay Nietfeld/Pool

Neue China-Strategie des Kanzlers: Scholz korrigiert in Peking Fehler, zu denen er beigetragen hat

Deutschland muss besser mit Ambivalenzen in seiner Außenpolitik umgehen. Denn China ist alles zugleich: Partner, Rivale und potenzieller Feind.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Deutschland tut sich schwer mit Ambivalenz in der Außen- wie in der Außenwirtschaftspolitik. Es ist bequemer, die Welt in die Guten und die Bösen zu unterteilen.

Das ist jedoch mit dem Risiko verbunden, Zielkonflikte auszublenden und entweder die Vorteile eines Beziehungsgeflechts überzugewichten und die Verwundbarkeiten zu vernachlässigen. Oder umgekehrt nur noch Gefahren zu sehen und blind für Interessen und Chancen zu werden.

China ist der nächste Prüfstein für die Neuorientierung. Es ist alles zusammen: Partner, Rivale und potenzieller Feind, falls es zu einem Krieg um Taiwan kommt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) will Wirtschaftsinteressen und Sicherheitsbedenken künftig wachsamer abwägen.

Wie konsequent wird die Bundesregierung Fehler der Vergangenheit korrigieren? Ähnlich wie im Umgang mit Russland hatten wechselnde Koalitionen über Jahre sorglos agiert nach der Devise: Wird schon gut gehen.

Die ökonomischen Vorteile waren verführerisch. Hier der riesige Absatzmarkt China für deutsche Produkte und Techniken, dort die billige russische Energie als enormer Vorteil deutscher Konzerne im internationalen Wettbewerb.

Im Fall Russland hat Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine den Schwenk von übergroßer Abhängigkeit zu Sanktionen erzwungen. Sie sind auch für Deutschland äußerst schmerzhaft und teuer.

Business as usual ist keine Option mehr.

Kanzler Olaf Scholz

Im Fall China hat Scholz seine Peking-Reise zum Wendepunkt erklärt. Business as usual sei keine Option mehr. „Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern.“

Doch wie weit soll die Neuorientierung gehen? Darüber streiten die Ampel-Partner und ebenso die Vertreter von Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Der Besuch in Peking hat da wenig belastbare Erkenntnisse gebracht. Das war auch nicht zu erwarten. Der Großteil der Gespräche fand hinter verschlossenen Türen statt. Was auch immer da an Klartext gesprochen wurde: Es muss sich erst zeigen, welche Taten folgen.

Es ist ein Test für Scholz persönlich: Wie ernst nimmt er die eingeforderte Ambivalenz? Als Hamburger Bürgermeister, Bundesminister und Vizekanzler hat er zu den riskanten Abhängigkeiten beigetragen, die er jetzt beklagt. Aber als Kanzler bewiesen, dass er zu einer Zeitenwende fähig ist.

Insofern verdient er eine Prise Vorschussvertrauen beim angekündigten Strategiewechsel gegenüber Peking. Deutschland muss seine Verwundbarkeiten erkennen und verringern. Ein gezielter Rückbau der Geschäfte und der Zusammenarbeit in globalen Fragen mit Tendenz gegen Null – Stichwort „Decoupling“ – kann aber nicht das Ziel sein. Weder wirtschaftlich noch politisch.

China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde und wird in einigen Jahren die USA als Nr. Eins ablösen. Es ist die größte Export- und Handelsmacht. Das zeigt sich auch darin, dass es zu den wenigen Ländern gehört, in die Vizeexportmeister Deutschland weniger Waren ausführt, als es von dort importiert.

Ein Containerschiff der chinesischen Staatskonzerns Cosco am Hamburger Terminal Tollerort.
Ein Containerschiff der chinesischen Staatskonzerns Cosco am Hamburger Terminal Tollerort.

© Foto: Breuel-Bild/CNTV

Chancen und Risiken klug abwägen heißt für einen Hafen wie Hamburg: Man sollte den Chinesen Beteiligungen nicht pauschal verwehren. Das käme einer Empfehlung gleich, die Warenströme über andere Häfen zu lenken, schadet also deutschen Interessen. Doch man muss die Beteiligung so konfigurieren, dass die Risiken beherrschbar bleiben.

Ähnliches gilt in der Weltpolitik, vom Krieg in der Ukraine bis zum Klimawandel. China ist mitentscheidend, ob Lösungen gelingen oder nicht, freilich auf ambivalente Weise. Beim Klima kommt es auf Peking nicht deshalb an, weil es so konstruktiv an der Reduzierung der Emissionen arbeitet. Sondern weil es inzwischen der mit Abstand größte Verschmutzer des Globus ist und daran aus Rücksicht auf sein Wachstum so schnell nichts daran ändern möchte.

Und: Wer kann Putin davon abbringen, eine Atomwaffe in der Ukraine einzusetzen? Eventuell Peking mit der Drohung, nach einem solchen Tabubruch die stillschweigende Duldung des Kriegs zu beenden.

Scholz verspricht, die deutsche Chinapolitik in eine neue Balance zu bringen. Jetzt muss der Kanzler die als richtig erkannte Ambivalenz nur noch in die Tat umsetzen. Das wird mühsamer als die Proklamation einer Zeitenwende.

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