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17.03.2023, Ukraine, Awdijiwka: Ein ukrainischer Polizist geht vor einem brennenden Gebäude in Deckung.

© Evgeniy Maloletka/AP

Ukraine-Invasion Tag 700: Wie sich der ukrainische Munitionsmangel am Beispiel von Awdijiwka bemerkbar macht

Russisches Militärflugzeug abgestürzt, Russland will Kriegskritiker enteignen. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Angesichts der anhaltenden politischen Debatten über Waffenlieferungen an die Ukraine – sei es vonseiten der USA oder Europa – waren zuletzt wieder vermehrt Rufe nach solchen von ukrainischen Politikern zu hören. Wie verfahren die Lage sich aktuell an der Front auch aufgrund fehlender Munition entwickelt, zeigt sich am Beispiel von Awdijiwka (Foto oben: Archiv) in der Region Donezk.

Seit Monaten ist die Kleinstadt hart umkämpft, noch kann die Ukraine sie halten. Doch die Lage für die ukrainische Armee hat sich zuletzt verschlechtert, konstatierte jetzt etwa ein ukrainischer Offizier in Reserve auf X (Quelle hier). Als Gründe nennt er begrenzte Munition, die zur Verfügung steht, und einen Mangel an Verstärkung durch Soldaten. Russland, so schreibt er, mache sich diese Lücken zunutze.

Ähnliches hat auch der US-Sender CNN beobachtet, der sich im Januar in Awdijiwka umschaute (Quelle hier). Von drei Seiten werde die Kleinstadt inzwischen von der russischen Armee umzingelt, die Verluste auf beiden Seiten seien sehr hoch. Insbesondere aber auch aufseiten der Russen, weil sie immer wieder neue Soldaten an die Frontlinie schickten. „Teren“, Kommandeur einer ukrainischen Drohnenaufklärungseinheit, sagte dem Sender, selbst wenn die Ukrainer an einem Tag 40 bis 70 russische Soldaten mit Drohnen töteten, hätten sie bereits am nächsten Tag ihre Kräfte erneuert und würden wieder angreifen.

CNN beschreibt auch den aktuellen Munitionsmangel, der in der Kleinstadt zu beobachten ist. Die Reporter beobachteten, wie ein Lkw dringend benötigte Granaten lieferte, doch die dazugehörige Haubitze bliebe die meiste Zeit des Tages stumm. Sie sei auf 20 Granaten, bestenfalls auf 30 pro Tag rationiert. Während der ukrainischen Gegenoffensive im Sommer seien es mindestens doppelt so viele ausländische Geschosse gewesen.

In einer anderen Artilleriestellung nahe Bachmut, in der die Reporter waren, sei der Munitionsraum für eine von den USA gelieferte Paladin-Haubitze komplett leer gewesen. Eine Lieferung am selben Tag brachte lediglich vier Rauchgranaten. 10 zu 1 beziffert ein Artilleriekommandeur den Unterschied zwischen der russischen und der ukrainischen Bewaffnung derzeit. „Sie verwenden alte sowjetische Systeme“, so der Kommandeur. „Aber sowjetische Systeme können noch immer töten.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • In der südrussischen Region Belgorod ist an der Grenze zur Ukraine nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums ein russisches Militärflugzeug abgestürzt. Moskau hatte die Ukraine bezichtigt, die Maschine mit angeblich 65 ukrainischen Kriegsgefangenen an Bord abgeschossen zu haben. Der Militär- und Ukraine-Experte Nico Lange bezweifelt die russische Version eines Abschusses und von ukrainischen Gefangenen an Bord. Mehr hier.
  • Der neue slowakische Regierungschef Robert Fico hat die Lage in der Ukraine verharmlost. Er behauptet, in Kiew sei der Krieg in der Ukraine nicht spürbar. Einen Tag vor seinem ersten Treffen mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal sagte Fico am Dienstag, der Konflikt sei lokal begrenzt. Mehr hier.
    Die Bundesregierung will die Verteidigung der Ukraine nun auch mit einer Lieferung von Militärhubschraubern aus Beständen der Bundeswehr unterstützen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) habe dem Land sechs Mehrzweckhubschrauber vom Typ Sea King Mk41 zugesagt, teilte sein Ministerium am Dienstag mit. Mehr hier.
  • In Russland sollen künftig Kritiker des Krieges in der Ukraine enteignet werden können. Das sieht ein heute im Parlament in erster Lesung verabschiedeter Gesetzentwurf vor. Demnach kann das Eigentum von Personen beschlagnahmt werden, die die Armee aus Sicht der Regierung diskreditieren oder vorsätzlich als falsch bewertete Angaben über die Streitkräfte verbreiten. Mehr in unserem Newsblog.
  • Angesichts des russischen Angriffskrieges hat der britische Armeechef Patrick Sanders eine rasche und deutliche Erhöhung der Truppenstärke seines Landes gefordert. „Innerhalb der nächsten drei Jahre muss es glaubwürdig sein, von einer britischen Armee von 120.000 Mann zu sprechen, die unsere Reserve und strategische Reserve einbezieht“, sagte der scheidende Chef des Generalstabs. „Aber das reicht nicht aus.“
  • Die slowakische Regierung wird den Kauf von Waffen und Ausrüstung durch die Ukraine bei slowakischen Unternehmen offenbar doch nicht blockieren. Das teilte der ukrainische Premierminister Denys Shmyhal nach einem Treffen mit seinem slowakischen Amtskollegen Robert Fico in Uzhhorod mit.
  • Polen hat nach Regierungsangaben bislang militärische Unterstützung im Wert von 3,5 Milliarden Euro für die Ukraine geleistet. Insgesamt seien dem Nachbarland 40 Rüstungspakete übergeben worden, sagte Vizeverteidigungsminister Cezary Tomczyk der Nachrichtenagentur PAP. 
  • Der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. hat Russland zum Kampf gegen das „Böse“ aus dem Westen aufgerufen. „Es ist sehr wichtig, dass unser Land fähig ist, den Widerstand gegen - ich sage jetzt ein unglaubliches Wort - den Antichristen anzuführen“, erklärte das Kirchenoberhaupt im Oberhaus des Parlaments, dem Föderationsrat. 
  • Die ukrainische Regierung ist eigenen Angaben nach weiter im Gespräch mit der Bundesregierung über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Dies sagte Außenminister Dmytro Kuleba in einem Interview von „Bild“, Welt.tv und Politico. Er versicherte erneut, dass die Ukraine das Waffensystem nicht benötige, um russisches Territorium anzugreifen, sondern um die russische militärische Infrastruktur auf dem von Moskau besetzten ukrainischen Gebiet zu zerstören. 

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