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Polizisten stehen am Rand des Dorfes Yablonovo in der Nähe der Absturzstelle.

© REUTERS/stringer

Experte zu Moskaus Version des Flugzeugabsturzes : „Das klingt sehr nach russischer Propaganda“

Nach dem Absturz eines russischen Transportflugzeugs gibt es kaum unabhängige Informationen. Militärexperte Nico Lange erklärt, warum er Moskaus Version für Desinformation hält.

Herr Lange, nach dem Absturz des russischen Transportflugzeugs in der Region Belgorod haben Sie auf dem Kurznachrichtendienst X geschrieben, dass „alles nach einem irrtümlichen Abschuss durch eine russische S-300 Flugabwehr“ aussieht. Was macht Sie da so sicher?
Sicher sein kann man nach aktuellem Informationsstand nicht und es ist mir klar, dass ich falsch liegen kann. Auf Videos ist zu sehen, dass das Flugzeug während des Absturzes auseinanderbricht. Das deutet auf einen Abschuss durch Flugabwehr hin. In dem betreffenden russischen Gebiet waren in den letzten Wochen immer wieder russische S-300-Systeme aktiv. Aktivitäten von Patriot, Iris-T oder anderen modernen westlichen Systemen im Besitz der Ukraine wurden dort bisher nicht beobachtet. Von dort aus wird die ukrainische Stadt Charkiw fast täglich durch Russland beschossen, ohne dass die Ukraine moderne westliche Flugabwehrsysteme dort einsetzen konnte. 

Der ukrainische Militäranalyst Oleksandr Kovalenko schrieb, dass das Flugzeug Raketen an Bord gehabt habe. Halten Sie das für plausibel?
Diese Informationen sind durch Quellen im ukrainischen Militär verbreitet worden. Die IL-76 ist ein Flugzeug, dass Russland für den strategischen Lufttransport nutzt, insofern ist der Transport von Munition oder Raketen ein plausibler Einsatzzweck. Die bisher vorhandenen Videos und Fotos lassen aber noch keine genauen Schlüsse auf Raketen oder Munition an Bord zu.

Nach Angaben aus Russland sollen angeblich 65 ukrainische Kriegsgefangene an Bord des Flugzeugs gewesen sein. Sie bezweifeln das ebenso wie andere Experten. Die Desinformationskampagnen Russlands sind bekannt, aber könnten Sie genauer ausführen, warum sie das für Desinformation halten? Und warum hat Russland aus Ihrer Sicht genau diese Version verbreitet?
Russland ist bekannt dafür, nach solchen Ereignissen sehr schnell sehr viele unterschiedliche Geschichten zu verbreiten. Die Story, die Ukraine hätte eigene Kriegsgefangene abgeschossen, klingt sehr nach russischer Propaganda. Austausche von Kriegsgefangenen sind bisher minutiös geplante, komplizierte Operationen gewesen, mit hoher Aufmerksamkeit auf beiden Seiten. Ein solcher Abschuss würde mich daher wundern.

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Die von Russland nach dem Abschuss in Umlauf gebrachte Liste sieht zudem erkennbar aus, als wäre sie hektisch nachträglich erstellt worden, und 17 der dort enthaltenen Kriegsgefangenen wurden bereits Anfang Januar ausgetauscht. Da kann also etwas nicht stimmen.

Auf X haben Sie beklagt, wie schnell es Russland immer noch gelinge, „Desinformation in unsere Öffentlichkeit hinein zu verbreiten“. Wie sollten Medien Ihrer Ansicht nach mit derartigen Meldungen aus Russland umgehen?
Natürlich muss man auch russische Meldungen und Medien zur Kenntnis nehmen. Wichtig ist aus meiner Sicht jedoch vor allem, russische Meldungen nicht eins zu eins zu übernehmen und den Inhalt russischer Agenturmeldungen nicht zu eigenen Überschriften zu machen. Russland setzt darauf, dass durch den Wettbewerb nach Aufmerksamkeit und das oberflächliche Lesen von Überschriften russische Desinformation verbreitet wird. Sehr wichtig ist es auch, eigene Korrespondenten mit eigenen Quellen vor Ort zu haben, weil sonst die Gefahr besteht, dass alle nur voneinander abschreiben.

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