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Die Galeries Lafayette wollen aus dem Gebäudekomplex Q207 an der Friedrichstraße ausziehen. Das Haus wäre damit frei für die Zentral- und Landesbibliothek.

© IMAGO/Chris Emil Janßen

„Geniale Möglichkeit“: Warum Berlins Zentralbibliothek in die Friedrichstraße gehört

Die ZLB braucht einen niedrigschwellig erreichbaren Standort im Herzen der Stadt, ist ihr Betriebsdirektor Jonas Fansa überzeugt. Ein Leserbrief.

Von Jonas Fansa

In der Debatte um den Gebäudekomplex Q207 als neuen Standort für die Zentral- und Landesbibliothek Berlin kann man aktuell den Eindruck bekommen, dass die Sachfrage im politischen Gezänk untergeht. Was mich zutiefst besorgt.

Ich arbeite in der ZLB seit 2008 an dem Projekt, und es war ein großes Glück, dass dereinst Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister und Kultursenator und sein Staatssekretär André Schmitz erkannt haben, dass eine leistungsfähige und attraktive Öffentliche Zentralbibliothek für Berlin ein echter Standortfaktor in Sachen Kultur und Bildung ist, und zwar für alle!

Ihre Überzeugung stand meiner Wahrnehmung nach im Einklang mit sozialdemokratischen Werten der Chancen- und Teilhabegerechtigkeit. Und dafür muss ein solcher Ort für die gesamte Stadtgesellschaft bestens erreichbar und niedrigschwellig sein.

Die ZLB in diese Bauten zu stecken, wäre schlecht für die Gebäude, es wäre schlecht für die ZLB und schlecht für das Öffentliche Bibliothekswesen in dieser Stadt.

 Jonas Fansa, ZLB-Betriebsdirektor, über das ICC und den Flughafen Tempelhof als mögliche Bibliotheksstandorte

Dass ausgerechnet die SPD nun die geniale Möglichkeit, die ZLB in die Friedrichstraße und damit in die Mitte der Stadt zu katapultieren, mit allerlei Wenn und Aber schon im Vorfeld wegdiskutieren will, ist mir rätselhaft.

Als Bibliotheksplaner kann ich ohne rot zu werden sagen: Die Vorstellung, das ICC sei ein geeignetes Gebäude für eine Zentralbibliothek, ist eine rein rhetorische Figur. Das Gebäude ist für eine Zentralbibliothek im menschlichen Maßstab ungeeignet, und zwar aus zahllosen Gründen der baulichen Verfasstheit und Wirtschaftlichkeit, die hier jetzt gar nicht ausschweifend wiederholt werden müssen (unpassendes städtebauliches Umfeld, viel zu großes Format, für Veranstaltungen gänzlich anderen Kalibers entworfen, kein Tageslicht, hohe Bau- und Betriebskosten etc.).

Und wie beratungsresistent kann man eigentlich sein, immer wieder mit dem inzwischen dreimal geprüften Flughafengebäude in Tempelhof zu kommen? Auch hier ist eine funktionierende und wirtschaftlich betreibbare, niedrigschwellig zugängliche Zentralbibliothek für diese Stadt nicht realisierbar, und daran würde auch eine vierte Prüfung nichts ändern.

Die ZLB in diese Bauten zu stecken, wäre schlecht für die Gebäude, es wäre schlecht für die ZLB und schlecht für das Öffentliche Bibliothekswesen in dieser Stadt.

Super Zentralbibliotheken stärken auch die dezentralen Standorte

Denn als besonders irritierend empfinde ich die nun wiederholt in die Diskussion eingebrachte Polarisierung Kiezbibliotheken hier – Zentralbibliothek dort. Solches Aufmunitionieren spricht nicht für das Verständnis für die Funktionsweise Öffentlicher Bibliothekssysteme in einer Großstadt: Die Zentralbibliothek bildet mit ihren Dienstleistungen und auch ihrem Ort das Rückgrat eines leistungsfähigen Bibliothekssystems.

Super Zentralbibliotheken sind nicht nur ein wichtiges Fundament für das Funktionieren dezentraler Bibliotheken, ihr Standing in der Stadt und ihre Strahlkraft üben auch immer einen Schornsteineffekt aus: Europäische Städte, die sich in den letzten Jahren neue Zentralbibliotheken gegeben haben, stärkten dadurch stets auch ihre dezentralen Bibliotheken: durch größere Wahrnehmung beim Publikum, durch Innovationsanreize, durch optimierte zentrale Dienstleistungen für das dezentrale System usw. usf.

Dabei ist es essentiell, dass die Zentralbibliotheken wirtschaftlich und windschnittig agieren können. Dafür darf aber eine Berliner Zentralbibliothek sich nicht mit den funktionalen Defiziten unpassender Gebäudeinfrastrukturen verkämpfen – wie an ihren aktuellen Standorten oder in etwa einem bibliotheksfachlichen Albtraum im ICC – sie braucht ihre Ressourcen, um die Angebote für die Menschen in der Stadt zu entwickeln und zu gewährleisten. In der Mitte und in den Bezirken und Kiezen.

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