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So könnte die Landesbibliothek im Quartier 207 an der Friedrichsstraße aussehen. Spätestens Ende 2024 wird der französische Kaufhauskonzern Galeries Lafayette dort ausziehen.

© Render Vision

Pläne für Berlins neue Landesbibliothek: „Ein Umzug in die Friedrichstraße ist eine Jahrhundertchance“

Drei Millionen Besucher jährlich: Ein Umzug der Landesbibliothek an die Friedrichstraße wäre ein Gewinn für die Stadt, findet Berlins früherer Kulturstaatssekretär.

Ein Gastbeitrag von André Schmitz

Berlin 1908. Jährlich werden 100.000 Mark von der Stadt zurückgelegt – in einen Baufonds für eine Zentralbibliothek! Am 25. Juni 1914 beschließt die Berliner Stadtverordnetenversammlung den Bau des neuen Hauses. Der Baubeginn wird für den Herbst desselben Jahres anvisiert, der Ausbruch des Ersten Weltkriegs durchkreuzt alle Pläne.

Auch in den folgenden Jahrzehnten war der Bedarf nach einer für Berlin angemessenen Zentralbibliothek groß und die jeweiligen Stadtregierungen und Parlamente mühten sich redlich. Allein: Alle Anläufe scheiterten entweder an Großereignissen wie dem Mauerfall in 1989, da hatte der Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen schon einen Architektursieger auf dem Blücherplatz in Kreuzberg gekürt.

Beide Bestandsgebäude sind seit langem marode

Oder das Projekt geriet bei der Auseinandersetzung und Volksabstimmung um die Randbebauung des Tempelhofer Felds unter dem Regierenden Klaus Wowereit unter die Räder, auch hier hatte es bereits einen siegreich gekrönten Architekturwettbewerb gegeben.

Vor einigen Jahren wurde ein neuer Planungsanlauf, wieder für den Blücherplatz in Nachbarschaft zur Amerika-Gedenkbibliothek gestartet und weit vorangetrieben, wieder basierend auf entsprechenden Beschlüssen von Senat und Abgeordnetenhaus. Trotzdem ist das Vorhaben seit fast zwei Jahren im Streit verschiedener Behörden und Parteien völlig zum Erliegen gekommen.

Dabei ist der Bedarf nach einer adäquaten räumlichen Lösung für die Zentral- und Landesbibliothek Berlin ungebrochen! Die beiden Publikumsgebäude sind sowohl zu klein für den großen Andrang der Besucher als auch dafür, Medien aller Fachgebiete in einem Haus zur Verfügung zu stellen.

Beide Bestandsgebäude sind nicht mehr ausreichend für einen so regen Bibliotheksbetrieb mit täglich mehreren tausend Menschen geeignet. Die Gebäude sind übernutzt und marode: In der Amerika-Gedenkbibliothek werden im Sommer Kühlpads verteilt und im Winter Decken, in der Berliner Stadtbibliothek in Mitte watet der Bibliotheksdirektor durch aufsteigendes Wasser. So hangelt man sich von Havarie zu Havarie, und die Bibliothekare seufzen Stoßgebete, dass der nächste Wassereinbruch nicht die historischen Medien trifft.

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Seit also mehr als 100 Jahren sucht die Stadt eine gute Lösung, jetzt steht eine im Raum. Die ZLB könnte in ein bestehendes Gebäude, das Quartier 207 in der Friedrichstraße, einziehen. Die bisherige Mieterin, das Kaufhaus Galeries Lafayette, verlässt Berlin. Das Haus passt, so wie es erbaut wurde, perfekt für den Betrieb einer Zentralbibliothek, sagen die Fachleute.

Die Landesbibliothek würde die Friedrichstraße beleben

Die Lage in der Friedrichstraße, gefühlte Mitte aus Ost und West, ist nicht nur mit der Anbindung im öffentlichen Nahverkehr hervorragend. Statt einer weiteren Verödung mit Kaufhausleerstand, würde die ZLB mit geschätzt mindestens drei Millionen Besuchen pro Jahr eine enorme Belebung bewirken, die ganz normale Berliner Bevölkerung würde sich hier die Mitte der Stadt zurückerobern.

Eine Gewinnsituation für alle Seiten. Ja, es kostet Geld, wenn auch vermutlich weniger, als seit Tagen durch verschiedene spekulative Behauptungen kolportiert wird. Und das Geld ist gut angelegt für die Bürger der Stadt, für alle. Allein die ZLB hat täglich mehr Besuche als alle drei Berliner Opernhäuser zusammen.

Die Galeries Lafayette an der Friedrichstraße.
Die Galeries Lafayette an der Friedrichstraße.

© dpa/Hannes P Albert

Weltweit hat man erkannt, mit Neubauten von Bibliotheken eine Antwort geben zu können auf zahlreiche Fragen unseres Bildungsnotstandes. Neue Bibliotheken entstehen in Metropolen rund um den Globus – als Orte der Begegnung und der Integration, als Orte der lebendigen Demokratie.

In den letzten Jahren bestand Einigkeit darüber auch unter den im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien, dass für die Zentralbibliothek dringend eine bauliche Lösung gefunden werden muss. Es tut mir in der Seele weh, dass nun ausgerechnet Teile meiner Berliner SPD dieses Vorhaben gerade nur zögerlich betreiben, oder aus vermeintlichem Parteiinteresse offensiv ablehnen. Stand meine Partei nicht immer für Bildung, Integration, Bürgernähe?

Berlin hat jetzt eine einmalige Gelegenheit, endlich die Zentralbibliothek zu erhalten, die die Stadt braucht und verdient.

André Schmitz, Kulturpolitiker

So wie die ZLB es tut. Seit mehr als 100 Jahren? Einige Protagonisten wollen in der aktuellen Debatte die Berliner Bibliotheken gegeneinander ausspielen. Dabei wirken die Bezirksbibliotheken und die ZLB im Verbund Hand in Hand für die Stadt, jede in ihrer Rolle und Funktion unverzichtbar. Und alle gemeinsam arbeiten für ein Bibliotheksgesetz, das diese Infrastruktur stärkt.

Nicht ohne Grund haben bei der von der ZLB initiierten Unterschriftenliste für das Q207 in wenigen Tagen zahlreiche Berliner Bibliotheksleiter und -angestellte unterschrieben. Alle wissen, dass die ZLB räumlich erneuert werden muss und als Bibliotheks-Leuchtturm dringend in der Stadt gebraucht wird.

Immer wieder werden ungeeignete Immobilien vorgeschlagen

Und immer wieder aufs Neue schlagen Protagonisten für den Betrieb der ZLB dieselben ungeeigneten städtischen Problemimmobilien vor. Wie viele Gutachten will Berlin noch aufstellen darüber, dass das ICC und das historische Flughafengebäude Tempelhof nicht als Zentralbibliothek taugen? Oder soll das alles nur dazu dienen, eine Lösung für die Zentralbibliothek um weitere Jahrzehnte nach hinten zu schieben? Dies wäre kein guter Dienst für Berlin und seine Bürgerinnen und Bürger.

Berlin hat jetzt eine einmalige Gelegenheit, endlich die Zentralbibliothek zu erhalten, die die Stadt braucht und verdient. Ein pulsierendes Wohnzimmer der Stadtgesellschaft für Begegnung, Wissen, Austausch, Inspiration, individuelle und kollektive Weiterentwicklung im Herzen der Hauptstadt. Q207 ist eine Chance, die nicht ausschlagen kann, wer in Berlin für die Bürger wirkt.

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