zum Hauptinhalt
Derk Ehlert.

© Kitty Kleist-Heinrich/Tagesspiegel; Video Twitter deer BSC @lqzze1; Montage Tagesspiegel

Update

Hätte die Polizei mal sie gefragt: Diese Experten gingen schon seit gestern von einem Wildschwein aus

Derk Ehlert war schon früh skeptisch, ob da wirklich eine Löwin Berlin und Brandenburg unsicher macht. Auch andere Experten sahen das so. Ein Überblick.

| Update:

Etwa 30 Stunden lang wurde in Berlin und Brandenburg nach einer Löwin gesucht. Am Freitagnachmittag dann Entwarnung: Bei einer Pressekonferenz gaben die Gemeinde Kleinmachnow und die Brandenburger Polizei bekannt, dass die vermeintliche Löwin wohl ein Wildschwein war. Bereits zuvor hatten das zahlreiche Experten vermutet. Ein Überblick.

„Es gibt verdichtende Puzzleteile, dass es sich nicht um eine Löwin handelt“, sagte Achim Gruber, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Tierpathologie in Berlin, am Freitagvormittag.

„Ich jage zufällig in der Region selbst und ich weiß, dass die Jäger dort sehr gute Hunde haben. Es ist völlig undenkbar, dass die Hunde nichts gefunden haben, wenn dort tatsächlich ein Wildschwein zerlegt wurde“, ergänzte Gruber. „Wenn dort eine Löwin ein Wildschwein zerkaut hätte, dann hätten die Hunde etwas gefunden.“

Das Videomaterial: Zeigt es eine Löwin?
Das Videomaterial: Zeigt es eine Löwin?

© Screenshot Tagesspiegel/Video Twitter deer BSC@lqzze1

Grubers Institut wird die Analyse von Haaren einleiten, die an einem Baum gefunden wurden und von dem gesuchten Tier stammen könnten. „Anhand dieser Haare werden wir ziemlich sicher rausbekommen, was das für ein Tier war, welches die Haare dort hinterlassen hat“, sagte Gruber.

Löwin in Berlin und Brandenburg? Wildtierexperte Derk Ehlert skeptisch

Auch Berlins Wildtierexperte Derk Ehlert äußerte sich skeptisch, ob tatsächlich eine Raubkatze frei durch Berlin und Brandenburg läuft. „Ich sehe auf diesem Video zwei Wildschweine, die von links nach rechts laufen“, sagte er am Freitagmorgen im RBB-Inforadio. Dafür spreche, dass der auf dem Video sichtbare Schwanz des infrage kommenden Tieres viel zu kurz sei.

„Ich glaube aber natürlich den Zeugen, den Kollegen von der Polizei in Berlin, die ein derartiges Tier auch real gesehen haben“, ergänzte Ehlert. Dennoch mache es ihn stutzig, dass bisher keine Spuren gefunden werden konnten. „Grundsätzlich kann ein Löwe nicht einfach weg sein, auch so eine Löwin nicht. Sie hinterlässt Spuren“, sagte der Wildtierexperte.

Polizisten suchen nach der Löwin.
Polizisten suchen nach der Löwin.

© dpa/Fabian Sommer

„Es ist schon sehr auffällig, dass an der Stelle, wo das Tier gesehen und gefilmt wurde, nicht mal ein Trittsiegel zu sehen ist“, so Ehlert. Dennoch könne es sein, dass das Tier in Berlin und Brandenburg rumläuft.

Nabu: Mutmaßliche Löwin in Berlin wahrscheinlich ein Wildschwein

Auch Rainer Altenkamp, der Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Berlin, war sich sicher, dass das Video der in Kleinmachnow gesichteten angeblichen Löwin in Wahrheit ein Wildschwein zeigt.

„Schon der kurze, herabhängende Schwanz mit etwa zehn Zentimeter langer, locker behaarter Quaste schließt eine Löwin aus. Auch die weiteren erkennbaren Merkmale, zum Beispiel der runde Rücken und der längliche Kopf, passen sehr gut zu einem Wildschwein und sprechen gegen ein Raubtier“, sagte der Wildtier-Experte am Freitag. Zudem sei das Tier auf dem Video beim wildschweintypischen Wühlen im Boden zu sehen.

Ein Gemeindejäger und Polizisten laufen im Bereich der südlichen Landesgrenze von Berlin.
Ein Gemeindejäger und Polizisten laufen im Bereich der südlichen Landesgrenze von Berlin.

© dpa/Fabian Sommer

Der Berliner Nabu-Vorsitzende kritisierte zudem die umfangreichen Suchaktionen. Es sei für die Zukunft hilfreich, für Polizei und Behörden einen kleinen Stab von Expertinnen und Experten einzurichten, die Erfahrung mit der Bestimmung von Wildtieren anhand von Fotos oder Videos haben.

Das sollte geschehen, bevor man wie jetzt mit enormem Aufwand ein Tier suche, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie existiert habe. Eine Warnung an die Bevölkerung sollte es erst geben, wenn ein gefährliches Wildtier zweifelsfrei nachgewiesen ist, wie Altenkamp sagte.

Löwe oder Wildschwein? Britischer Raubtierspezialist analysierte Video

Auch der britische Paläontologe Darren Naish bezweifelte nach einer Analyse der Aufnahme die bisherige Vermutung. „In diesem Fall ist der Löwe auf jeden Fall kein Löwe“, schrieb der Forscher in seinem Blog „Tetrapod Zoology“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Seiner Meinung ist der Schwanz des Tieres in dem Video zu kurz für einen Löwen. Bei einem Löwen würde der Schwanz fast bis auf den Boden reichen. Das sei bei dem gefilmten Tier nicht der Fall.

Auch die Form des Rückens und des zu sehenden Ohres sprechen laut dem Paläontologen dagegen, dass es sich um ein Raubtier handelt. Er nahm ebenfalls an, dass das Video ein Wildschwein zeigt.

Wenn das ein Löwe ist, fresse ich einen Besen.

Michel Rogall, Zirkus-Chef aus Teltow 

Wie Naish hielt es auch Zirkus-Chef Michel Rogall aus Teltow für ausgeschlossen, dass es sich bei dem gesuchten Tier um eine Raubkatze handelt. „Wenn das ein Löwe ist, fresse ich einen Besen“, sagte er dieser Zeitung.

Auch Philipp Cachée, der privat Jäger und zudem Katastrophenschutzbeauftragter von Lichtenberg ist, gelangte zu der Überzeugung, dass es ein Wildschwein ist, das gerade einen Baum markiert. „Als passionierter Pirsch-Jäger erkenne ich typisches Tierverhalten“, schrieb er auf seinem privaten Twitteraccount. Eindeutig seien Pürzel/Quaste zu erkennen. Zudem habe der Gemeindejäger keine Löwenspuren gefunden. „Der Amtsveterinär sollte sich mal mit Jägern austauschen.“

An die Berliner und Brandenburger Polizei gerichtet, schrieb Cachée: „Setzt dem Irrsinn ein Ende.“

Gemeindejäger und Amtsveterinär hätten nicht den Mut, die Feststellung zu treffen, dass es sich nicht um einen Löwen handele. Sie müssten dies jedoch erkennen. „Sonst besser Jagdschein abgeben und Jobwechsel vornehmen“, schrieb Cachée. 

Brandenburger Polizei hält an Löwin-Hypothese fest

Die Brandenburger Polizei hielt am Freitagvormittag hingegen zunächst an ihrer Vermutung fest. „Wir haben die Arbeitshypothese, dass es sich bei dem Tier um eine Löwin handelt. Diese Hypothese arbeiten wir nun ab“, sagte Daniel Keip, Sprecher der Polizeidirektion West, dem Tagesspiegel.

Die Behörde stützte ihre Annahme zum einen auf die Videoaufnahme, zum anderen auf eine Sichtung durch zwei Polizeibeamte in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Die Polizisten hätten das Tier gegen drei Uhr aus einer Entfernung von 20 Metern gesichtet, so Keip.

Zudem sei das Video noch in der Nacht von Tierärzten und Jagdpächtern begutachtet worden. Diese hätten alle nicht ausgeschlossen, dass es sich um eine Löwin handele.

Auch die Amtstierärztin des Kreises Potsdam-Mittelmark, Silke Ohm, sagte, dass es sich in dem Video um ein Raubtier – eine Löwin oder ein ähnliches Tier – handeln könnte. Sie habe sich dazu mit mehreren Tierärzten besprochen, hieß es vom Landkreis.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false