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Zentrale der Deutschen Bahn (DB) in Berlin.

© dpa/Paul Zinken

Update

„System der skrupellosen Selbstbedienung“: Weselsky kritisiert Bahn-Vorstand für mögliche Bonusauszahlung

Das Pünktlichkeitsziel krachend verfehlt, der Sanierungsbedarf enorm – dennoch schüttet der Konzern einem Bericht zufolge möglicherweise Millionenboni aus dem Jahr 2022 aus.

| Update:

Der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, hat eine mögliche Auszahlung von Boni in Millionenhöhe an die Vorstände der Deutschen Bahn (DB) scharf kritisiert. „Trotz miserabler Zahlen macht sich das Management auf Kosten seiner Mitarbeiter die Taschen voll“, sagte Weselsky dem Hamburger „Spiegel“. Der Tarifkonflikt seiner Gewerkschaft mit der Bahn werde dadurch noch verhärtet.

NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ hatten am Montag berichtet, dass die Deutsche Bahn ihren Vorständen für das Jahr 2022 trotz verfehlter Ziele vor allem bei Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit Bonuszahlungen in Millionenhöhe auszahlen kann. Demnach sind insgesamt Boni in Höhe von fünf Millionen Euro zusätzlich zum Grundgehalt von insgesamt rund vier Millionen Euro für die im Jahr 2022 neun Vorstandsmitglieder vorgesehen.

NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ berichteten am Montag, sie hätten das langjährige Berechnungsmodell des Konzerns für die Boni einsehen können.

Bereiche, in denen Ziele verfehlt worden seien, können demnach offenbar mit anderen Bereichen, in denen Ziele übertroffen werden, verrechnet werden. So seien hohe Boni trotz Verfehlung der Ziele für Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit möglich. Die Bahn erklärte gegenüber dem Recherchebündnis, zu Angelegenheiten des Aufsichtsrats äußere sich das Unternehmen nicht.

Die Zahlung der Boni für das Jahr 2022 war dem Bericht zufolge ausgesetzt, weil die DB die Strompreisbremse als staatliche Unterstützung nutzte. Die Preisbremse läuft Ende des Jahres aus, die Boni könnten daher ab Januar 2024 gezahlt werden.

Fahrpreiserhöhungen und akuter Sanierungsbedarf

Erst vergangene Woche hatte die Bahn im Zuge des Fahrplanwechsels erneut mitgeteilt, dass bestimmte Fahrscheine fortan teurer sind. Die sogenannten Flextickets kosten demnach seit Sonntag im Schnitt 4,9 Prozent mehr.

Auch Bahncard-Rabattkarten und Streckenzeitkarten werden im Schnitt 4,9 Prozent teurer. Das Unternehmen verwies auf steigende Kosten. Bei den Spar- und Supersparpreisen der Bahn ändert sich hingegen nichts.

Der Staatskonzern hat mit einem streckenweise maroden Schienennetz zu kämpfen. Viele Gleise, Weichen, Stellwerke und Brücken sind akut sanierungsbedürftig. Es kommt regelmäßig zu Verspätungen und Zugausfällen.

Eigenen Angaben zufolge ist die Bahn im Fernverkehr so unpünktlich wie seit acht Jahren nicht mehr. Mitte November hatte die Bahn eingeräumt, dass „die angestrebte Pünktlichkeit von rund 70 Prozent für 2023 nicht mehr zu erreichen“ sei.

Um den Sanierungsstau abzubauen, plant die Bahn nach Tagesspiegel-Informationen, allein im kommenden Jahr 5,3 Milliarden Euro ins Schienennetz zu investieren. Wegen der Haushaltskrise wackelt die Finanzierung allerdings.

Bahn übertraf offenbar bestimmte Ziele

Bahnchef Richard Lutz.

© dpa/Patrick Pleul

Laut Bericht übertraf die Bahn die eigenen Ziele im Bereich „Frauen in Führung und Mitarbeitenden-Zufriedenheit“ 2022 geringfügig. Der Bonus für diesen Bereich sei aber offenbar deutlich erhöht worden, auf einen Wert von 175 Prozent, heißt es weiter. Die damals neun Konzernvorstände sollen demnach allein für dieses Ziel rund 1,6 Millionen Euro erhalten.

Auch beim Thema CO2-Einsparung habe die Bahn ihr selbstgestecktes Ziel den Unterlagen zufolge übererfüllt, und zwar um zwei Prozentpunkte, berichtete das Recherchebündnis. Dafür solle etwa der Vorstandsvorsitzende Richard Lutz knapp 440.000 Euro an Bonuszahlungen erhalten.

Über das Bonus-System bei der Bahn entscheidet der Aufsichtsrat, in dem Vertreter der Bundesregierung und der Gewerkschaften sitzen. Das System soll dem Bericht zufolge im kommenden Jahr umgestellt werden. Bahn-Vorstände hätten dann einen höheren Anteil ihres Gehalts als Fix-Gehalt, der Anteil der Boni solle sinken.

Im Konzernbericht für 2022 heißt es, die Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder bestehe aus einer fixen Grundvergütung, einer erfolgsabhängigen Jahrestantieme und einem langfristigen Bonusprogramm mit mehrjähriger Bemessungsgrundlage.

Im Fokus dieser langfristigen Anreize stünden „langfristige verkehrs- und klimapolitische Ziele sowie die nachhaltige Bonität und Rentabilität des DB-Konzerns“. Planlaufzeit sind jeweils vier Jahre.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil empfahl den Vorständen der Deutschen Bahn (DB), auf die Bonuszahlungen zu verzichten. „Selbst wenn das in Verträgen alles klar geregelt ist und da jetzt Kriterien erfüllt werden, muss man sich als Verantwortlicher bei der Bahn schon fragen, ob das gerade das richtige Signal ist“, sagte Klingbeil in der Sendung „RTL Direkt“. „Wir sind in Zeiten, wo es für verdammt viele Menschen sehr schwierig ist.“

GDL-Chef Weselsky prangerte ein „System der skrupellosen Selbstbedienung“ an, das immer weiter „pervertiert und perfektioniert“ werde. Im Interview mit dem „Tagesspiegel“ sagte er außerdem, es gehe nicht nur um die Vorstände, sondern Erfolgsprämien für rund 3500 Führungskräfte. (Tsp, AFP)

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