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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, blickt am Rande eines Spaziergangs über die Stadt Jerusalem. Bei der Reise soll es um Energie- und Klimaschutz sowie aktuelle Fragen der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen gehen. +++ dpa-Bildfunk +++
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© picture alliance/dpa/Britta Pedersen

Wertebekenntnisse von Muslimen: Das meint die Tagesspiegel-Community zu den Forderungen von Habeck und Adler

Politiker von den Grünen und der FDP fordern ein Wertebekenntnis von Muslimen und Zuwanderern ein. Darüber diskutieren unsere Online-Leser.

Von

Angesichts antisemitischer und antiisraelischer Demos und Ausschreitungen in Deutschland forderte Vizekanzler Habeck in einem vielbeachteten Video von Muslimen in Deutschland eine Distanzierung vom Antisemitismus ein. „Die hier lebenden Muslime müssen sich klipp und klar vom Antisemitismus distanzieren, um nicht ihren eigenen Anspruch auf Toleranz zu unterlaufen“, sagte Habeck. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Katja Adler griff das Thema einige Tage später auf und forderte von Zuwanderern die Achtung von Werten und Traditionen ein.

Tagesspiegel-Autor Malte Lehming findet diese Forderungen problematisch. Er kritisierte in seinem Essay, man könne staatlicherseits keine Wertebekenntnisse verlangen, sondern lediglich Rechtstreue. Unsere Leserinnen und Leser haben seinen Text kontrovers diskutiert.

Lesen Sie hier eine redaktionelle Auswahl von Reaktionen aus der Tagesspiegel-Community.

Phonzie
Ich verstehe die Hürde der Distanzierung überhaupt nicht. Die Hamas führt einen religiös begründeten Terrorkampf und fordert alle Anhänger derselben Religion auf, sich ihr anzuschließen. Wie schwer kann es da für Deutsche derselben Religion sein, zu sagen: Das hat mit uns nichts zu tun und wir haben auch kein Verständnis für hiesige Demonstrationen, da diese Lehre nicht nur verfassungswidrig ist, sondern auch unsere Lebensrealität nicht im Ansatz widerspiegelt?


KeineWahlNurKonsequenzen
Eingeforderte Distanzierung ist die folgerichtige Aufforderung zum Bekenntnis zum Grundgesetz. Nicht zwangsläufig die Gesinnung in Gedanken, sondern die Veröffentlichung von Aussagen, die im Widerspruch zum GG stehen, werden adressiert. Denken kann in Deutschland jeder, was er will, aber nicht veröffentlichen.

Jemand, die Shoah öffentlich verleugnet, macht sich strafbar. Jemand, der öffentlich zum Mord aufruft, macht sich strafbar. Jemand, der öffentlich Verleumdungen als Meinung deklariert, begeht Rufmord oder macht sich der üblen Nachrede schuldig. Solche und ähnlich gelagerte öffentlich gemachten Gedanken werden mit einer geforderten Distanzierung konfrontiert. Zu Recht.

Natürlich darf von jedem Bürger, jeder Vereinigung und auch von jedem Gast verlangt werden, sich von einer Verfehlung im Sinne des GG zu distanzieren. Selbstverständlich darf ein Fußballclub aufgefordert werden, sich vom Jubel seiner Spieler über das Massaker der Hamas zu distanzieren. Hier geht es nicht um Gesinnung, hier geht es um Rechtstreue.


Schabernack
Meinungsfreiheit beinhaltet das Recht, keine Meinung äußern zu müssen. Das Verlangen des Vizekanzlers, die hier lebenden Muslime „müssen“ sich vom Antisemitismus distanzieren, da sie ansonsten ihren Anspruch auf Schutz vor Rechtsextremen „unterlaufen“ würden, ist folglich ein Angriff auf die Meinungsfreiheit, die auch das Recht auf Schweigen beinhaltet. 


Berliner29
Warum ist es so schwer zu verstehen, dass eine Gesellschaft nur funktionieren kann, wenn sie von einem Mindestmaß an gemeinsamen Grundwerten getragen wird? Und warum ist es so schwer zu verstehen, dass Menschen, die diese gemeinsamen Grundwerte nicht mittragen wollen, das Funktionieren dieser Gesellschaft infrage stellen?

Rechtstreue alleine reicht nicht. Denn wenn Rechtstreue nur darauf beruht, das Recht einzuhalten, weil es da ist, dann führt dies dazu, dass das Recht von jedem sofort gebrochen wird, sobald er eine Möglichkeit dafür sieht.

Nein, es muss eine Überzeugung bestehen, dass das Recht auf gemeinsamen Werten beruht. Wer das nicht anerkennt, wird auch auf die Dauer nicht rechtstreu sein.


Phiyboy
Das Problem bei solchen Debatten ist immer die Homogenisierung von „Wir“ gegen „Die“. Dabei werden Forderungen gestellt, die von der eigenen Gruppe (den Biodeutschen) nicht komplett erfüllt werden.

Die Biodeutschen sind nicht so homogen in ihren Einstellungen, Werten und Normen, als das man sagen kann, alles was unter dieser Schwelle ist gehört nicht dazu. Wie will man rechtfertigen, dass auf der einen Seite Bekenntnisse erbracht werden müssen, um hier leben zu dürfen und auf der anderen Seite nicht?


Leserling
Das mag irritieren, aber (Ein)Forderungen nach einer wie auch immer klingenden öffentlichen Loyalität sind gerade Merkmale von Totalitarismus. Ob es um den Ukrainekrieg geht, moralisch begründete eingeforderte Distanzierungen von russischen Künstlern oder ähnliches.

Ich muss nicht aufgefordert werden, öffentlich zu erklären, das ich kein Rassist bin und auch kein Antisemit, nur um (ja) nicht in den Verdacht zu kommen, einer zu sein. Und wenn ich es nicht muss, muss es auch kein anderer. Das ist so. Muss nicht jedem gefallen, manchmal anders sicher moralisch wünschenswert. Es ist aber eben auch ein Grundpfeiler des Zusammenlebens.


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