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Die Special Olympics World Games in Berlin sind Geschichte, im Jahr 2025 finden in Turin die Winterspiele statt.

© IMAGO/Nordphoto

Persönliches Fazit der Special Olympics World Games: Auf zu einer kleinen Inklusions-Revolution

Unser Autor hat die Veranstaltung in Berlin sehr intensiv begleitet. Seine Erwartungen an das riesige Sportfest haben sich fast alle erfüllt. Doch es gab für ihn auch enttäuschende Erfahrungen.

Von Daniel Goldstein

Die Special Olympics World Games in Berlin sind Geschichte. Mit ein wenig Abstand stellt sich mir nun die Frage: Was bleibt von den Spielen in Berlin?

Alle von denen ich hörte, haben sich darüber gefreut, dass in der ganzen Stadt die freiwilligen Helfer*innen mit den leuchtend lila T-Shirts zu sehen waren oder Athlet*innen aus aller Welt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihren Wettkampfstätten oder anderen Aktivitäten durch die Stadt unterwegs waren. Zu mehr reichte es nicht. Und das ist dann eben weit weg von Inklusion. Aber der Reihe nach.

Vor dem Beginn der Special Olympics World Games ging es darum, inwiefern die tolle Idee eines riesengroßen internationalen Sportfestes für Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen und die Umsetzung dessen mit Klassifizierungswettbewerben für die Leistungseinteilung, einem Besuchsprogramm für Partnerstädte in der ganzen Republik, einem Gesundheitsprogramm, den inklusiven Wettbewerben für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, Sieger*innen-Ehrungen für alle Beteiligten und einigem mehr, inwiefern das alles nur ein schönes Märchen ist. Oder ob es doch mehr ist.

Hinterher stelle ich für mich fest, es funktioniert tatsächlich und ist sehr nah dran gewesen an den Erwartungen, die ich als profisportmüder Sportfan an diese Veranstaltung hatte. Ja, die Special Olympics sind eine amerikanische Stiftung und nicht demokratisch gewachsen und legitimiert. Ja, sie werden auch von großen Firmen unterstützt und finanziert. Und ja, einige Wettbewerbe, zum Beispiel der Kraftdreikampf und das Rollerskating oder Eröffnungs- und Schlussfeier, wurden durchaus inszeniert, mit DJ und Hallensprecher*innen, die auch zu Animateuren wurden.

Das alles, sowie der Auftritt der Sponsoren und die Eventisierung hielt sich aber in einem durchaus erträglichen Maße. In puncto Diversität und verschiedene Blickwinkel tut sich etwas in den entscheidenden Gremien der Organisation. Langsam, aber sicher. Wie überall. Und über die angeblich demokratischen Strukturen in anderen Sport-Weltverbänden müssen wir hier auch nicht reden.

Um es kurz zu machen: Alle Menschen, die auch nur einen Tag dabei waren bei diesen Weltspielen, haben gemerkt, dass es funktioniert. Und viel mehr als das. So viele vor Freude strahlende Menschen auf einem Haufen habe ich lange nicht mehr getroffen. Das hat nicht nur beflügelt, sondern an vielen Stellen viele Menschen sehr berührt. Allerdings muss man sich darauf einlassen, vor Ort erleben ist der Schlüssel!

Diese Spiele waren für Special Olympics Deutschland auf jeden Fall ein Meilenstein, weshalb ich deren positive Bilanz durchaus teilen kann. Aus dem Schatten der weit in der Ecke liegenden, dunklen Nische traten die Sportler*innen auf die große Bühne. Von null auf Hundert. Wie eine Standweitspringerin mit einem Zehn-Meter-Satz.

15.000
freiwillige Helferinnen und Helfer waren während der Special Olympics World Games im Einsatz.

Von der angepeilten Inklusions-Revolution, die am Anfang der Spiele noch hier und da als Ziel proklamiert wurde, sind wir allerdings noch sehr weit entfernt. Bestes Beispiel: die Auftritte einiger deutscher Politiker*innen. Während es doch eigentlich so einfach sein könnte, sich über ein großes inklusives Sportfest der Fröhlichkeit zu freuen, hat die Politik entweder Angst, mit den Menschen in Kontakt zu kommen oder davor, bei zu positiven Statements noch mehr Geld für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen ausgeben zu müssen.

Die eine spann ihre Generalprobenerzählung weiter, der andere sprach in Abgrenzung zu den Special Olympics von den „regulären Olympischen Spielen“. Anscheinend keine Vorstellung davon habend, wie das bei den 6.500 Athlet*innen, 15.000 freiwillig Helfenden und über 300.000 Zuschauenden ankommt.

Auch deshalb hat Christiane Krajewski, Chefin von Special Olympics Deutschland, am Ende an alle in der Republik appelliert, dass sie gebraucht werden: Politik, Medien und Gesellschaft. Und sie hat ein Versprechen abgegeben, dass es weitergehen wird mit dem Ausbau der inklusiven Netzwerke. Damit die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen am gesellschaftlichen Leben endlich zunimmt. Letztendlich hat Freiwasser-Silbermedaillen-Gewinner Leo Heckel auf der Abschluss-Pressekonferenz alles gesagt: „Inklusion, es bringt nicht nur darüber zu reden, wir müssen es tun!“

Und wissen Sie was? Es ist nicht schlimm, falls Sie nicht dabei waren. Es gibt neue Chancen. Schon am kommenden Wochenende findet im Harz ein Special Triathlon statt. Oder Ende Januar/Anfang Februar 2024 die nächsten nationalen Special Olympics im Wintersport in Thüringen. Darüber hinaus wird in Ihrem Sportverein, auf der linken Abwehrseite, bestimmt noch jemand gebraucht. Wenn er oder sie nicht ganz so gut schießen oder werfen oder ganz so schnell laufen kann, dafür aber pure Fröhlichkeit in die Kabine bringt, egal wie alt, wie schwer oder woher, dann wäre das doch für ihren Verein eine Riesenverstärkung. Vielleicht ist der Weg zu einer zumindest kleinen Revolution gar nicht so weit.

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