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Bei den deutschen Turn-Meisterschaften holte Pascal Brendel am zweiten Finaltag den Titel im Sprung.

© IMAGO/Eibner

Pascal Brendel holt Gold: Der neue König der deutschen Mehrkämpfer

Vor ein paar Jahren wollte Brendel das Turnen an den Nagel hängen. Jetzt gewinnt er bei den Finals Gold. Vor allem sein Vater hat großen Anteil am Erfolg.

Von Katja Sturm

Ein paar Jahre ist es her, da wollte Pascal Brendel nicht mehr. Für seine Leidenschaft, das Kunstturnen, brannte der Schüler aus Wehrheim zwar noch immer. Doch der Trainer im Frankfurter Leistungszentrum, bei dem er damals Überschläge und Schwünge übte, verdarb ihm zusehends den Spaß daran.

Dass während der Pubertät Kopf und Körper nicht mehr wie gewollt funktionierten, dass es Phasen gab, in denen das Training mit dem Athleten nicht mehr so einfach war, dafür zeigte der langjährige Förderer wenig Verständnis. Zunehmend sei es zu unschönen Szenen kommen, erzählte der Sportler. „Irgendwann ging dann gar nichts mehr.“

Am Freitagnachmittag stand der mittlerweile 19-Jährige im Düsseldorfer Dome nach seinem letzten, blitzsauber gestandenen Abgang unter der Reckstange. Fest umarmte er seinen Vater Matthias. Noch wussten die beiden nicht, dass Pascal wenig später zum neuen König der deutschen Mehrkämpfer gekrönt werden würde. Noch stand die Übung des Hallensers Nils Dunkel aus, der bei den nationalen Titelkämpfen vor dem letzten Gerät gleichauf gewesen war mit seinem Nationalteamkollegen.

Hambüchen nahm Brendel unter seine Fittiche

Doch Brendel hatte sein Ziel erreicht: einen schönen Wettkampf zu zeigen. In Abwesenheit des Vorjahresmeisters und Olympiazweiten am Barren, Lukas Dauser, der sich nach einer Schulterverletzung mit Blick auf die als Qualifikation für die Spiele 2024 in Paris zählenden Weltmeisterschaften im Herbst in Antwerpen schonte, sollte er damit auf der obersten Stufe des Podests landen. Dunkel vergab seine Chance mit einem Absteiger vom Reck.

„Ich habe mitbekommen, dass wir punktgleich waren“, sagte Brendel. Aber er habe darüber nicht nachgedacht, ob er Gold holen könnte. Mit dieser Einstellung, nicht über das Greifbare zu sinnen, sondern sich nur darauf zu fokussieren, das in zahlreichen Trainingseinheiten Erarbeitete bestmöglich zu präsentieren, war der für die KTV Wetzlar startende Athlet schon in den vergangenen Monaten überraschend gut unterwegs gewesen.

Der Titel ist für Brendel ein ganz besonderer Erfolg.

© IMAGO/Sven Simon

Bei seinem nationalen Debüt bei den Aktiven 2022 sicherte sich der mehrmalige deutsche Jugendmeister den Titel am Pauschenpferd und rückte kurzfristig in den Kader für die WM in Liverpool nach. Im Frühjahr sorgte der Youngster für Furore, als er bei den Europameisterschaften in Antalya ins Finale der besten 24 Mehrkämpfer einzog und in diesem als Achter vorne mitmischte. „Ein neuer Star ist geboren“, lobte Bundestrainer Valeri Belenki damals. Die Erwartungen an das Talent waren in dessen Heimat schon länger hoch gewesen.

Ich bin ich.

Pascal Brendel über die Vergleiche mit seinem Vater Matthias

Die besondere Bewegungsbegabung Brendels hatte sich früh gezeigt, als „neuer Hambüchen“ wurde er gehandelt, mit Blick auf den ebenfalls in Hessen lebenden und für seinen Wohnort Wetzlar antretenden Reck-Olympiasieger von Rio. Ab und an schien es ihm an Fleiß zu mangeln; dann kam das Problem mit dem Trainer dazu.

Wolfgang Hambüchen selbst mischte sich ein, nahm Brendel unter seine Fittiche. Doch „ich bin ein ganz anderer Typ als Fabian“, erklärt der Sportler, warum die Zusammenarbeit nicht sehr lange lief. Zudem stand für den Vater des Turnstars die Rente an.

Der Aufstieg fordert Opfer

Matthias Brendel, der einst selbst Erfahrungen an den Geräten sammelte und bei Pascals Training oft mit in der Halle stand, sah nur eine Lösung: sich selbst für seinen Sohn zu engagieren. Er gab seine Arbeit im Rettungsdienst auf, studiert an der Kölner Trainerakademie und wird vom Landesturnverband bezahlt. Das Vater-Sohn-Gespann könnte als weitere Parallele zu Hambüchen gewertet werden. Der Turner selbst empfand die Vergleiche nie als Belastung. „Ich bin ich“, sagt er selbstbewusst.

Der Aufstieg fordert Opfer. Nachdem Brendel viel Unterricht verpasste und nach der WM am Corona-Virus erkrankte, legt er an der Schule derzeit ein Sabbatjahr ein. Die Familie zu verlassen, um an einem Stützpunkt bessere Bedingungen zu genießen, Ausbildung und Training leichter unter einen Hut zu bringen, kommt für ihn nicht infrage. Zu Hause könne er „einfach auch mal nur Jugendlicher sein“. Das Menschliche ist ihm in jeder Hinsicht wichtig.

Als Brendel, der sich bei den Gerätefinals auch noch den Titel am Sprung sicherte, nach seinem Sechskampf-Triumph darauf angesprochen wurde, wie es ihm damit ging, dass ihm gleich zu Beginn am Boden und später am Barren Fehler unterliefen, sagte er, das könne passieren. „Wir sind keine Maschinen“, die immer makellos funktionieren.

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