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Beim Spiel zwischen Berolina Stralau und TuS Makkabi Berlin am 15. Oktober gab es eine Schweigeminute.

© Matthias Koch/Matthias Koch

Parolen, Spruchbänder und Gewaltandrohungen: So sollen antisemitische Vorfälle zukünftig gemeldet werden

Noch immer werden antisemitische Vorfälle im Sport unzureichend erfasst oder bagatellisiert. Das soll sich mit der Einführung eines Meldebuttons für Amateur- und Profivereine ändern.

Es sei eine Niederlage unserer Gesellschaft – so beschreibt Alon Meyer die aktuelle Situation. Er ist Vorsitzender des TuS Makkabi Frankfurt und Präsident von Makkabi Deutschland. Zahlreiche Ortsvereine mussten angesichts der Zunahme von antisemitischen Vorfällen und Bedrohungen ihren Spielbetrieb teilweise oder sogar gänzlich einstellen. Die Mannschaft von Makkabi in Berlin trainiert seit dem terroristischen Angriff der Hamas unter Polizeischutz.

„Es ist eine schwere, harte und hässliche Zeit in Deutschland. Nicht nur Juden und Jüdinnen, die Sport treiben, haben Angst, sondern alle Makkabi-Mitglieder“, sagt Meyer. In Frankfurt etwa seien zahlreiche Muslim*innen bei Makkabi aktiv. „Auch sie haben Angst, mit dem Davidstern auf dem Trikot aufzulaufen“, so Meyer. „Seit dem Massaker der Hamas kommen immer weniger Kinder zum Training. Die Situation ist untragbar.“

Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) registrierte in den vergangenen Wochen 240 Prozent mehr gemeldete antisemitische Vorfälle als im Vorjahreszeitraum. Bereits in den vergangenen Jahren gab es immer wieder Fälle von antisemitischen Schmierereien, Beleidigungen oder Angriffe – auch auf Sportplätzen und in Turnhallen.

Unterstützung für Betroffene und Zeug*innen

Aus diesem Grund haben Makkabi und Rias am Montagmittag einen neuen Online-Meldebutton vorgestellt, um antisemitische Vorfälle im Sport zu melden. Sportvereine und -verbände sowie Fan-Organisationen können den Button auf ihren Internetseiten einbinden. Mitarbeitende der Recherchestellen überprüfen dann die eingehenden Meldungen und bieten Unterstützung für Betroffene und Zeug*innen an.

Gerade im organisierten Sport würden antisemitische Vorfälle unverhältnismäßig wenig dokumentiert, sagt Felix Klein, Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung. „Man könnte sagen, dass der Meldebutton gerade jetzt wie gerufen kommt.“ Durch die einfache und niedrigschwellige Benutzung würden nachhaltig Strukturen zur Bekämpfung von Antisemitismus etabliert. „Der Kampf gegen Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftlicher. Je mehr sich beteiligen, desto besser wird er gelingen.“

Alon Meyer, Vorsitzender des TuS Makkabi Frankfurt und Präsident von Makkabi Deutschland, bezeichnet die Situation als „untragbar“.

© dpa/Roland Holschneider

Benjamin Steinitz, Geschäftsführer von RIAS, weist außerdem darauf hin, dass es immer noch wenig Bewusstsein für antisemitische Vorfälle gebe. Zwischen März 2015 und Oktober 2018 seien dem Thüringer Innenministerium acht Fälle gemeldet worden, in denen Anhänger des Fußball-Klubs Carl-Zeiss-Jena als „Juden Jena“ bezeichnet wurden. „Nur einer davon wurde von den Behörden als antisemitisch behandelt, die anderen wurden als ,szenetypische Fanbegriffe‘ oder ,allgemeine politische Aussage‘ bewertet.“

Sogar in den Strafvollzugsbehörden mangle es an Sensibilisierung für das Thema. „Der organisierte Sport muss klare Kante gegen Antisemitismus zeigen in diesen Zeiten. Der Meldebutton ist ein Meilenstein“, so Steinitz.

Borussia Dortmund will den Button integrieren

Gastgeber der Vorstellung des Meldebuttons war Borussia Dortmund. Der Angriff der Hamas und der Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland hätten ihn „betroffen gemacht“, so Geschäftsführer Carsten Cramer. „Es ist erschreckend, dass jüdische Mitbürger Angst haben müssen, Sport zu treiben.“ Umso wichtiger seien niedrigschwellige Angebote, um Vorfälle zu melden. Dortmund hat bereits angekündigt, den Button in seine digitalen Angebote einzubeziehen.

Nach Angaben von Luis Engelhardt, der das Makkabi-Präventionsprojekt „Zusammen1“ leitet, soll der Button zunächst auf den Webseiten des jüdischen Sportverbandes und seiner rund 40 Ortsvereine eingebunden werden. „Es ist aber auch wichtig, nicht-jüdische Vereine und Verbände zu gewinnen.“

Ziel ist es, mithilfe der eingehenden Meldungen die alltäglichen Erfahrungen von Jüd*innen in Deutschland sichtbar zu machen. Überdies sollen Bildungsprogramme und mögliche Sanktionen entwickelt werden. „Im Sport findet sich eine komplette Palette an Antisemitismus. Diese reicht von modernem Antisemitismus, über Post-Shoa-Antisemitismus, bis hin zu israelbezogenem Antisemitismus“, sagt Engelhardt. „Genau dafür müssen wir sensibilisieren.“

Er und seine Kolleg*innen hoffen, dass auch große Institutionen wie der Deutsche-Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) dies erkennen und sich an dem Projekt beteiligen.

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