zum Hauptinhalt
Neue Technik ausprobieren: mit Schlagregnern, modernen Drohnen und mehr Wassereinsatz will die Feuerwehr den Flammen Herr werden.

© Andreas Klaer

Feuerwehren proben den Ernstfall : Brandenburg bereitet sich auf Waldbrandsaison vor

230 Feuerwehrleute kämpfen gegen ein Großfeuer. Es ist nur eine Simulation – aber im Waldbrandland Brandenburg kann das jederzeit Realität werden. Ein Besuch bei den Einsatzkräften.

Die Sonne strahlt vom Himmel. Rechts und links, so weit das Auge reicht: märkische Kiefern. Es ist ein typischer Wald in Brandenburg, hier in Wiesenburg/Mark (Kreis Potsdam-Mittelmark). Beim Auffrischen des Windes schießen einem unweigerlich Bilder aus dem vergangenen Sommer durch den Kopf: Treuenbrietzen, Beelitz. Dort wüteten verheerende Waldbrände. Ganze Ortschaften waren von den Flammen bedroht. Jeweils rund 200 Hektar Kiefernwald wurden zerstört. Was, wenn sich jetzt hier ein Funke entzündet – mitten in diesem Kiefernwald?

Rund 230 Feuermänner und -frauen proben an diesem Frühjahrstag den Ernstfall. Fast alle sind ehrenamtliche Einsatzkräfte. Sie kommen aus Werder (Havel), Ziesar, Pritzerbe, Ferch, Teltow, Caputh, Götze und Wiesenburg/Mark. Alles Ortschaften in Potsdam-Mittelmark, ein von Waldbränden stark gebeutelter Landkreis. Um 7 Uhr wurden die Wehren alarmiert. Bis zum Nachmittag löschen sie einen großen Waldbrand, der droht, auf das Tanklager Medewitz überzugreifen – nur zur Probe. Doch die Einsatzkräfte, die hier freiwillig ihren freien Samstag opfern, nehmen die Übung sehr ernst. Sie wissen, ein Waldbrand in dieser Dimension könnte jederzeit ausbrechen.     

Brandenburg ist ein Waldbrandland

Brandenburg ist Spitzenreiter bei Waldbränden in Deutschland: Von 2017 bis 2021 brannte es durchschnittlich in keinem anderen Bundesland so häufig wie in den märkischen Wäldern. Allein im vergangenen Jahr zählte das Land über 500 Waldbrände. 1425 Hektar Fläche brannten. Für 2023 prognostizieren Experten, dass es noch schlimmer werden könnte.

Trockenübung: Wenn es in Brandenburgs Wäldern wieder brennt, will die Feuerwehr bestmöglich vorbereitet sein.

© Andreas Klaer

Es ist 11 Uhr. Auf dem Areal des Tanklagers in Medewitz ertönen Warnhupen der Feuerwehr. Einsatzkräfte stehen aufgereiht, mit dicken Schläuchen in den Händen, aus denen Wasser auf Bäume und grün-braunen Waldboden schießt. Dazwischen sind in einigen Metern Abstand voneinander Schlagregner aufgereiht. Ihr Strahl reicht etwa 15 bis 20 Meter weit. Man kennt sie eigentlich von den Feldern in Brandenburg. Doch sie sollen vermehrt auch bei Waldbränden zum Einsatz kommen. Denn sie sparen Personal. Rund 3000 Liter Wasser pro Minute wurden allein durch die Strahlrohre geschossen, rechnet Vize-Kreisbrandmeister Andy Laube vor. Mehrere Kilometer Schläuche liegen auf dem Boden.

Wenn das Feuer übergreift, haben wir einen riesigen Umweltschaden.

Jens Heinze, Kreisbrandmeister Potsdam-Mittelmark

Die Männer und Frauen an den Schläuchen bilden zusammen mit den Reglern einen von drei sogenannten Sperrriegen um das Tanklager, eine Wassergasse, die die Flammen aufhalten soll, indem Bäume und Waldboden feucht gehalten werden. Rund 200 Meter dahinter fahren große Löschfahrzeuge an einer Mauer entlang, die sich rund um das Lager zieht. Sie feuern nochmal Wasser auf Boden und Bäume. Sie bilden die zweite Riege. In mehreren Hundert Metern dahinter befindet sich die dritte Riege. „Wir haben gesehen, wie bei den Bränden in Beelitz und Treuenbrietzen ein kleiner Funke 500 Meter weit fliegt“, sagt Kreisbrandmeister Jens Heinze. „Wir brauchen mehr Riegen.“ In den Tanks in Medewitz lagern mehrere Millionen Liter Kraftstoff. „Wenn das Feuer übergreift, haben wir einen riesigen Umweltschaden.“ 

Wunsch: Räumpanzer und Löschflugzeuge

Heinze ist seit 2018 Kreisbrandmeister. Zuvor war er 13 Jahre lang Stellvertreter. Der Treuenbrietzener weiß, was es bedeutet, seine Freizeit fürs Ehrenamt zu opfern. „Das ist ein harter Job. Einige Leute standen heute Nacht beim Waldbrand in Südbrandenburg und sind jetzt hier mit bei der Übung.“ Bei so langen Einsätzen gingen einige schon auf dem Zahnfleisch. An manchen Einsätzen schaue Heinze in erschöpfte Gesichter. „Ohne Helfersyndrom kann man das hier nicht machen.“

Fragt man Heinze danach, was seine Leute motiviere, antwortet er: „Eine gute Ausstattung.“ 2022 hatte das Land den Brand- und Katastrophenschutz mit etwa 40 Millionen Euro gefördert. 35 Waldbrandtanklöschfahrzeuge sowie 5 Hochleistungsfördersysteme auf geländegängigen Wechselladerfahrzeugen wurden beschafft. Daneben wurde in die Infrastruktur der Feuerwehren über elf Millionen Euro investiert – das Geld floss überwiegend in den Neu- und Umbau von Feuerwehrhäusern. 61 Brunnen und Löschwasserbehälter wurden neu gebaut oder saniert.

Heinze sagt, die Feuerwehren im Kreis wurden im vergangenen Jahr gut ausgestattet. Aber fragt man ihn danach, ob das reicht, fängt der Feuerwehrmann an zu erzählen. Von dem, was er sich für die immer herausforderndere Brandbekämpfung dringend wünsche. Dazu gehörten autonom fahrende, gepanzerte Minenfahrzeuge, die bei Waldbränden auf munitionsbelastetem Gebiet die Erde aufwühlen und so einen Schutzstreifen schaffen, worauf sich die Feuerwehrleute gefahrlos begeben können, um näher an den Brand heranzukommen.

Neueste Technik: Drohnen mit verbesserten Kameras und Sensoren sollen helfen, Glutnester noch besser zu erkennen.

© Andreas Klaer

Munitionsbelastung – Brandenburgs großes Problem

Munitionsbelastung ist bei der Waldbrandbekämpfung in Brandenburg ein großes Problem. Feuerwehrleute können die Fläche nicht betreten. Fast 300.000 Hektar Waldflächen sind im Land noch immer mit Munition belastet. Für die Räumung sind Spezialkräfte nötig. Teils müssten auch Wälder gerodet werden, undenkbar in Zeiten des Klimawandels.  

40
Millionen Euro hat Brandenburg 2022 in den Brand- und Katastrophenschutz gesteckt.

Daneben bräuchte Brandenburg eigene Löschflugzeuge – oder müsste solche zumindest anmieten, sagt Heinze. Derzeit setzt das Land zur Brandbekämpfung aus der Luft Flugzeuge der Bundeswehr ein. „Die Bundeswehr ist ein zäher Apparat.“ Teilweise dauere es bis zu zwölf Stunden, bis ein Flugzeug im betroffenen Gebiet ist, weiß Heinze. Eine Firma im Harz verleihe Flugzeuge. Die Dromader können mehr als 2000 Liter Wasser transportieren. Und sie können auf Wiesen landen, um neu aufzutanken. In Brandenburg wurden sie bereits bei Waldbränden eingesetzt. Der Hersteller verspreche, innerhalb von 90 Minuten an jeder Einsatzstelle zu sein, sagt Heinze. Das Land prüft gerade die Anmietung von privaten Anbietern.

Waldbrandsaison hat bereits begonnen

Tage mit extremen Wetterlagen haben zugenommen. Die Waldbrandsaison läuft in Brandenburg bereits. Allein seit Mai hat es laut Umweltministerium bereits mindestens zehn Mal gebrannt. Mit neuer Ausstattung könne das Land daher nicht weiter warten, sagt Heinze. Man habe den Ernst der Lage erkannt. Doch häufig bremsten langwierige Vergabeverfahren für Neuanschaffungen die Wehren aus. „Wir brauchen jetzt neue Technik“.    

Wir brauchen jetzt neue technische Ausstattung.

Jens Heinze, Kreisbrandmeister Potsdam-Mittelmark

13 Uhr. Die meisten Einsatzkräfte sitzen auf Bierbänken und essen von dem selbstgemachten Gulasch, das die auf dem Lagergelände aufgebaute Kantine anbietet. Viele lachen, die Stimmung ist gut – anders ist man es von tatsächlichen Waldbrandeinsätzen gewohnt, bei denen die Löschkräfte oft tage- und nächtelang im Einsatz sind, gegen die Flammen kämpfen.

Über das Thema Waldbrand kann man in Brandenburg nur selten sprechen, ohne dass es emotional wird – so auch mit Heinze. Er selbst lebt in Treuenbrietzen. Natürlich habe er Angst davor, dass das Feuer auch einmal ihn bedrohen könnte. Sein Schwiegervater habe beim letzten Brand 24 Hektar Wald verloren. Das gehe ja nicht spurlos an einem vorbei. „Vor sowas müssen wir schützen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false