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Die Weihnachtskrippe aus dem Besitz Kaiser Wilhelms II. wird im Grottensaal des Neuen Palais präsentiert.

© dpa/Monika Skolimowska

Weihnachten wie 1907: Die „Kaiserkrippe“ Wilhelms II. ist zurück in Potsdam

Nach 106 Jahren ist die „Kaiserkrippe“ von Bildhauer Sebastian Osterrieder ins Neue Palais zurückgekehrt. Sie ist bis zum 6. Januar dort zu sehen.

Für Jörg Kirschstein, Schlossbereichsleitung Neues Palais, war es ein besonderer Moment im Februar dieses Jahres: Eine Kollegin entdeckte in einem Buch über Bildhauer und Krippenschnitzer Sebastian Osterrieder, dass die Weihnachtskrippe von Wilhelm II. noch existiert. Mittlerweile im Besitz des Krippenvereins St. Ägidius, ist sie normalerweise Teil der Dauerausstellung des bayerischen Stadtmuseums Abensberg.

„Ich habe sofort Martin Neumeyer, den Vorsitzenden des Vereins, kontaktiert“, sagt Kirschstein. „Mit Fotos vom Grottensaal, dem verschneiten Neuen Palais und einem Foto von der Krippe an ihrem Ursprungsort habe ich darum geworben, sie für einige Wochen nach Potsdam zurückholen zu dürfen.“

Mit Erfolg: Obwohl die Krippe wegen ihres fragilen Zustands normalerweise nicht verliehen wird, ermöglichte der Krippenverein es, sie noch einmal als Leihgabe am historischen Aufstellungsort im Neuen Palais zu zeigen. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg präsentiert sie bis zum 6. Januar 2024 im festlich geschmückten Grottensaal, wo sie früher ein fester Bestandteil des kaiserlichen Weihnachtsfests war.

Kaiserliche Weihnachten im Grottensaal

Es gibt keine Fotos des Heiligen Abends; für Kaiser Wilhelm II. galt der ganz seiner Familie. Doch man kann ihn sich folgendermaßen vorstellen: Um 16:45 Uhr klingelte ein Glöckchen – das Signal für die kaiserliche Familie, sich in den Grottensaal mit seinen üppigen Muschel- und Gesteinsverzierungen zu begeben. Die Temperatur war extra auf 16 Grad erhöht worden.

Eingerahmt von sieben Christbäumen mit roten Äpfeln, silbernen Kugeln und Lametta für die Kinder fanden sie dort jedes Jahr die „Kaiserkrippe“ im Kerzenlicht vor. Zur Bescherung gab es beispielsweise vergoldete Spazierstöcke für den Kaiser und Pelze für die Kaiserin. 1895 wurde für eines der Kinder sogar ein Pony in den Saal geführt. Abends feierte die kaiserliche Familie dort mit ihrem Gefolge.

Die Krippe ist ein Kunstwerk des in Abensberg geborenen Bildhauers und Krippenschnitzers Sebastian Osterrieder (1864-1932), der als bedeutendster Krippenbauer seiner Zeit galt. Überliefert ist, dass er Kaiserin Auguste Victoria 1907 die Krippe vorstellte. Ein namentlich nicht bekannter Stifter schenkte sie dem Kaiser, der sie jährlich bis zum letzten Weihnachtsfest 1917 aufstellen ließ. Nach dem Ende der Monarchie gelangte sie 1920 in das niederländische Exil Wilhelms II. Dort verliert sich ihre Spur.

Erst in den 1980er Jahren tauchte die „Kaiserkrippe“ im Angebot eines Kölner Auktionshauses wieder auf. Ein Kunsthändler erwarb das Kunstwerk und bot es in den 1990er Jahren dem Stadtmuseum Abensberg an, das schon einen Großteil des Osterrieder-Nachlasses verwaltete. 2000 konnte der neu gegründete Abensberger Krippen- und Kapellenverein St. Ägidius sie mit Spendenmitteln für 56.000 DM ankaufen.

Figuren aus Gips, Champagnerkreide und Hasenleim

Das Besondere an der „Kaiserkrippe“ ist ihre Herstellung. Sebastian Osterrieder gestaltete sie als mittelalterliche Ruine. Die Krippenfiguren sind nicht geschnitzt, sondern gegossen: Er entwickelte ein spezielles Hartgussverfahren, in dem er die vollplastischen Figuren mit einer Masse aus Gips, Champagnerkreide und Hasenleim abgoss.

Krippenfiguren aus einer Gussmasse zieren die Weihnachtskrippe.
Krippenfiguren aus einer Gussmasse zieren die Weihnachtskrippe.

© dpa/Monika Skolimowska

Glieder und Finger verstärkte er mit Draht, die Ausdruckskraft seiner Figuren verstärkte er mit Glasaugen, Kleidung drapierte er aus leimgetränkten Stoffen. Erstmalig verwendete Osterrieder hier Figuren, die seine „orientalischen“ Krippen so berühmt gemacht haben.

Im Abensberger Stadtmuseum wartet aktuell eine leere Vitrine auf die Rückkehr der Krippe. Im Neuen Palais wird ab nächstem Jahr eine fotografische Theaterkulisse die „Kaiserkrippe“ im Grottensaal nachbilden.

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