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Fontane-Archiv in Potsdam stellt erworbenes Menzel-Minigemälde vor Das Theodor-Fontane-Archiv hat die Miniatur ‘Lesende Dame‘ des mit Theodor Fontane befreundeten Künstlers Adolph von Menzel (1805-1905) erworben. Das Bild stammt aus dem Besitz des Dichters und Schriftstellers und zeigt eine Frau auf einem Saale-Dampfer, die sich mit einem Schirm gegen den Wind schützt und in die Lektüre eines Buches vertieft ist. Die Widmung auf der Rückseite lässt vermuten, dass es sich um Emilie, die Ehefrau Fontanes handelt.

© Andreas Klaer

Kleines Bild, große Strahlkraft: Gemälde kommt nach langer und weiter Reise im Fontane-Archiv an

Der Ankauf der Miniatur „Lesende Dame“ von Adolph von Menzel durch das Fontane-Archiv gleicht einer kleinen Sensation. Die Rückseite enthält eine sehr persönliche Widmung.

Von Alicia Rust

Auf den ersten Blick ist das hochformatige Gemälde viel kleiner als erwartet. Nur sieben mal elf Zentimeter ist die sorgsam gerahmte Miniatur groß. Und damit noch kleiner, als eine durchschnittliche Postkarte. Und dennoch: was für eine Strahlkraft!

Bei näherer Betrachtung ist man fast geneigt, den pfeifenden Wind zu hören, der es der lesenden Dame auf dem Saale-Dampfer derart erschwerte, sich in Ruhe ihrer Lektüre zu widmen. Da half wohl auch der Schirm wenig, der sie in konzentrierter Lesehaltung vor den Luftmassen beschützen sollte.

Die „Lesende Dame“, so der Titel des sehr detaillierten Gouache, hat das scheinbar wenig gestört. Jener Moment, in dem sie sich derart in ihre Lektüre vertiefte, währt nun für die Ewigkeit. Nach sechs bis zehn Besitzer-Wechseln ist das Bild, das aller Wahrscheinlichkeit nach Emilie Fontane zeigt, jetzt im Theodor-Fontane-Archiv (TFA) angekommen, um zu bleiben.

Im Fontane-Archiv in Potsdam wird die neu erworbene Menzel-Miniatur ‘Lesende Dame‘ des Künstlers Adolph von Menzel (1805-1905) in Anwesenheit von Ministerin Manja Schüle vorgestellt.

© Andreas Klaer

Als das Gemälde entstand – vermutlich am 16. März 1872 – war Emilie 52 Jahre alt. Emilie war dem Dichter Fontane weit mehr als nur eine Ehefrau: Sie war Lektorin und – heute würde man sagen – Managerin des Dichters. Sie schrieb seine unleserlichen Aufzeichnungen in Schönschrift nieder, notfalls 400 Seiten über Nacht. Sie war ihrem Ehemann ein wichtiges Korrektiv und Ratgeberin, gleichzeitig gebar sie ihm sieben Kinder. Darüber hinaus führte sie ein großes Haus, was angesichts ständig knapper Kassen eine Herausforderung gewesen sein dürfte. 

Zu dem Zeitpunkt, als das Bild entstand, kannten sich die Fontanes und die Menzels bereits über zwanzig Jahre.

Anna Busch, stellvertretende Leiterin des Theodor-Fotane-Archivs

Emilie Fontane, geborene Rouanet, war in jeder Hinsicht eine starke Frau. Mit ihrem Gemahl führte sie eine Beziehung auf Augenhöhe, wovon zahlreiche Briefe zeugen. Mit der Malerfamilie von Menzel verband die Fontanes eine moderne Weltanschauung fern jeden elitären Gebarens. Auch einfachen Leuten wurde ein literarisches wie künstlerisches Denkmal gesetzt. Mit der Schwester des Malers, die den gleichen Vornamen hatte, verband Emilie eine innige Freundschaft.

„Zu dem Zeitpunkt, als das Bild entstand, kannten sich die Fontanes und die Menzels bereits über zwanzig Jahre“, sagt Anna Busch vom Fontane-Archiv. Beide Familien waren eng miteinander befreundet. „Es handelt sich um ein wichtiges Dokument zum Austausch zweier Künstlerfamilien“, sagt Frank Druffner von der Kulturstiftung der Länder.

„Das Bild ist die größte Einzelerwerbung, die wir jemals für das TFA haben machen können“, sagt Busch, die den Erwerb von Anfang bis Ende betreut hat.  Insgesamt umfasst die Sammlung des Archivs rund 2200 Fotografien, Gemälde, Zeichnungen und Drucke. Durch die Miniatur Menzels ist sie um ein entscheidendes Werk bereichert worden. 

Ankunft im Archiv nach langer Odysee

Das auf fester Pappe gefertigte Gemälde hat eine lange Reise hinter sich, die bis nach Amerika führte. Bis 1905 fand sich das Blatt in Familienbesitz. Das Bild hatte Menzel nach einer verlorenen Wette 1872 als „Vielliebchengeschenk“ an Emilie Fontane überreicht. Ursprünglich hat es sich wohl in einem Album der Familie Fontane befunden – davon zeugen noch Klebereste auf der Rückseite.

Aus einer finanziellen Notlage heraus war es schließlich an die jüdische Familie Nothmann verkauft worden. Vor der Flucht vor den Nationalsozialisten verkaufte die Familie das Bild notgedrungen. „Es war von 1905 bis 2022 unterwegs und hat eine riesige Odyssee hinter sich“, sagt Druffner. Auch der letzte Besitzer war ein amerikanischer Geschäftsmann mit jüdischen Wurzeln gewesen. Im Jahr 2014 schließlich tauchte das Bild im Auktionskatalog der Villa Griesebach auf.

Über den Preis des Ankaufs hüllt man sich in Schweigen. Möglich gemacht wurde der Erwerb des biografischen Zeugnisses durch die finanzielle Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, sowie durch die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung. Für April 2024 ist im Archiv eine Ausstellung geplant, bei der die „Lesende Dame“ der Öffentlichkeit präsentiert werden soll.

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