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Die Potsdamer Fotografin Claudia Neubert ist eine von zehn Brandenburger Künstler:innen, die im Dezember mit „Arbeitspaket“-Stipendien des Landes Brandenburg ausgezeichnet wurden.

© Andreas Klaer,PNN,Tsp / Andreas Klaer

Fotografische Spurensuche : Durch die Vergangenheit in die Gegenwart

Die Potsdamer Fotografin Claudia Neubert beschäftigt sich mit sozialen Themen der Vergänglichkeit. Sie ist eine von zehn Künstler*innen mit einem Landesstipendium.

Von Alicia Rust

Claudia Neubert lässt ihre Bilder für sich sprechen. Wer ihre Fotos betrachtet, dem eröffnet sich eine andere Welt. „Ursprünglich habe ich Soziologie studiert“, sagt die 44-Jährige auf ihren Werdegang angesprochen. Genauso gehe sie mitunter auch an ihre fotografische Arbeit heran. An ihre dokumentarisch angehauchten Aufnahmen, die bei näherer Betrachtung Geschichten erzählen. An ihre beiden Langzeitprojekte, für die es – neben einer Liebe zum Detail - vor allem einen langen Atem braucht. Dabei sieht sie sich in der Rolle der Beobachterin, die sich selber vollkommen zurücknimmt. Ihre Bilder sollen erzählen ohne zu werten.

„Mit dem Fotoprojekt ‘Am Rande des Weizenfelds’ habe ich vor rund 15 Jahren begonnen“, sagt Neubert, die in Potsdam lebt. Abgeschlossen sei das Projekt immer noch nicht. „Manchmal braucht es eine Pause, bis der Faden wieder aufgenommen werden kann“, sagt sie. Dabei helfe auch ein Stipendium, wie das mit 8.000 Euro dotierte „Arbeitspaket“, das ihr vor Kurzem ihr vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg für den Zeitraum von einem Jahr verliehen wurde.

Erstmals sind Häuser oder Höfe nicht mehr an die nachfolgende Generation weitergegeben worden

Claudia Neubert, Potsdamer Fotografin.

Neubert, gebürtige Dresdnerin, ist in einem kleinen Dorf zwischen Sachsen-Anhalt und Thüringen aufgewachsen. Den Namen will sie lieber für sich behalten. Nach der Wende ging es mit den Eltern in den Schwarzwald. Dort habe sie sich nie wirklich heimisch gefühlt. Was blieb, war die Verbundenheit zu jenem Ort ihrer Kindheit, der ihre fotografische Spurensuche bis in die Gegenwart begleitet. „Lange Zeit hat sich dort kaum etwas verändert. Es waren die gleichen Häuser, Höfe und Menschen, die ich von früh an kannte, die vertraute Umgebung, in der jeder jeden kennt.“

Ein Foto aus dem Fotobuch „Rane“.

© Claudia Neubert

Das Haus ihrer Großeltern, der Garten hinterm Haus, Nachbarn, die sich zum Schlachtfest in der Scheune einfanden, um beispielsweise ein Schwein zu schlachten. Um anschließend Wurst daraus zu machen. Wo niemand seine Haustüre abschließen musste, weil dazu keine Notwendigkeit bestand. „Viele der Dorfbewohner arbeiteten in den umliegenden LPGs. Es gab Handwerker, wie Maurer oder Fliesenleger. Es gab sogar eine alte Schmiede, aber keine Geschäfte“. Dazu sei der Ort mit unter hundert Einwohnern zu klein gewesen.

„Immer wieder bin ich dorthin zurückgekehrt“, sagt Neubert. Herausgekommen ist eine fotografische Langzeitreportage. Sie hat Menschen porträtiert, die Landschaft, Details, die den meisten Besuchern vermutlich verborgen bleiben würden. Erst vor rund fünf Jahren habe sich das Dorfleben grundlegend verändert. Die jüngeren Generationen ziehe es fort. „Erstmals sind Häuser oder Höfe nicht mehr an die nachfolgende Generation weitergegeben worden“, so Neubert. Es gäbe es auch niemanden mehr, der noch Großtiere schlachte.

Ihre Fotos zeugen von einem großen Vertrauen der Dorfbewohner. Von einer Nähe, die möglicherweise erst dadurch entsteht, Innenansichten erhalten zu haben. Aus einem Wissen, - selbst wenn man weit fort ist – doch noch irgendwie die DNA der Kindheit in sich zu tragen. Obgleich ihre Eltern eigentlich nicht zum Kern der Dörfler gehört haben.

„Wir haben zum Beispiel nie beim Schlachten mitgemacht“, so Neubert, die den Dampf beim Abbrühen eines Schweins auf beinahe poetische Weise mit ihrer Kamera festgehalten hat. „Trotzdem haben wir – wie alle im Dorf – nach dem Schlachten - immer einen große Emaille-Topf mit frischer Brühe bekommen“, sagt sie und bekommt dabei fast leuchtende Augen. Begonnen hat sie ihre Serie mit einer analogen Kamera, später setzte sie ihr Werk mit Hilfe der digitalen Fotografie fort.

Es hat mich schon Zeit gekostet, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen.

Claudia Neubert, Potsdamer Fotografin.

Zum zweiten Langzeitprojekt. RÅNE so der Titel einer umfangreichen Fotoreportage, fasst zusammen, womit Neubert sich seit 2017 in Norwegen beschäftigt hat. „Råne bedeutet so viel wie: Ein Jugendlicher, der ziellos mit dem Auto herumfährt“, so Neubert, die einigermaßen passabel Norwegisch spricht. Auch hier erzählen ihre Bilder mehr, als es in Worten möglich wäre. „Im Wesentlichen geht es um eine norwegische Jugendkultur, die schon seit den 50er Jahren besteht“, so die Wahl-Potsdamerin. Dank der zunehmenden Elektromobilität seien aber auch hier die Tage gezählt.

Spurensuche in Norwegen

Erstmals nach Norwegen gekommen, entdeckte sie überall merkwürdige Gummispuren auf den Straßen. Selbst an entlegensten Orten. Schlangenlinien, Kringel, Schleifen, in beinahe kunstvoller Weise als Burnout-Spuren auf Asphalt gebannt. Darauf angesprochen erzählten ihr die Einheimischen von der US-Amerikanisch inspirierten Jugendkultur, in der sich Gruppen zusammenfinden, um mit uralten – oftmals selbst zusammengeschraubten – Amischlitten, auf den Straßen der norwegischen Weite Gas zu geben. Um somit beachtliche Schlingerspuren zu hinterlassen. Dazu gehöre natürlich noch die passende Musik: Country in Norwegischer Sprache.

„Es hat mich Zeit gekostet, um das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen.“ Bis sie eintauchen durfte in jene Welt, um Aufnahmen zu machen, die Außerordentliches zeigen. Auch hier ist das Vertrauen der Protagonisten zur Fotografin zu spüren. Wenn sie sich etwa gemeinsam zum schrauben zusammenfinden oder mit Cowboy-Hüten auf dem Dach eines Cruisers hocken, um Marlboro-mäßig eine zu rauchen. Cowboygefühl, mitten im kalten Norwegen.

Neuberts Herz schlägt für die Autorenfotografie. 2018/ 2019 war sie Absolventin der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin. Auch heute noch verbinde sie viel mit der Einstellung, dass es für eine gelungene Aufnahme weit mehr braucht, als nur die richtige Technik oder der passende Moment.

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