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„The Ordinaries“ von Sophie Linnenbaum wird am 23. März im Babelsberger Thalia-Kino gezeigt, Filmstart ist der 30. März.

© J.L. Walter, Szenenbild J. Lindner & M.-J. Schönborn, Kostümbild S. Peters © Bandenfilm

„The Ordinaries“: Die Angst des Arthouse vorm Happy End

Als „tragikomische Gesellschaftssatire“ bezeichnet Filmuni-Alumna Sophie Linnenbaum ihren Abschlussfilm. Er balanciert virtuos zwischen „Dogville“ und „Singing in the Rain“.

Dieser Film beginnt mit einer Sturzflut aus Babelsberger Filmgeschichte. Szenen aus Defa-Klassikern. „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, „Heißer Sommer“. Massenszenen. Es wuselt und wimmelt. Dazu eine Stimme aus dem Off. „Da war meine Mutter dabei. Und da. Und da! Sehen Sie?“ Wir sehen nicht. Wir sehen: Ausstattung, Kostüme, Bewegung. Gesichtsloses Menschenmaterial. Statisten.

Um die geht es in „The Ordinaries“, dem Abschlussfilm von Sophie Linnenbaum, die damit ihr Masterstudium an der Filmuniversität Babelsberg beendet. Geschrieben hat sie ihn gemeinsam mit Michael Fetter Nathansky. Der Titel ist an „The Avengers“ angelehnt, aber ein „emotionales Oxymoron“, sagt Linnenbaum: Es geht gerade nicht um Superhelden.

Diktatorische Welt

Charakterschärfe und Storyline haben im Film nur Hauptfiguren, alle anderen sind Beiwerk. Diese Logik ist in die „The Ordinaries“ erzählerischer Ausgangspunkt. Man begegnet einer streng hierarchisierten Welt: oben Hauptfiguren, darunter Nebenfiguren, ganz unten „Outtakes“ - filmische Patzer. Ein Institut wacht darüber, dass alle auf ihren Posten bleiben. Ein diktatorisches System à la „Handmaid’s Tale“.

Das Team von „The Ordinaries“ bei der Europapremiere in Karlovy Vary.
Das Team von „The Ordinaries“ bei der Europapremiere in Karlovy Vary.

© MANFRED THOMAS "TSP"

Aber „The Ordinaries“ ist viel mehr: Science Fiction, Horror, Musical. Sophie Linnenbaum bedient die ganze Klaviatur des Films, so virtuos wie nebenbei. Ein „filmisches Metaversum“, urteilte die Jury der First Steps Awards. Ein Label will Linnenbaum selbst gern vermeiden. Aber wenn es sein muss: „tragikomische Gesellschaftssatire“. Sie will von tatsächlichen Prinzipien der Ausgrenzung und Diskriminierung erzählen. „Es gibt ja auch in unserer Gesellschaft ein klares Oben und Unten.“

„The Ordinaries“ hat nicht nur den First Steps Award gewonnen, den wichtigsten deutschen Nachwuchspreis, sondern auch den Förderpreis beim Filmfest München. „Man reibt sich verwundert die Augen: Das soll der Abschlussfilm einer Hochschule sein?“, schrieb die Jury, auch Sönke Wortmann war dabei. Der Film habe „ein gefühltes Multimillionen-Budget“.

Ausgebildet in Babelsberg: Regisseurin Sophie Linnenbaum.
Ausgebildet in Babelsberg: Regisseurin Sophie Linnenbaum.

© Jonas Ludwig Walter

Mit Sophie Linnenbaum, geboren 1986 in Berlin, wird künftig zu rechnen sein. Sie selbst begriff der eigenen Aussage nach erst spät, „dass man Filme auch machen kann“: „Ich habe nicht schon als Kind mit der Super8-Kamera gedreht. Als ich den ersten Kurzfilm gemacht habe, war ich 23.“ Davor hat sie an Theatern gearbeitet, fürs Theater geschrieben. Vor allem in Nürnberg am Theater Pfütze. Musiktheater für Kinder.

Auch die Hauptfiguren in „The Ordinaries“ singen und tanzen, und wenn sie emotional werden, rieselt es Musik, „das Glutamat beim Film“. Die Musicalfrequenzen sind Reminiszenz an die Golden Days von Hollywood, anderes erinnert an Lars von Triers für Linnenbaum prägenden Film „Dogville“: ein Film als Versuchsaufbau, mit Theater-Mitteln. Wie „The Ordinaries“.

Hollywoodsche Mechanismen

Das Erstaunliche an „The Ordinaries“ aber ist: Trotz aller Metaebenen und insiderischer Lust an Referenzen ist dies ein Film, der das Potenzial hat, ein breites Publikum anzusprechen. Keiner, der nur Hollywoodsche Mechanismen (die Musik!) bloßstellt, sondern auch den Mut hat, sich ein massentaugliches Element zu eigen zu machen: das Happy End.

Regisseurin Sophie Linnenbaum auf dem Filmfestival in Karlovy Vary.
Regisseurin Sophie Linnenbaum auf dem Filmfestival in Karlovy Vary.

© MANFRED THOMAS TSP

„Mit der Angst des Arthouse vor dem Happy End haben wir uns lange beschäftigt“, sagt Linnenbaum. „Die Frage ist doch: Warum machen wir Filme und für wen?“ Sie hat keine Lust, das Happy End dem Trash TV und den Soaps zu überlassen. „Ich finde es wichtig, die Möglichkeiten auszuloten, die im Happy End stecken.“

Im Leben wie beim Film ist der Gemeinschaftsgedanke zentral, sagt Linnenbaum. „Nicht zufällig heißt unsere Produktionsfirma Bandenfilm.“ Auch in „The Ordinaries“ geht es am Ende nicht darum, wer die Hauptrolle spielt. Sondern darum, was sie in Babelsberg gelernt hat: Banden bilden.

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