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Die Debatte um die Garnisonkirche tobt seit Jahren.

© ZB / Bernd settnik

Update

Unterstützung für Potsdams Rathauschef: Landesbischof Stäblein befürwortet „Haus der Demokratie“

Bewegung im Streit um die Garnisonkirche: Der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Garnisonkirche ist bereit, auf das historische Kirchenschiff zu verzichten.

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In der Debatte um den umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam ist Landesbischof Christian Stäblein bereit, auf das historische Kirchenschiff zu verzichten. „Ich halte das „Haus der Demokratie“ für eine glänzende Idee“, sagte der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Garnisonkirche jetzt der Deutschen Presse-Agentur. Und weiter: „Die Vorstellung, dass da die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung tagt und damit diesen Ort wirklich zu einen markanten Ort der Demokratie macht, finde ich ausgesprochen stark.“

Damit unterstützt Stäblein den von Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) im Herbst 2021 ausgehandelten Kompromiss, neben dem bereits weitgehend fertiggestellten historischen Turm der Garnisonkirche an Stelle des Kirchenschiffs ein modernes Gebäude auch für das Stadtparlament zu errichten und das Kreativhaus Rechenzentrum daneben weitgehend zu erhalten. Dafür will Schubert in der kommenden Stadtverordnetenversammlung am 25. Januar eine Machbarkeitsstudie auf den Weg bringen, die insgesamt bis zu 500.000 Euro kosten soll.

Christian Stäblein, der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

© IMAGO/epd

Die wichtigste Voraussetzung für diesen Prozess ist allerdings wie berichtet, dass die Stiftung endgültig und auch in ihrer Satzung von dem Ziel Abstand nimmt, noch ein Kirchenschiff zu bauen. Dieser Aspekt stößt auf heftigen Widerstand der Anhänger eines möglichst originalgetreuen Wideraufbaus, gerade auch in der Fördergesellschaft für die Garnisonkirche.

Deren Vorsitzende Maike Dencker erklärte denn auch am Dienstagnachmittag, dass ihr Verein „unverändert an unserem gemeinsamen Satzungsziel festhalten, dem vollständigen Wiederaufbau unserer Garnisonskirche mit Turm und Schiff“. Diese Satzungstreue erwarte sie auch von den Partnern im Kuratorium. Zugleich stellte sie weitere Aktivitäten des Vereins infrage, sollte die Stiftung ihre Satzung ändern: „Eines ist aber klar zu konstatieren, für das weitere Engagement der Fördergesellschaft, sind nicht widersprüchliche Satzungen eine Grundvoraussetzung.“

Stäblein äußerte sich auch dazu: „Natürlich weiß ich und freue ich mich, dass es viele Christinnen und Christen in dieser Stadt gibt, die auch ein Gotteshaus an dieser Stelle schön und richtig finden“, meint er. „Aber ich gehöre zu denen, die erst mal pragmatisch sagen: Jetzt bringen wir mal den Turm ins Laufen, und dann gucken wir, dass wir mit der Stadtgesellschaft zusammen auch den Ort gut weiterentwickeln.“

Kuratorium tagt im Februar

Die Abkehr vom Original-Kirchenbau müssten zwei Drittel der Kuratoriums-Mitglieder beschließen. Bischof Stäblein führt das Gremium, in dem auch Schubert sitzt, seit dem vergangenen Jahr an. Stäbleins Vorgänger Wolfgang Huber hatte mit Schubert den umstrittenen Kompromiss zum „Haus der Demokratie“ ausgehandelt. Diese Idee war in der Folge aber auch aus dem Vorstand der Stiftung heraus infrage gestellt worden.

Zu der möglichen Satzungsänderung tagt das Kuratorium am 17. und 18. Februar, eingeladen sind nach PNN-Informationen auch Vertreter der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Wegen des noch fehlenden Votums aus dem Kuratorium hat die CDU beantragt, den Beschluss zu der Machbarkeitsstudie zunächst zurückzustellen. Ähnliche Bedenken hatte es auch bei den Linken gegeben. Und ob das „Haus der Demokratie“ wirklich kommt, hält auch Bischof Stäblein für noch nicht ausgemacht: „Das hängt an unglaublich vielen Faktoren, an der Machbarkeitsstudie, an der Entwicklung der Stadt Potsdam und an der Perspektive der Stadtverordnetenversammlung selbst.“

Der Turm soll im Frühjahr 2024 eröffnet werden

Nach gut fünf Jahren Bauzeit ragt der Rohbau des Garnisonkirchenturms in der Innenstadt bereits gut 50 Meter in die Höhe. Der neue barrierefrei erreichbare Aussichtsturm soll nach Angaben der Stiftung Garnisonkirche im Frühjahr 2024 eröffnet werden. Die gut 30 Meter hohe Turmhaube sei dann aber wohl noch nicht aufgesetzt, sagte die Vize-Kuratoriumsvorsitzende Ellen Ueberschär.

Auch für Ueberschär ist die Eröffnung des Turms im kommenden Jahr der entscheidende Schritt: Denn wichtiger als die touristische Nutzung als neuer Aussichtspunkt sei, dass man dann die Arbeit für Versöhnung, Frieden und Demokratie intensivieren könne, sagte Ueberschär. In einer Ausstellung im Turm solle die „ganze Geschichte der Garnisonkirche“ dargestellt und aufgearbeitet werden. „Das ist zum einen die Geschichte dieser Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus“, erläuterte sie. Daher werde es dieses Jahr zum 90. Jahrestag des „Tags von Potsdam“ eine Veranstaltung geben.

Der im Wiederaufbau befindliche Turm der Garnisonkirche, daneben das Rechenzentrum.

© Foto: Ottmar Winter

„Das ist zum anderen aber auch die gesamte Diskussion um Preußens Glanz und Gloria, um das Verhältnis von Militär und Gesellschaft, die hier stellvertretend geführt wird“, so Ueberschär. „Es geht um einen Lernort, der gerade die kritischen Aspekte aufnimmt, um heute Demokratieförderung zu ermöglichen. Und diese Zielrichtung entspreche doch genau der Forderung der Kritiker, sagte sie.

Der Wiederaufbau der Garnisonkirche an der Breiten Straße war von Anfang an umstritten: Seitdem 2004 mit dem „Ruf aus Potsdam“ um Unterstützung für das Projekt geworben wurde, gab es Widerstand von christlichen Gruppen und Bürger-Initiativen gegen die Rekonstruktion der einstigen Militärkirche. Denn dieser Symbolort des preußischen Militarismus und des Aufstiegs der Nationalsozialisten dürfe sich nicht wieder in der Potsdamer Innenstadt erheben, klagen die Kritiker. Dieses Jahr jährt sich zum 90. Mal der „Tag von Potsdam“, als am 21. März 1933 Reichspräsident Paul von Hindenburg dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler vor der Kirche die Hand reichte.

Adolf Hitler als Reichskanzler 1933 und der Reichspräsident der Weimarer Republik Paul von Hindenburg.

© dpa

Kritik hält geplante Ausstellung für ein Feigenblatt

Den Planungen der Stiftung widersprechen ihre Kritiker - so Philipp Oswalt, der mit der Martin- Niemöller-Stiftung seit langem gegen den Wiederaufbau der historischen Garnisonkirche kämpft. Oswalt ist Mitinitiator der Webseite „Lernort Garnisonkirche“ und hält die von der Wiederaufbau-Stiftung geplante Ausstellung für ein Feigenblatt.

„Diese 300 Quadratmeter Ausstellung im ersten Obergeschoss abseits der Haupt-Touristenströme ist ein Witz“, sagte der Dozent für Architektur. „Vom gesamten Bauvolumen gehen fünf Prozent in diese Ausstellungsfläche“. Für die Aufarbeitung der militaristischen und antidemokratischen Geschichte sei viel mehr Raum nötig, etwa anstelle der geplanten Kapelle, fordert Oswalt. „Kein Mensch braucht diese Kapelle, es gibt schon zu viel Kirchenraum.“

Architekturhistoriker Philipp Oswalt ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Lernorts Garnisonkirche.

© Andreas Klaer

Und die evangelische Kirche habe sich nicht mit ihrer eigenen Rolle in der Militärkirche auseinandergesetzt. „Wir sprechen über 200 Jahre kriegerisches, antidemokratisches Predigen“, kritisiert er. „Das war ja eine ganz toxische Melange aus Kirche, Militär und Staat.“ Es gebe auch keine Aufarbeitung der evangelischen Kirche zu dem kirchlichen Segen für Kolonial- und Angriffskriege. „Die haben sich ja - wie heute Islamisten sagen - als Gotteskrieger verstanden.“

Wichtig sei daher, dass der nun doch wiederaufgebaute Turm möglichst nackt ohne den einstigen Militärschmuck bleiben müsse, meint Oswalt - etwa wie die Ruine der Nachkriegszeit, die auf Geheiß der DDR-Führung 1968 gesprengt wurde. „Das heißt: Diese Trophäen, der Schmuck, die Wetterfahne und das Glockenspiel dürfen nicht realisiert werden - weil damit eben das Gebäude auch zum Symbol für den Geist von Potsdam und für diese militaristischen Traditionen steht.“

Initiative gegen die Garnisonkirche will „so unvollständigen Bau wie möglich“

Dem stimmt auch Sara Krieg von der Initiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche zu: „Was wir weiterhin machen können, ist eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen und immer wieder darzulegen, was das Problem ist mit diesem Bau “, sagte sie. „Und dazu beizutragen, dass die Stiftung keine Fördergelder mehr bekommt, dass sie keine Spenden bekommt, so dass dieser Bau so unvollständig wie möglich bleibt.“

Die Stiftung kalkuliert für den Turm weiterhin mit einem Budget von 40,5 Millionen Euro. Neben 25 Millionen Euro vom Bund hat die Evangelische Kirche ein zinsloses Darlehen in Höhe von fünf Millionen Euro und zuletzt noch mal knapp eine Million Euro Förderung für Betriebsausgaben gewährt. Hinzu kämen Spendengelder, erklärte die Stiftung. Wegen der gestiegenen Baupreise gebe es noch eine Finanzierungslücke von vier Millionen Euro. Daher konzentriere sich die Stiftung auf die Fertigstellung des Turms und stelle die Fertigstellung einiger Schmuckelemente zurück. (mit dpa)

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