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Einige Pflegeheime in Potsdam erhöhen den Eigenanteil, den Bewohner zahlen müssen.

© picture alliance/dpa / dpa/Oliver Berg

Sozialträger in Potsdam stark belastet: Erste Folgen der hohen Energiepreise

Pflegeheime erhöhen teils den Eigenanteil für Bewohner, Bürgerhäuser rechnen mit Mehrkosten für Beratung und Hilfe, Verbraucherberatung ist massiv nachgefragt.

Mit der geplanten Gaspreisbremse des Bundes kündigt sich zwar eine erste Entlastung für Verbraucher:innen bei hohen Energiepreisen an. Deren Auswirkungen aber betreffen viele Bereiche in Potsdam - auch die Pflegeheime und Bürgerhäuser. Verbraucherschützer sind bereits jetzt mit vielen Betroffenen in Kontakt und schlagen Alarm. Die PNN geben einen Überblick zur Lage.

Steigende Kosten in Pflegeheimen

Wegen der gestiegenen Energiepreise müssen zunehmend Pflegeheimbewohner mit steigenden Eigenanteilen rechnen. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) erhöht die Eigenanteile in den landesweit zehn Einrichtungen mit 850 Bewohner:innen, darunter auch das Haus Am Kahleberg in der Waldstadt, um 400 bis 800 Euro monatlich, wie Awo-Bezirkschefin Angela Schweers den PNN sagte. Die genaue Summe hänge von den Strom- und Fernwärmeverträgen der jeweiligen Einrichtung ab, Potsdam liege dabei nicht am oberen Ende, sagte Schweers. Die Bewohner seien bereits informiert.

Auch bei der Hoffbauer-Stiftung geht man von einer Erhöhung der Eigenanteile für die Seniorenpflege in den Häusern auf Hermannswerder und am Schloss Charlottenhof aus, sagte Hoffbauer-Vorstandschef Frank Hohn den PNN. Es sei derzeit aber unklar, wann und in welcher Höhe. Momentan befinde man sich noch in Verhandlungen mit den Pflegekassen. Für Strom fielen in den Hoffbauer-Einrichtungen zwar momentan noch keine Mehrkosten an, aber im Gasbereich sei das der Fall.

Im Alexianer Bürgerstift am Heiligen See und den übrigen Alexianer-Einrichtungen in Brandenburg und Berlin ist dieses Jahr unterdessen keine Anpassung der Heimkosten geplant, wie Sprecher Benjamin Stengl den PNN sagte. Für die Seniorenresidenz Heilig Geist hatte Geschäftsführer Hendrik Bössenrodt bereits im August erklärt, dass man bei weiter steigenden Strompreisen auch den Eigenanteil erhöhen müsse. Das Heim muss zum kommenden Jahr einen neuen Vertrag für die Energieversorgung schließen. Die Heimbetreiber Kursana und Vitanas reagierten bisher nicht auf PNN-Anfragen.

Mehrkosten und mehr Beratungsbedarf in den Bürgerhäusern

Mit Sorge sehen die kommunal geförderten Bürgerhäuser die Entwicklung. So erwägt das Haus der Begegnung in der Waldtstadt bereits die Erhöhung der Teilnahmegebühren, Bewirtungs- und Vermietungspreise ab Januar. „Unsere Öffnungszeiten wollen wir nicht einschränken, da wir davon ausgehen, dass der Bedarf an unserer Einrichtung mit ihren vielen kostenlosen Beratungsangeboten eher steigen wird“, sagte Hausleiterin Antoinette Fuchs. Schon jetzt zahle man bei der kommunalen EWP einen mehr als doppelt so hohen Energieabschlag, dazu kämen die Preissteigerungen in vielen anderen Bereichen. Das Rathaus habe zugesichert, dass zumindest die Kosten für Strom und Wärme „in unserem jährlichen Antrag auf Grundförderung berücksichtigt werden“, sagte Leiterin Fuchs.

Im Bürgerhaus am Schlaatz rechnet man mit höheren Energiekosten und mehr Beratungsbedarf. 
Im Bürgerhaus am Schlaatz rechnet man mit höheren Energiekosten und mehr Beratungsbedarf. 

© Ottmar Winter PNN

Auf schwierigere Zeiten stellt sich auch die Kubus-Gesellschaft ein, die den Treffpunkt Freizeit und das Bürgerhaus am Schlaatz betreibt. Man arbeite mit dem Rathaus an Lösungen, um Einschränkungen bei den Angeboten zu vermeiden, sagte Kubus-Chef Gregor Gierlich. Denn schon jetzt gehe man von allein nicht zu stemmenden Kostensteigerungen aus. Außer bei kommerziellen Nutzern könne man die höheren Kosten an Kinder, Familien oder Senioren nur eingeschränkt weitergeben.

Wir tauschen derzeit an allen Heizkörpern die Thermostate aus.

Kubus-Geschäftsführer Gregor Gierlich

Und gerade im Schlaatz müsse man sich auf zusätzliche Aufgaben einstellen, wie die Unterstützung der Tafel bei der Lebensmittelausgabe oder einen Anstieg von Beratungs- und Entlastungsbedarfen. Zum Energiesparen sei im Sommer schon im Treffpunkt Freizeit die Deckenbeleuchtung im Theatersaal getauscht worden, so dass hierfür nur noch ein Drittel des Stromes benötigt wird. „Und wir tauschen derzeit an allen Heizkörpern die Thermostate aus“, so Gierlich. Weitere Maßnahmen seien in Abstimmung.

Daniel Beermann vom Verein Soziale Stadt, der zum Beispiel das Friedrich-Reinsch-Haus am Schlaatz betreibt, kündigte ein gemeinsames Vorgehen der Bürgerhäuser an. Man wolle sich vernetzen und Angebote wie die Schuldnerberatung oder andere Hilfestellungen auf einem Handzettel bündeln.

Angela Schweers, die Potsdamer Awo-Chefin
Angela Schweers, die Potsdamer Awo-Chefin

© Andreas Klaer

Auch Awo-Bezirkschefin Angela Schweers mahnt, Beratungs- und Hilfsangebote für Familien müssten jetzt „schnellstmöglich ausgebaut werden“. Die Nachfrage nach Unterstützung auch von Menschen, die bislang noch nicht in finanzieller Not waren, steige in den Awo-Einrichtungen wie dem Büro Kindermut bereits. „Beratungsstellen müssen ganz schnell mit Informationen, Personal und Geld ausgestattet werden“, sagte sie den PNN.

Große Beratungsbedarf in den Verbraucherzentralen

Wie groß der Beratungsbedarf ist, merken die Verbraucherzentralen schon länger. Die Potsdamer Filiale am Hauptbahnhof besuchte auch deshalb am Montagmorgen die Potsdamer Grünen-Bundestagsabgeordnete und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Sie ließ sich von Verbraucherschützern, Energieberatern und Juristen vor Ort schildern, mit welchen Problemen Potsdamer:innen und Brandenburger:innen derzeit Rat suchen und wie ihnen geholfen werden kann.

Es gehe vor allem um die erheblichen Preissteigerungen in fast allen Lebensbereichen, um massive Abschlagserhöhungen beim Gas, um ungewollte Kündigungen von Energieversorgern oder untergeschobene Verträge, berichteten Christian A. Rumpke, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Brandenburg, und sein Team. Die Verunsicherung der Menschen sei groß, teilweise seien sie verzweifelt. Viele könnten die aktuellen Probleme kaum stemmen.

Dem entsprechend habe die Nachfrage nach Beratung enorm zugenommen. In neun Monaten dieses Jahres habe die Verbraucherzentrale Brandenburg bereits etwa so viele Beratungen durchgeführt wie im gesamten Jahr 2021 - die Hälfte davon zu Energieverträgen oder dem Energiesparen.

Nach ihrem einstündigen Besuch, bei dem sie viel zuhörte, und Nachfragen auch im Detail stellte, dankte Baerbock den Verbraucherberater:innen für ihre Arbeit. Diese sei derzeit besonders wichtig für viele Menschen in Brandenburg.

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