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Schwieriges Miteinander: Das Rechenzentrum an der Breiten Straße, daneben der Turm der Garnisonkirche.

© Elias Franke

Update

Neue Wendung in Debatte um Garnisonkirche: Rechenzentrum steigt aus Kompromiss-Prozess aus

Nach dem Beschluss der Stiftung Garnisonkirche vom Wochenende reicht es den Kreativen in dem Potsdamer Künstlerhaus: Sie wollen an keiner Machbarkeitsstudie mehr mitwirken.

| Update:

Der Kompromisskurs von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) in Sachen Garnisonkirche steht vor dem Scheitern: Die Nutzer des Rechenzentrums haben sich gegen eine weitere Beteiligung an der Machbarkeitsstudie zum sogenannten „Forum an der Plantage“ entschieden. Grund seien die von der Stiftung Garnisonkirche am Wochenende gestellten Bedingungen für den von Schubert vorangetriebenen Prozess.

Den Schlussstrich verkündete das Kreativhaus am Dienstag nach einer Vollversammlung, bei der gegen eine weitere Zusammenarbeit votiert wurde. Von den „ursprünglichen Voraussetzungen“ für den gemeinsamen Prozess sei nur wenig übrig, es sei „keine Ergebnisoffenheit“ erkennbar. 

Attackiert wird insbesondere die Forderung, für einen Neubau zwischen Rechenzentrum und dem neuen Turm der Garnisonkirche müsse die Kubatur des einstigen Kirchenschiffs „Ausgangspunkt der Überlegungen sein“. Das widerspreche der ursprünglichen Intention, erst mögliche Inhalte zu klären und dann die bauliche Form. So sei auch der vollständige Erhalt des Rechenzentrums, das sich mit einer Gebäudeecke auf dem früheren Areal des Kirchenschiffs befindet, nicht mehr möglich, kritisieren die Nutzer.

In einem Grundsatzbeschluss vom Januar vor einem Jahr hatten sich die Stadtverordneten noch für einen weitgehenden Erhalt des Künstlerhauses ausgesprochen – und für eine Machbarkeitsstudie samt Arbeitsgruppen, um eine Idee für das gesamte Umfeld des Turms zu entwickeln. Auch als Schubert mit Vertretern von Stiftung und Rechenzentrum im Dezember 2021 die Kompromissidee für den Standort verkündete, war noch von einem „weitgehenden oder vollständigen Erhalt“ des Baus die Rede, erinnerten die Nutzer.

Die GK-Stiftung will mit dem lebendigen Wirken von über 300 Menschen aus dem RZ offenbar nichts zu tun haben.

Aus der Erklärung des Rechenzentrums

Doch das Rechenzentrum glaubt daran nicht mehr. Denn mit den Beschlüssen des Stiftungskuratoriums vom Wochenende werde „eine umfängliche Distanz aufgebaut“ – etwa mit dem Satz: „Ein angemessener Abstand zur Nachbarbebauung (RZ) muss gewährleistet sein“. Die Stiftung wolle also „mit dem lebendigen Wirken von über 300 Menschen aus dem Rechenzentrum offenbar nichts zu tun haben“, so die Interpretation der Nutzer. Für Irritationen sorgt ferner der Passus, „die touristische Attraktivität des Turmes“ dürfe durch die Bebauung und deren Funktion „nicht beeinträchtigen werden“.

Aus Sicht des Rechenzentrums stellen sich dazu mehrere Fragen: „Wer legt fest, was touristisch – und für die Bewohner:innen von Potsdam – attraktiv ist? Kann es nicht gerade auch das enge Nebeneinander der verschiedenen Inhalte, Nutzungsformen und Zeitschichten sein? Oder geht es eben doch nur darum, barocke Fassade ohne Brüche zu präsentieren?“

Unter diesen Vorgaben werde man nicht mehr an der Machbarkeitsstudie mitwirken, so die Nutzer des Rechenzentrums. Die Frage sei nun: „Warum sollte die Landeshauptstadt dafür viel Geld ausgeben, wenn die Stiftung Garnisonkirche im Vorfeld schon so viele einschränkende Bedingungen festschreibt?“

Eigentlich sollten die Stadtverordneten am 1. März über den Start dieser Machbarkeitsstudie entscheiden - das wird nach PNN-Informationen nun auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Beschlusslage vor dem besagten Votum vor einem Jahr war, dass der nun als Künstlerhaus genutzte DDR-Bau gänzlich abgerissen werden muss.

Rathauskooperation ruft zu Dialog auf

In einer ersten Reaktion teilte die rot-grün-rote Rathauskooperation mit: „Wir halten es für falsch, an dieser Stelle aufzugeben.“ Deshalb fordere man den Oberbürgermeister, die Nutzer des Rechenzentrums und die Vertreter der Stiftung auf, noch einmal an den Tisch zurückzukehren und mit Unterstützung einer neutralen Moderation Möglichkeiten auszuloten, den Dialog fortzusetzen.

Sozial.Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg sagte, seine Prämisse bleibe ein dauerhafter Erhalt des Rechenzentrums. Der Ausstieg aus dem gemeinsamen Prozess erschwere das enorm. Er könnte „nur an die Beteiligten appellieren, die Tür zum Dialog nicht zuzustoßen“, so Wollenberg.

SPD-Fraktionschefin Sarah Zalfen.

© Andreas Klaer

Offenbar führe „die über Jahre bestehende Konfrontation und das tief verwurzelte Misstrauen zu breiten Interpretationsspielräumen in Bezug auf den Beschluss des Kuratoriums“, meinte wiederum SPD-Fraktionschefin Sarah Zalfen. Sie warb ebenfalls für weitere Verhandlungen.

Oberbürgermeister Schubert selbst sprach sich gegenüber den PNN für eine Fortsetzung des Dialogs mit allen Beteiligten aus: „Der Versuch, doch noch eine gemeinsame Aufgabenstellung zu finden, lohnt im Sinne einer vielschichtigen Stadtgesellschaft und ich hoffe, dass die Einladung zu einem Gespräch hierzu nicht ausgeschlagen wird“, sagte er auf PNN-Anfrage.

Geäußert hat sich auch die Fraktion Die Andere via Twitter - sie sprach hingegen von einer guten Entscheidung der Nutzer des Rechenzentrums. Die Andere werde nun weiter für vollständigen Erhalt des Rechenzentrums und „für einen möglichst unvollständigen Aufbau von Turm und Schiff der Garnisonkirche“ kämpfen.

Die Beschlüsse der Stiftung hatten allerdings auch bei den Anhängern eines originalen Kirchenschiffs für Irritationen gesorgt. So will die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau am 28. Februar eine Sondersitzung mit der Stiftungsspitze abhalten. Das Ziel: „Herauszuarbeiten, wie die getroffenen Entscheidungen mit den Satzungen und dem eigentlichen Stiftungszweck vereinbar sind.“ Die Entscheidungen des Kuratoriums hatte die Fördergesellschaft abgelehnt.

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