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Eine Ikone. Ronald Rauhe nimmt zum 15. Mal an einer Kanu-WM teil. Bislang holte er 14-mal Gold.

© Soeren Stache/dpa

Potsdam und die Kanu-WM 2018: "Es ist das Härteste in meiner Karriere"

Mit fast 37 Jahren zählt Potsdams Kajak-Ikone Ronald Rauhe weiterhin zur Weltspitze. Vor der Kanu-WM in Portugal spricht er über die neue Herausforderung im Vierer, den Kampf um den Thron und die Erfüllung ohne Paddeln.

Von Tobias Gutsche

Herr Rauhe, sind Sie mit der TV-Erfolgsserie „Game of Thrones“ vertraut?

Ich weiß, dass es diese Serie gibt. Aber worum es da geht, weiß ich nicht. Beim Inhalt bin ich überhaupt nicht sattelfest. Doch ich glaube zu verstehen, worauf die Frage abzielt.

Auf die am Donnerstag beginnende Kanu-Weltmeisterschaft in Portugal?

Genau.

Die Veranstalter haben ein Kurzvideo zur Einstimmung auf das Event im Stile der Serie gestaltet. Unter dem Titel „Game of Canoeing“, Spiel des Paddelns.

Der Trailer hat mir super gefallen. Eine sehr originelle Idee, die definitiv Lust auf unsere WM macht.

Auf den Thron paddeln – das ist Ihr Ideal?

Natürlich, dafür bin ich Leistungssportler durch und durch. Wenn ich bei einem Wettkampf antrete, dann ist der Sieg, die Goldmedaille immer mein Ziel. 

Bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr ist Ihnen das mit dem Kajak-Vierer über 500 Meter gelungen. Es war Ihr erster WM-Titel seit 2009. Welche Bedeutung hatte diese Rückkehr an die Spitze?

Das war für mich nicht nur ein wichtiger Erfolg, weil ich mal wieder ganz oben stehen durfte. Es war vor allem eine Bestätigung und Bestärkung dafür, den richtigen Weg zu beschreiten.

Ursprünglich hatten Sie nämlich geplant, Ihre glorreiche Karriere 2017 ausklingen zu lassen. Doch dann?

Dann wurde der Kajak-Vierer über 500 Meter für die Sommerspiele 2020 neu ins Olympiaprogramm aufgenommen. Darin habe ich für mich eine unfassbar reizvolle Herausforderung erkannt. Dass wir dann gleich als deutsches Team Weltbestzeit fahren und Weltmeister werden, hat mir die entscheidende Motivation gegeben, um zu sagen: Ich möchte in Tokio zum sechsten Mal an Olympischen Spielen teilnehmen.

Die 500 Meter waren einst Ihre Paradestrecke, dann flog sie aus dem Olympiaprogramm und wurde durch den 200-Meter-Sprint ersetzt. Dem widmeten Sie sich daraufhin. Nun müssen Sie wieder für den halben Kilometer trainieren. War die Umstellung problematisch?

Sie macht es doch gerade so spannend. Meine Aufgabe ist es, die Sprintqualität beizubehalten und sie möglichst in der Belastungsdauer zu verlängern. Auf jeden Fall kann ich versichern: Der 500-Meter-Vierer ist das Anstrengendste, das Härteste, was ich bisher in meiner Karriere gefahren bin.

Warum?

Es ist diese extreme Intensität. Wir fahren mit hoher Frequenz, haben nur ganz kurze Kontaktzeiten mit dem Paddel im Wasser und müssen dabei hohe Kräfte erzeugen. Ein Vollsprint über eineinhalb Minuten. Das ist brutal.

Und das muten Sie sich mit Ihren fast 37 Jahren zu. Sind Sie in einen Jungbrunnen gefallen?

Schön wär’s (lacht). Natürlich ist das eine Herausforderung. Aber ich trainiere gut, fühle, dass ich durch mein Alter nicht limitiert bin. Wenn es so wäre, würde ich die Konsequenzen ziehen. Ich spüre aber, dass ich auch bis 2020 noch in Bestform sein kann. 

Auf dem Weg dorthin ist schon wieder die Halbzeit erreicht.

Das ist erschreckend, wie die Zeit rennt. Und es ist noch erschreckender, wenn man weiß, dass dann das endgültige Ende wartet. Daher gucke ich noch genauer auf die Zeit. Mir ist bewusst, dass ich jetzt nichts mehr liegenlassen darf, mir keine Fehler erlauben kann.

Sie werden nunmehr Ihre 15. Weltmeisterschaft bestreiten. Mit welchen Gefühlen reisen Sie nach Portugal?

Ich bin positiv gestimmt, aber bin mir im Klaren, dass wir mit dem Vierer vor einer großen Aufgabe stehen. Wie bei der EM dieses Jahr, als wir hauchdünn Zweiter hinter Spanien geworden sind, erwarten wir wieder eine ganz enge Kiste im Kampf um die Medaillen. Im Vorfeld der WM lief es bei uns nicht hundertprozentig rund, aber als Kollektiv kriegen wird das jetzt hin.

Was zeichnet Ihr Quartett aus?

Verschiedene Spezialisten kommen zusammen. Max Rendschmidt und Tom Liebscher sind ausdauerstark, Max Lemke und ich bringen vor allem die Sprinterqualität ein. Dadurch ist das ein sehr gut ausbalanciertes Boot. Wir erleben auf der Strecke kein Loch.

Loch ist das Stichwort für ein anderes Thema. Im Gespräch mit der „Welt am Sonntag“ wurden Sie zum persönlichen Absturz von Ex-Radstar Jan Ullrich befragt. Wie ergeht es Ihnen, wenn Sie sehen, dass ein ehemaliger Top-Athlet in ein solches Loch fällt?

Mich macht das sehr traurig. Als Leistungssportler haben wir doch alle die gleichen Ideale, müssen ähnliche Voraussetzungen erfüllen, um erfolgreich zu sein. Dass Leuten dann die für sie einst so wichtige Selbstdisziplin und Selbsteinschätzung verloren geht, ist schrecklich. 

Sie meinten, Sie seien dafür nicht gefährdet. Warum?

Weil ich Kanute nie in Sphären war wie ein Jan Ullrich. Weil ich mich auf die Zeit nach meiner Sportkarriere riesig freue. Da kommen wunderbare Dinge auf mich zu: die viele Zeit mit meiner Frau und meinen Söhnen, aber auch die Arbeit. Ich werde auch ohne ständiges Paddeln Erfüllung finden.

Sie sind seit vielen Jahren Sportsoldat und Sportmarketingstudent an der Universität Potsdam. Auch engagieren Sie sich sozial und politisch. Ein Praktikum in Brandenburgs Staatskanzlei liegt hinter Ihnen. Wo geht es nach Olympia 2020 beruflich hin? 

Meine Uni-Abschlussarbeit ist endlich abgabebereit. Das ist ein großer Schritt für mich. Und dann hoffe ich, dass ich ab 1. Januar oder 1. Februar 2019 einen Arbeitsvertrag in der Staatskanzlei habe. Für diese Perspektive bin ich sehr dankbar.

Und solange Sie noch Elite-Kanute sind, streben Sie im Spiel des Paddelns nach dem Thron?

Anders kann ich doch gar nicht (lacht).

ZUR PERSON:
Ronald Rauhe (36) ist seit 1999 Mitglied der deutschen Kanu-Nationalmannschaft. Der in Falkensee lebende Kajakfahrer des KC Potsdam gewann vier Olympiamedaillen (einmal Gold) und ist 14-facher Weltmeister.

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