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ARCHIV - 10.09.2019, Brandenburg, Potsdam: Sebastian Walter, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, spricht während einer Pressekonferenz im Landtag. Die Linke-Fraktion im Brandenburger Landtag hat den von der künftigen rot-schwarz-grünen Koalition geplanten Milliardenkredit für Investitionen in die Infrastruktur scharf kritisiert. Foto: Monika Skolimowska/zb/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Monika Skolimowska

Partei in der Krise: Brandenburgs Linke sucht vor der Landtagswahl nach Chancen

Noch ein Jahr ist es bis zur Landtagswahl in Brandenburg und die Linke steckt in einer tiefen Krise. Mit nicht ganz neuen Vorschlägen versucht Landes- und Fraktionschef Sebastian Walter, der Partei ein neues Image zu verpassen.

Auf dem Logo, das der Landes- und Fraktionsvorsitzende der Brandenburger Linken, Sebastian Walter, am Mittwoch im Presseraum des Potsdamer Landtags in die Höhe hält, steht: „Gut für Brandenburg“. Dazu zeigt es das Bild eines stilisierten, roten Adlers. Ein Jahr vor der Landtagswahl will sich Brandenburgs Linksfraktion ein neues Image geben: Man will wieder stärker zur Kümmerer-Partei werden. 

„In Potsdam wird eine Politik gemacht, die wenig mit der Realität der Menschen zu tun hat“, sagt Walter, dessen Partei in Brandenburg von 2009 bis 2019 an der Regierung beteiligt war. „Die Sorgen und Nöte der Menschen haben zugenommen: Die Mieten steigen immer weiter, der Mangel an Fachärzten nimmt immer weiter zu.“ Vor allem aber fehle den Menschen ein Gefühl der Anerkennung. „Was die Menschen erwarten, sind konstruktive Lösungen“, sagt Walter. „Wir wollen sagen, was gut ist für Brandenburg.“ Man wolle eine starke Gemeinschaft, die auf Solidarität beruhe. 

Neu freilich wirken die Vorschläge, die der Fraktionsvorsitzende anschließend macht, indes nicht: Wie bei vielen Pressekonferenzen der Linken im Potsdamer Landtag geht es auch dieses Mal vor allem darum, Gelder neu zu verteilen. Walter schlägt ein Brandenburger Solidaritätsgesetz vor: Man wolle an 44 Orten im Land flächendeckend soziale Beratungsstellen finanzieren. Die Frauenhäuser, die offene Seniorenarbeit und die Jugendarbeit sollen institutionell gefördert werden. Und für jede Tafel im Land soll es jedes Jahr 100.000 Euro geben.

„Wir würden 35 Millionen Euro pro Jahr dafür aufwenden“, rechnet Walter vor. „Der Landeshaushalt hat derzeit ein Volumen von 16,4 Milliarden Euro im Jahr, das wären also 0,21 Prozent.“ Die Gelder seien vorhanden: Man wolle alle heute schon bestehenden Förderprogramme in einem Gesetz zusammenführen und dabei vor allem im Bereich der Verwaltung und der Bürokratie einsparen. 

Kaum noch Zuspruch für die Linke

Doch dass die Kenia-Koalition so einem Gesetzesentwurf am Ende zustimmt, ist extrem unwahrscheinlich. Brandenburgs Linke ist seit 2019 in der Opposition, und es spricht nur wenig dafür, dass sich das im kommenden Jahr irgendwie ändern könnte. „Mir geht es nicht um eine Regierungsbeteiligung“, sagt Walter gleich mehrfach. „Wir wollen unsere Arbeit weiter im Land bekannt machen.“

Dass es daran krankt, musste Walter in den letzten Monaten gleich mehrfach feststellen: Zu Veranstaltungen der Linken kommen oft nur wenige Dutzend, meist ältere Genossen. Und als man Anfang Juli 170.000 Postkarten für den Protest gegen die Sparkassenschließungen im Land drucken ließ, gingen davon am Ende nur knapp 1600 bei der Staatskanzlei ein – also deutlich weniger, als die noch rund 4500 Genossen zählende Partei selbst Mitglieder hat.

„Die geringe Anzahl ist nicht so schlimm, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass alle 170.000 diese Karten schicken“, sagt Walter. „Aber ich bin Vorsitzender einer Fraktion und einer Landespartei, der von Beginn an gesagt wird, dass sie bald untergehen wird.“

Immer wieder betont der Fraktionsvorsitzende, dass es der Linken um all jene Menschen im Land gehe, die sich enttäuscht von der Politik abgewandt hätten. Nur ein Drittel der Ostdeutschen habe noch Vertrauen in die Demokratie. „Dann ist es die Aufgabe der Linken, dass wir die Ängste dieser Menschen nicht einfach abtun.“

Wagenknecht-Streit belastet auch Landespartei

Das freilich versucht auch Sahra Wagenknecht. Doch die immer wieder angedeuteten Pläne der Bundestagsabgeordneten zur Gründung einer eigenen Partei geißelt Walter scharf. „Ich sehe keine Grundlage für eine Wagenknecht-Partei in Brandenburg“, so Walter. „Ich sehe auch bundesweit keine Grundlage.“ Der Streit mit der Abgeordneten indes schade der Linken: „Der Konflikt in der Partei und die Egotrips einzelner sind massiv belastend“, sagt Walter. „Wenn Sahra Wagenknecht eine andere Partei gründen will, soll sie es tun, aber ihr Mandat zurückgeben, wenn sie nicht bereit ist, innerparteiliche Diskussionen zu führen.“ 

Noch während Walter spricht, vibrieren die Mobiltelefone der anwesenden Journalisten. Aus dem nahen und in Potsdam manchmal doch so fernen Berlin kommt eine Eilmeldung: Dietmar Bartsch werde nicht wieder als Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag antreten. Walter reagiert sofort: „Ich bin sehr überrascht und bedauere die Entscheidung – er ist der Mann mit der meisten Erfahrung“, formuliert der Fraktionschef frei und sichtbar unvorbereitet. „Jetzt ist der Weg frei für eine Neuausrichtung der Bundestagsfraktion – auch diese Chance muss man nutzen.“ Und unausgesprochen steht in diesem Moment ein Satz im Raum: Denn viele Chancen haben die Linken nicht mehr, weder im Bund noch im Land Brandenburg.

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