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Sebastian Walter, Brandenburgs Linke-Chef

© dpa / dpa/zb/Monika Skolimowska

„Gegenmodell zur AfD“: So will sich die Linke für die Brandenburg-Wahl 2024 aufstellen

Die rechtsextreme AfD hat bei 35- bis 49-Jährigen mit 54 Prozent ihr größtes Wählerpotential – so viel wie keine Partei in Brandenburg. So wollen die Linken darauf reagieren.

Brandenburgs Linke bereitet eine Neupositionierung vor, um zur Landtagswahl 2024 verlorenes Terrain wiederzugewinnen – und auf den dramatischen Vormarsch der Rechten in die Mitte der Brandenburger Bevölkerung zu reagieren. Denn der ist weiter vorangeschritten als bislang bekannt. Das geht aus einem dieser Zeitung vorliegenden Strategiepapier von Fraktions- und Parteichef Sebastian Walter unter dem Titel „Neuer demokratischer Aufbruch“ hervor, in das bislang unbekannte Detailergebnisse einer repräsentativen Umfrage und Demoskopie-Analyse zur Stimmung im Land eingeflossen sind.

Nach dieser Erhebung des Instituts IFM Berlin vom Anfang Juni, nach der die AfD bei der Sonntagsfrage mit 28 Prozent stärkste Kraft vor der SPD mit 23 Prozent wäre, hat die rechtsextrem-rechtspopulistische Partei für die Brandenburg-Wahl 2024 mittlerweile bei den 35- bis 49-Jährigen ihr größtes Wählerpotenzial: 54 Prozent könnten sich vorstellen, die AfD zu wählen.

„Für demokratische Parteien ist diese Altersgruppe indes kaum noch erreichbar. BrandenburgerInnen aus dieser Kohorte haben größtenteils die Nachwendewirrungen als Jugendliche oder junge Erwachsene erlebt“, heißt es in dem Linke-Strategiepapier. „Neuen Veränderungen stehen sie aus dieser Erfahrung entschieden ablehnend bis aggressiv gegenüber.“

Nur 19 Prozent dieser Altersgruppe – im vollen Berufsleben – würden die SPD wählen, die Brandenburg seit 1990 regiert. Die AfD sei erfolgreich, weil sie den Menschen eine spezifische Form der Rückversicherung vorgaukle, nach dem Motto: „Ihr müsst Euch nicht verändern. Ihr könnt weiter Fleisch essen, mit Öl heizen, zum Fasching als Indianer kommen.“

AfD-Wählerpotenzial bei bis zu 32 Prozent

Insgesamt wird das mögliche Wählerpotenzial der AfD bei bis zu 32 Prozent, der SPD bei bis zu 38 Prozent, der CDU bei bis zu 29 Prozent eingeschätzt. Die Linken könnten demnach bis zu 23 Prozent erreichen, die Grünen maximal 17 Prozent, die Freien Wähler 18 Prozent und die FDP 13 Prozent.

Vieles ist in Bewegung, die Stimmung schlecht. Nach der IFM-Umfrage sind 70 Prozent der Brandenburger mit der Bundesregierung und 51 Prozent mit der Landesregierung unzufrieden. „Die Landespolitik als Ganzes befindet sich zunehmend in einer Wahrnehmungskrise, sie wirkt weit weg vom täglichen Leben und den Problemen der Menschen“, heißt es in dem Papier.

Als Paradebeispiel für bürgerferne, ungerechte Politik gelte inzwischen Tesla. Hier habe sich bei Befragten gezeigt: „Schnelle Entscheidungen sind möglich, wenn Politik es möchte, allerdings zulasten der Bevölkerung.“ Gewarnt wird vor jedweder Beteiligungssimulation: „Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, wann ihre Meinung tatsächlich zählt und wann eine Entscheidung ohnehin längst gefällt ist.“

70
Prozent der Brandenburger sind laut einer Umfrage mit der Bundesregierung unzufrieden.

Dieser Erschütterung, diesem Grundtrend samt lädiertem Vertrauen in Institutionen, wollen die Linken eine andere demokratische Kultur entgegensetzen, mit einer anderen, selbstkritischeren Fehlerkultur, der Anerkennung statt des Kleinredens von Problemen, mit Augenhöhe, einer größeren Nähe: „Es herrscht das Gefühl vor, dass sich alle Parteien – mit Ausnahme der AfD – aus der Fläche des Landes zurückgezogen haben“, heißt es im Papier.

Zur Neuausrichtung der Linken, die in der Sonntagsfrage bei 13 Prozent lag, werden mit Blick auf den Landtagswahlkampf 2024 folgende Prämissen formuliert: „Mit dem Fokus auf Konstruktivität und Lösungsorientierung sind wir damit das oppositionelle Gegenmodell zur AfD“, so das Papier. „Mit der Absage an jegliche Zusammenarbeit und Normalisierung ist unser Ansatz damit der Gegenentwurf zur Strategie der CDU.“

Inhaltlich wollen sich die Linken, die von 2009 bis zur Wahlniederlage 2019 das Land in einem rot-roten Bündnis mitregiert hatten, gestützt auf die Umfrage auf „als besonders drängend empfundene alltagsrelevante soziale Fragen“ fokussieren: „Höhere Löhne, Arbeit, die zum Leben passt, bezahlbare Mieten, mehr Fach- und Hausärzte, weniger Unterrichtsausfall durch mehr Lehrkräfte, genügend Kita-Plätze, ein besseres ÖPNV-Angebot.“ Anders als die AfD wolle die Linke den Menschen keine Illusionen machen. „Veränderung ist notwendig – auch damit wir weiterhin so leben können, wie wir es gewohnt sind.“ Doch nötig seien dafür „soziale Garantien“.

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