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FDP-Chef Christian Lindner in Oldenburg.

© imago/Eibner / IMAGO/Eibner-Pressefoto/Fabian Steffen

Vor den Landtagswahlen: Der zähe Kampf der FDP in Niedersachsen

In Niedersachsen müssen die Liberalen um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Die Ampel ist bei den Anhängern unbeliebt. Doch derzeit ist das Bündnis alternativlos. 

Es regnet. Es ist Freitagnachmittag in Oldenburg, Wahlkampfauftakt der FDP in Niedersachsen, der Wind weht, es ist kalt. Das ist Pech, man kann das Wetter nicht planen. Es passt trotzdem zur Lage der FDP. Eine kleine Bühne haben sie aufgebaut, davor sind Absperrgitter, zu nah will man das Publikum nicht an die Bühne lassen, eine Sicherheitsvorkehrung.

Kein Wunder, sie sind alle gekommen: Die Coronaleugner, die Antifa, die letzte Generation, ein paar Rechte, Befürworter der Cannabislegalisierung, weit hinter der Bühne steht Fridays for Future. Von weit links bis weit rechts eint die Demonstranten, dass sie FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner zeigen wollen, wie unzufrieden sie sind. Mit ihm, seiner Politik, und der FDP.

Die FDP muss viel aushalten im Moment. In bundesweiten Umfragen liegen sie nur noch bei sieben Prozent. Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein im Mai haben sie im Vergleich zur vorangegangenen Wahl über fünf Prozentpunkte verloren, in Nordrhein-Westfalen waren es sogar 6,7 Prozentpunkte. Im Saarland verpassten sie zum dritten Mal in Folge den Einzug ins Landesparlament.

In Niedersachsen wird am 9. Oktober gewählt, es droht der nächste Flop. Laut Umfragen liegen sie bei sechs bis sieben Prozent. Sieben Prozent wären gut, alles darunter verkraftbar. Aber ganz sicher, dass sie wieder in den Landtag einziehen werden, können sie nicht sein. Rauszufliegen wäre für die FDP ein Desaster. Es würde die Ampel-Koalition mit SPD und Grünen in Berlin noch schwieriger machen, die Unzufriedenheit der eigenen Leute würde noch größer.

Sie wollten nicht, sie mussten

Lindner steht auf der Bühne in Oldenburg und redet gegen den Niedergang an. Die Ampel sei nicht die „Wunschkoalition“ der FDP gewesen, Grüne und SPD seien linke Parteien, die FDP „freiheitsliebend“. „Das liegt schon deutlich auseinander“, sagt er. Weil die Union nach der Wahl aber nicht regierungsfähig gewesen sei, hätten „die politischen Realitäten uns zusammengebracht in dieser Ampel-Koalition“. Sie seien sie eingegangen, weil die Realität „es erfordert“ habe. Sie wollten nicht, sie mussten aber, so klingt es.

Was sie auch nicht wollten, aber mussten: Innerhalb weniger Monate drei Entlastungspakete schnüren, um die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, die steigenden Energiekosten und die Inflation, abzufedern. Die Regierung bringt dafür riesige Summen auf, insgesamt rund 95 Milliarden Euro, zusätzlich zu den 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr.

Es liegt an dem Konstrukt Sondervermögen, dass die Schuldenbremse für das Jahr 2023 überhaupt eingehalten werden kann. Für die FDP ist die Schuldenbremse identitätsstiftend, besonders transparent ist die Finanzierung der Ampel-Vorhaben derzeit aber nicht.

Verregneter Wahlkampfstart: FDP-Chef Christian Lindner in Oldenburg

© imago/Eibner / IMAGO/Eibner-Pressefoto/Fabian Steffen

Besonders ärgerlich ist das für FDP-Wähler, denen eine solide Finanzierung traditionell wichtiger ist als Wählern von Grünen und SPD. Dazu kommt die Angst des Mittelstands vor einer Insolvenzwelle. Später als für die Privathaushalte versprach die Regierung zusätzliche Hilfen für Unternehmen, kommuniziert wurden sie von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Keine einfache Situation für die Unternehmer-Partei FDP.

Die Liberalen haben Angst, im Ampelbündnis zerrieben zu werden. Das Trauma von 2013, als sie nach der schwarz-gelben Koalition aus dem Bundestag flogen, sitzt tief. Deswegen, so der Eindruck, müssen sie im Ampel-Bündnis erkennbar bleiben. Das ist nicht einfach, auch weil es ihnen mitunter schwerfällt, ihre Erfolge zu kommunizieren. 

Ein Beispiel: Von allen Koalitionspartnern wird ihnen am wenigsten Kompetenz bei sozialer Gerechtigkeit zugesprochen. Dabei war es die FDP, die die Inflationsausgleichsmaßnahmen für die Mitte der Gesellschaft in das dritte Entlastungspaket hineinverhandelte. Fraglich nur, ob die Wählerinnen und Wähler das als Leistung der FDP anerkennen.

Es sind auch eigene Fehler, die es der FDP derzeit schwermachen. Das Neun-Euro-Ticket bezeichnete Lindner Anfang August als Ausdruck einer „Gratismentalität“, es sei „nicht finanzierbar, nicht effizient und nicht fair“ schrieb er auf Twitter. Der FDP-Chef bediente damit alte Vorurteile: Der Porsche-Fan Lindner warf der Omi mit der kleinen Rente „Gratismentalität“ vor. Es kam nicht gut an.

Atomkraft als Hoffnungsschimmer

Nun wollen sie sich auf die Sacharbeit konzentrieren. In einem Papier, das am Montag vom Präsidium beschlossen werden soll und über das die dpa am Sonntag berichtete, fordern die vier FDP-Minister der Ampel-Koalition das Land deutlich schneller zu modernisieren. „Zukunftsfähige Infrastruktur“ solle als „Staatsziel im Grundgesetz“ verankert werden. Bahnbrechend sind die Forderungen nicht, sie wirken eher wie der Versuch, FDP-Zielen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Ein Thema gibt es, an das die Liberalen gerade ihre Hoffnungen klammern: Die Debatte um die drei Atomkraftwerke, die derzeit noch am Netz sind, und eigentlich Ende des Jahres abgeschaltet werden sollen. Seit Wochen werben sie für eine begrenzte Verlängerung der Laufzeiten wegen der Energiekrise.

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Auch in Niedersachsen steht ein solches Kraftwerk, das Atomkraftwerk Emsland. Wirtschaftsminister Habeck will es Ende des Jahres abschalten. „Wahlkampfhilfe für den niedersächsischen Grünen-Landesverband“, urteilte der Spitzenkandidat der FDP in Niedersachsen, Stefan Birkner, jüngst im „Spiegel“. Der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle sagte dem Tagesspiegel, die Vorschläge der FDP kämen bei vielen Menschen gut an.

Der Landesverband will jetzt Postkarten verteilen, auf denen steht: „Wohlstand retten - Rot-Grün verhindern“. In Oldenburg sagt Lindner, es öffne sich „gerade das Feld“. Der Regen hat kaum nachgelassen, aber die Menschen, die gekommen sind, um Lindner zu hören sind zum größten Teil geblieben. Lange sei man von einer Zweier-Koalition ausgegangen, Rot-Grün, Rot-Schwarz, möglicherweise Schwarz-Grün.

Bislang wird Niedersachsen von einer Großen Koalition unter SPD-Führung regiert. „Es ergibt sich ein neues Momentum“, sagt Lindner. Deswegen sei es so wichtig, dass die FDP-Sympathisanten einen „Rutsch nach links“ verhinderten. „Denn es ist besser, aus der Mitte zu regieren, als von außen zu beobachten, wie das Land nach links rückt“, ruft er. Es ist seine Rechtfertigung.

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