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Zurück zur Schuldenbremse? Christian Lindner ist dagegen.

© dpa / Michael Kappeler

Finanzierung der Entlastungspakete: Lindner hält trotz Krise an Einhalten der Schuldenbremse 2023 fest

Drei Entlastungspakete hat die Ampel-Koalition auf den Weg gebracht, bei der Finanzierung tun sich Gräben auf. Die Schuldenbremse wird wieder in Frage gestellt.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hält trotz der Energiekrise an der Schuldenbremse für 2023 fest. „Wir sind in einer Inflation“, sagte der FDP-Chef am Sonntagabend in der ARD. Mit ihrer historischen Zinserhöhung von zuletzt 0,75 Prozentpunkten habe die Europäische Zentralbank (EZB) ein klares Signal an die Finanzminister gegeben, nicht mit Staatsausgaben auf Pump die Teuerung weiter anzuheizen.

Der Staat könne nicht Wohlstandsverluste über dauerhaft höhere Schulden ausgleichen, sagte Lindner. Die Ampelkoalition habe bereits Entlastungspakete aufgelegt. Aber galoppierende Preise seien die größte Gefahr für die Wirtschaftsentwicklung.

Inflation bekämpft man anders als eine Corona-Pandemie.

Christian Lindner

„Inflation bekämpft man anders als eine Corona-Pandemie.“ In der Virus-Krise habe der Staat mit Schulden die fehlende Nachfrage und Umsatzverluste ausgeglichen. Bei einer Inflation müssten nun die Preise reduziert werden. „Da darf der Staat mit Milliarden nicht die Nachfrage noch stimulieren.“

Verbunden mit einer Inflationsbekämpfung sei auch immer eine befristete wirtschaftliche Abkühlung. Ziel müsse sein, gesunde Betriebe vor der Insolvenz zu schützen und soziale Härten bei Menschen abzufedern. Jetzt müsse alles getan werden, um die Energiepreise zu reduzieren.

„Das Erste, was dafür erforderlich ist, ist, dass alle Kohlekraftwerke ans Netz kommen und dass wir eine Entscheidung treffen, die drei verbliebenen Kernkraftwerke auch im nächsten Jahr zu nutzen.“ Hier hätten schon klare politische Entscheidungen Auswirkungen auf den Strommarkt, betonte Lindner.

Debatte über Schuldenbremse neu entfacht

Angesichts der zunehmenden Belastungen der öffentlichen Haushalte durch milliardenschwere staatliche Hilfsmaßnahmen in der Krise ist eine erneute Debatte über die Schuldenbremse entbrannt. Aus den Bundesländern kommt zudem anhaltende Kritik an der Aufteilung der Kosten der von der Ampel vereinbarten Entlastungsmaßnahmen zwischen Bund und Ländern. Einzelne Länder drohen mit Blockaden im Bundesrat.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur, schon bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 28. September sollte Einvernehmen darüber erzielt werden, dass man sich in einer Notlage befinde und die von der Schuldenbremse gesetzten Beschränkungen in dieser Lage aussetzen müsse.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir durch diese Situation durchkommen, ohne zumindest zum Teil Kredite aufzunehmen“, betonte Weil. „Jetzt ist die Zeit, in der wir noch die Weichen stellen können. Und das sollten wir unbedingt tun.“

Der niedersächsische Ministerpräsident Weil fordert ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse.

© Moritz Frankenberg/dpa / Moritz Frankenberg

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Es gibt allerdings einen Spielraum, der für den Bund höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt. Bei Naturkatastrophen oder anderen Notsituationen kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden, was 2020 und 2021 wegen der Corona-Pandemie geschehen ist.

Erneutes Aussetzen der Schuldenbremse laut Lindner „Ultima Ratio“

Christian Lindner hatte bereits zuvor betont, sich einen solchen Schritt als „Ultima Ratio“ vorzubehalten. Die Freien Demokraten pochen auf eine „solide Finanzpolitik“, wie aus einem am Sonntag bekanntgewordenen Papier der vier FDP-Minister in der Bundesregierung hervorgeht, in dem sie ihre weiteren Ziele festlegen.

Auch aus Verantwortung für die nachfolgenden Generationen müssen wir zur deutschen Schuldenregel zurückkehren. Wir dürfen unseren Enkeln und Urenkeln keine Schuldenberge hinterlassen.

Christian Lindner

Darin heißt es, das Land brauche jetzt eine Finanzpolitik, die die Inflation nicht zusätzlich befeuere. „Auch aus Verantwortung für die nachfolgenden Generationen müssen wir zur deutschen Schuldenregel zurückkehren. Wir dürfen unseren Enkeln und Urenkeln keine Schuldenberge hinterlassen.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte dagegen eine „finanzpolitisch große Lösung“ in der Wirtschaftskrise, in der er Deutschland sieht. „Der Bund sollte sich ehrlich machen: Während den Ländern durch die Schuldenbremse die Hände gebunden sind, hantiert der Bundesfinanzminister in Schattenhaushalten mit gigantischen Milliardensummen“, sagte Söder der „Augsburger Allgemeinen“.

Mehrheit der Deutschen gegen ein Aussetzen der Schuldenbremse

Söder betonte den Ernst der Lage: „Wir befinden uns in einer ökonomischen Krise, die größer ist als bei Corona, deshalb braucht es jetzt auch finanzpolitisch eine große Lösung - und nicht nur kleines Besteck.“ Nach Ansicht einer Mehrheit der Deutschen sollten die angesichts der Preissteigerungen beschlossenen Entlastungspakete des Bundes nicht durch noch mehr neue Schulden finanziert werden.

Einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur zufolge wäre nicht einmal jeder Vierte (23 Prozent) bereit, dafür die Schuldenbremse auch im kommenden Jahr auszusetzen. Ebensoviele wussten aber auch nicht, wo das Geld herkommen sollte, oder machten dazu keine Angaben.

Neben der Entlastungsmaßnahmen stehen weitere Kosten ins Haus

Die Debatte wird auch dadurch befeuert, dass über die vereinbarten Entlastungsmaßnahmen in Höhe von insgesamt etwa 95 Milliarden Euro hinaus bereits über die nächsten Schritte zur Unterstützung von Bürgern und Wirtschaft gesprochen wird.

So forderte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge Lindner dazu auf, möglichst rasch Mittel für eine Ausweitung der Energiekosten-Hilfe auf kleinere und mittlere Unternehmen bereitzustellen. Der Finanzminister müsse eine ausreichende Finanzierung nun schnell zusagen. Die Bundestagsfraktion der Grünen hält einem Sprecher zufolge „einen zweistelligen Milliardenbetrag für nötig, damit die Hilfen die notwendige Kraft entfalten können“.

Kritik kommt auch von den Ländern

Die Bundesländer kritisieren weiterhin eine fehlende Abstimmung des Bundes mit ihnen bei der Finanzierung der Entlastungsmaßnahmen. „In der jetzigen Form ist das Entlastungspaket keinesfalls zustimmungsfähig“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der „Welt am Sonntag“. Zuvor hatte auch schon Baden-Württemberg mit einem Nein im Bundesrat zu Teilen des Maßnahmenbündels gedroht.

In der jetzigen Form ist das Entlastungspaket keinesfalls zustimmungsfähig.

Markus Söder

Die Bundesländer kritisieren weiterhin eine fehlende Abstimmung des Bundes mit ihnen bei der Finanzierung der Entlastungsmaßnahmen. „In der jetzigen Form ist das Entlastungspaket keinesfalls zustimmungsfähig“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der „Welt am Sonntag“. Zuvor hatte auch schon Baden-Württemberg mit einem Nein im Bundesrat zu Teilen des Maßnahmenbündels gedroht.

Grundsätzlich dreht sich der Streit um die Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte der „Welt am Sonntag“: „Bleibt es bei der vom Bund vorgeschlagenen Aufteilung, kosten Bremen alleine die bisherigen drei Entlastungspakete fast 300 Millionen Euro. Hier muss der Bund deutlich nachbessern.“

Mehr rund um Wirtschafts- und Finanzpolitik:

Söder sprach von Entscheidungen, die von den Ländern im Rahmen der Schuldenbremse nicht mehr zu finanzieren seien. Noch nie seien diese von einer Bundesregierung so schlecht behandelt worden wie heute. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nannte den Umgang der Bundesregierung mit den Ländern „unverantwortlich“. (dpa)

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