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Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, attackiert die Union scharf, wirft ihr vor, das Land zu spalten.  (Archivbild)

© Foto: dpa

Streit um Bürgergeld eskaliert: SPD-Chef wirft Merz und Söder Trump-Methoden vor

Die SPD sorgt sich um ihr Prestigeprojekt. Der Parteichef greift die Union nun scharf an. Sie habe das Ziel, „das Land zu spalten“, sagt Klingbeil.

| Update:

Die SPD wirft CDU und CSU vor, das Land mit einer Fundamentalopposition entzweien zu wollen. Mit Blick auf die Vorbehalte gegen das ab 1. Januar geplante Bürgergeld sagte SPD-Chef Lars Klingbeil bei einem Debattenkonvent seiner Partei in Berlin, dass die Union „unter Markus Söder und Friedrich Merz lügt; mit dem Ziel die Gesellschaft zu spalten“. Wer sich so verhalte, „wer den Weg von Donald Trump der Verbreitung von Fake News einschlägt, wer der Meinung ist, man müsse das Land spalten, hat nichts mehr in der politischen Mitte dieses Landes verloren“, meinte Klingbeil.

Seit Tagen verschärft sich der Ton zwischen Ampel-Regierung und CDU/CSU. In Regierungskreisen wird kritisiert, dass die Union in einer der größten Krise der Nachkriegszeit wenig konstruktiv auftrete und, etwa in der Klima- und Energiepolitik, auch selten eigene Vorschläge mache. Ihr gehe es vor allem darum, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Koalition zu beschädigen, sagten SPD-Politiker am Rande des Konvents.

Der jüngste Streit dreht sich um die Einwände der Union gegen das als Hartz-IV-Nachfolge geplante Bürgergeld – sie drohen mit einer Blockade im Bundesrat. Das Bürgergeld soll mit 502 Euro um 53 Euro höher liegen als die bisherige Hartz-IV-Grundsicherung. Zudem soll es ein Schonvermögen von 60.000 Euro für die ersten zwei Jahre des Bürgergeld-Bezugs geben, das nicht angetastet werden muss. Damit sollen Arbeitnehmer geschützt werden, die im Arbeitsleben Ersparnisse fürs Alter aufgebaut haben.

Die Argumentation der Union ist einfach nicht schlüssig.

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD)

Die Argumentation der Union ist einfach nicht schlüssig. Einerseits sagen sie ‚Leistung muss sich lohnen’, dann wollen sie aber 60.000 Euro Schonvermögen nicht akzeptieren“, sagte die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) dem Tagesspiegel. „Das ist ja gerade die Antwort auf die Abstiegsängste der Mitte, dass bei Arbeitslosigkeit nicht gleich hart erarbeitete Ersparnisse aufgebraucht werden müssen.“ Das Schonvermögen umfasst Freibeträge beim Vermögen, die man nach dem Sozialrecht nicht zum Bestreiten seines Lebensunterhalts einsetzen muss.

Auch der FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner kritisierte CDU und CSU scharf: „Vor allem beim Schonvermögen rate ich ab, in einen Schäbigkeitswettbewerb einzutreten“, sagte der der „Welt am Sonntag“. Wenn Menschen wegen eines Schicksalsschlags in den Bezug rutschten, sollten sie nicht das verzehren müssen, was sie sich vielleicht über Jahrzehnte aufgebaut hätten. „Ich bedauere den populistischen Impuls der Union, die nicht erkennt, dass es hier um Lebensleistung geht“, so Lindner.

„Das Bürgergeld belohnt Hinzuverdienst und Qualifikation, Verweigerung von Mitwirkung wird sanktioniert. Das Bürgergeld ersetzt Hartz IV nicht durch Lässigkeit, sondern durch mehr Leistungsprinzip“, sagte der FDP-Politiker.

Kämpfen gegen das Bürgergeld der Ampel: CSU-Chef Markus Söder (links) und CDU-Chef Friedrich Merz.
Kämpfen gegen das Bürgergeld der Ampel: CSU-Chef Markus Söder (links) und CDU-Chef Friedrich Merz.

© Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Mit Beispielrechnungen  des Kieler Instituts für Weltwirtschaft wurde zuletzt von Unions-Politikern argumentiert, dass Menschen, die arbeitslos seien und Bürgergeld empfangen, demnach künftig monatlich genauso viel oder sogar mehr Geld in der Tasche wie mancher Arbeitnehmer hätten. Das Institut gab aber inzwischen Fehler zu und hat die Studie von seiner Internetseite entfernt. Es hatte Erhöhungen beim Kindergeld und bestimmte andere Zuschüsse bei Arbeitnehmern nicht berücksichtigt, dadurch entstand ein verzerrtes Bild.

Die Ampel hat sich zum Wochenende auf Änderungen am Bürgergeld geeinigt, um noch eine Zustimmung im Bundesrat zu erreichen. Diese gehen der Union aber bisher nicht weit genug. Es soll nun bei der zweijährigen Karenzzeit für Leistungsempfänger einige Verschärfungen geben. So sollen Heizkosten während dieser Zeit nur noch in angemessener Höhe übernommen werden und nicht wie bisher geplant ohne Limit.

Das Bürgergeld in der jetzigen Form ist ein Fehler und deswegen können wir dem als Freistaat Sachsen auch nicht zustimmen.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU)

Umzüge in größere oder teurere Wohnungen soll die Arbeitsagentur zustimmen müssen. Zudem sollen Leistungsempfänger künftig neben der Erklärung, kein erhebliches Vermögen zu haben, auch noch eine Selbstauskunft beifügen müssen, um einem Leistungsmissbrauch vorzubeugen.

Die Union kritisiert auch grundsätzlich die Reduzierung von Sanktionen und sieht eine Abkehr von dem Grundprinzip „Fordern und Fördern“ der Hartz-Gesetze gegen Arbeitslosigkeit. Die SPD hatte vor vier Jahren die Abkehr von dem unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführten System eingeleitet und will diese nun in Regierungsverantwortung   als Teil einer grundlegenden Sozialstaatsreform umsetzen.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lehnt das geplante Bürgergeld weiterhin ab. „Das Bürgergeld in der jetzigen Form ist ein Fehler und deswegen können wir dem als Freistaat Sachsen auch nicht zustimmen“, sagte Kretschmer der Agentur dpa zufolge am Samstag bei einem CDU-Landesparteitag in Schkeuditz bei Leipzig. Ein Alleinverdiener mit einem Lohn von 2500 Euro brutto komme unterm Strich nur auf wenig mehr als wenn er Bürgergeld beziehen würde. „Entschuldigung, aber das geht doch nicht. Nein, das ist der falsche Weg“, sagte Kretschmer, der auch CDU-Landeschef in Sachsen ist.

Auch die Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die CDU-Abgeordnete Connemann, sagte der dpa: „Unsere Kritik bleibt: Das Bürgergeld ist eine Abkehr vom Prinzip Fördern und Fordern.“ Die in Aussicht gestellten Anpassungen änderten nichts an der Substanz des Bürgergelds.

Der neue Ampel-Entwurf sehe zwar strengere Regeln für Bürgergeld-Empfänger vor. Aber: „Das sind keine ernsthaften Änderungen – das ist Kosmetik“, so Connemann. „Noch immer gibt es keine ernsthaften Anreize, wieder eine Arbeit aufzunehmen. Noch immer soll Geld gezahlt werden, auch wenn keine Leistungsbereitschaft vorliegt.“

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