zum Hauptinhalt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt zur Sommer-Pressekonferenz in das Haus der Bundespressekonferenz.

© dpa/Michael Kappeler

Olaf Scholz und das Prinzip Hoffnung: Warum sich der Kanzler auf einmal so gelassen gibt

Hat er die Bevölkerung im vergangenen Jahr noch auf schwierige Zeiten eingeschworen, gibt sich Scholz jetzt alle Mühe, Zuversicht zu verbreiten. Selbst das AfD-Hoch hält er für vorübergehend.

Wenn es etwas gibt, das Olaf Scholz an diesem Vormittag ausstrahlen will, dann ist es: Gelassenheit. Der Kanzler sitzt am Freitag vor der versammelten Hauptstadtpresse, der oberste Knopf seines Hemdes offen. Zwischendurch rät er sogar dazu, mal „alle Fünfe grade sein“ zu lassen. Soll so viel heißen wie: Ich bin entspannt, also seid ihr es bitte auch.

Dabei ist die Lage zu Beginn der parlamentarischen Sommerferien alles andere als entspannt: Krieg in der Ukraine, Inflation, Dauerstreit in der Ampel. Die AfD auf Allzeithoch. Dazu neue Hitzerekorde in Europa. Klimaaktivisten, die Ferienflieger aufhalten. Und ein LKW-Fahrer, der einen Klimaaktivisten fast umfährt. Die Stimmung in Deutschland ist mindestens gereizt.

Der Kanzler will, bevor auch er mal Urlaub macht, mit einer gehörigen Portion Optimismus dagegenhalten. Die traditionelle Sommerpressekonferenz vor der Hauptstadtpresse, zu der er nun zum zweiten Mal zu Gast ist, kommt ihm als Rahmen gerade recht. Man kann an diesen 100 Minuten einiges darüber lernen, wie der Kanzler die Welt sieht – und wie er selbst gesehen werden möchte.

Rezept gegen die AfD

Erste Frage, sofort die ganz großen Themen: der große Zuspruch für die extrem rechte AfD. Welche Verantwortung trägt Scholz’ Regierung dafür?

Der Bundeskanzler, der nicht zur intellektuellen Bescheidenheit neigt, betont, er habe sich schon sehr lange mit rechtspopulistischen Parteien beschäftigt. Mancher mag sich erinnern: Anfang der 2000er Jahre regierte die rechtspopulistische Schill-Partei in Hamburg mit. Scholz war damals SPD-Vorsitzender in Hamburg. Er beobachtete in den Jahren danach den Aufstieg von Rechtspopulisten etwa in den Niederlanden, Österreich oder Finnland. Das seien mitunter Länder, die die „wenigsten Probleme von allen haben“, erklärt er.

 Ich stehe am Anfang meiner Tätigkeit als Bundeskanzler.

Olaf Scholz auf die Frage einer Journalistin, wie man sich einmal an ihn erinnern soll.

Scholz glaubt, es liege an Zukunftsängsten. Deshalb seien die Modernisierungsprogramme, die die Ampel angestoßen habe, wichtig. „Weil sie immer auch die Botschaft vermitteln: Es wird gut ausgehen, für jede und jeden einzelnen von uns.“ Es müsse außerdem Anerkennung geben für verschiedene Karrieren. Handwerk, Pflege, Logistik – all das sei wichtig für das Land. „Was wir brauchen, ist Gelassenheit“, meint er. Bevormundung sei nicht der richtige Weg. Das Miteinander in der Gesellschaft funktioniere besser, „wenn man nicht jeweils dem anderen mitteilt: Das ist genau die Facon, nach der man zu leben hätte.“

Zukunftsperspektiven, Respekt, Leben und leben lassen – das Scholz’sche Rezept gegen die AfD. „Ich bin ganz zuversichtlich, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl nicht viel anders abschneidet als bei der letzten“, erklärt er. Woher er die Zuversicht nimmt, erklärt er nicht. Es ist ein Satz, an dem sich der Kanzler wird messen lassen müssen.

Streit in der Ampel

Nächstes Thema: Dauerzoff in der Koalition. Hat er aus dem wochenlangen Streit um das Heizungsgesetz in der Ampel gelernt? „Dass da so laut diskutiert worden ist, gefällt weder mir noch irgendwem sonst“, sagt Scholz. Aber der Kanzler macht auch gleich deutlich, dass er die Aufregung darüber für übertrieben hält.

Schließlich werde in der Ampel vieles zum ersten Mal politisch diskutiert. Es brauche ein Verständnis dafür, dass Abwägung zbd Kompromisse „auch gute und vernünftige Politik“ seien, meint Scholz. Er werbe für Pragmatismus. Änderungsbedarf an seinem eigenen Führungsstil sieht er nicht. Das Ergebnis beim Heizungsgesetz sei ja schließlich ein gutes. Auch hier die Botschaft: Entspannt euch, das ist Demokratie.

Sorge ums Klima

Aber hätte er nicht als selbsternannter „Klimakanzler“ für mehr Klimaschutz im Heizungsgesetz kämpfen müssen, will ein Journalist von Scholz wissen. Der Entwurf sei verwässert worden. Wie wolle er die Klimaziele für das Jahr 2030 im Gebäudesektor noch erreichen? „Schönen Dank für Ihre Frage“, sagt Scholz. „Weil sie mir Gelegenheit gibt, Ihnen zu widersprechen.“

Bei der Klimapolitik prallten verschiedene Meinungen aufeinander, ohne Absicht, einen Weg dazwischen zu finden, doziert der Kanzler. „Meine Überzeugung ist, wer zum Beispiel Klimapolitik machen will, muss sich zutrauen, dass jede einzelne Regelung in einer Volksabstimmung eine Mehrheit fände.“

Es gebe Menschen, die jetzt Angst gehabt hätten, sich die nächste Investition nicht leisten zu können. Auch diese Menschen müssten das Gefühl haben, mitgenommen zu werden. Das dürfe man nicht einfach rücksichtslos durchziehen. „Deshalb werbe ich sehr dafür, dass man auch mal Fünfe grade sein lässt und gleichzeitig ambitioniert die Klimaziele verfolgt.“

Alle Fünfe grade sein lassen? Scholz verweist darauf, dass sich Deutschland vorgenommen habe, bis 2045 klimaneutral zu wirtschaften. Dass sich Deutschland jetzt auf den Weg gemacht habe, sei der eigentliche große Fortschritt, glaubt er. Und wenn diese historische Modernisierung in der viertgrößten Industrienation der Welt gelinge, sei das ein Vorbild für andere Nationen.

Hilfe für die Ukraine

Der Kanzler lächelt viel bei dieser Pressekonferenz, er ist sichtlich guter Dinge. Auch für seinen Ukraine-Kurs sieht er die Bevölkerung hinter sich. „Wir sind nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine und trotzdem gibt es bei den Bürgerinnen und Bürgern überwiegende Unterstützung für dieses Vorgehen.“

Mantraartig hatte Scholz in der Vergangenheit wiederholt: Man gehe eng abgestimmt mit den Partnern vor, vorsichtig, nie im Alleingang. So äußert er sich auch jetzt wieder. Nur für einen kurzen Moment kommt Scholz aus dem Tritt. Nämlich, als er nach dem Nato-Beitritt Schwedens gefragt wird. „Ich unterstütze den Nato-Beitritt der Ukraine“, sagt er. Gelächter im Saal. Scholz merkt den Fehler sofort, er hat beim Nato-Gipfel gerade erst gebremst im Hinblick auf eine Nato-Mitgliedschaft des angegriffenen Landes. „Ich unterstütze den Nato-Beitritt Schwedens“, korrigiert er sich.

Er kalkuliere mit 17 Milliarden Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine bis 2027, erklärt der Kanzler. Er stellte in Aussicht, dass Deutschland auch dann das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreichen werde, wenn das Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht sei.

Bei der Sommerpressekonferenz vor einem Jahr hatte Scholz die Bevölkerung noch auf schwierige Zeiten eingeschworen. Jetzt lobt er vor allem die Erfolge seiner Regierung. Man habe im vergangenen Jahr Angst gehabt, dass es kalt werden würde, dass es eine schwere Wirtschaftskrise geben werde. „Niemand hat geglaubt, dass wir das bewältigen. Haben wir aber“, erklärt er. Es klingt, als wolle der Kanzler dafür jetzt auch mal ein bisschen Anerkennung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false