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Olaf Scholz: Oft sehr selbstgerecht.

© Imago/Christian Spicker

Kanzler Scholz übt sich in Selbstkritik: Mehr Ehrlichkeit wagen!

Olaf Scholz hat in einem Interview zugegeben, Fehler gemacht zu haben. Gut so. Beliebter wird seine Regierung davon nicht. Ihr würde mehr Bescheidenheit stehen.

Ein Kommentar von Valerie Höhne

Olaf Scholz durfte in jüngster Zeit selten sprechen. Bei der Trauerfeier für Franz Beckenbauer sollte er nicht reden, der FC Bayern habe ein Pfeifkonzert gegen den Kanzler vermeiden wollen, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“. Beim Staatsakt zu Ehren Wolfgang Schäubles sprach der französische Präsident Emmanuel Macron.


Scholz ist unbeliebt. Bei der Bevölkerung und der SPD. Zeit also für einen nächsten Befreiungsschlag. Es ist nicht der erste in der Amtszeit von Scholz, aber wohl der ehrlichste. In einem langen Interview mit der „Zeit“ hat der Kanzler Fehler zugegeben. Das ist neu. Und gut so.

Anders als man es von Interviews mit Scholz kennt, bleibt er nicht bei vornehmlich selbstgerechten Antworten, von denen kleben bleibt, er habe schon im Großen und Ganzen alles richtig gemacht – Schuld seien entweder die Koalitionspartner (Habeck! Lindner!) oder die Journalistinnen und Journalisten, die ausschließlich über Streit schreiben wollten.

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Scholz wirkte lange beinahe realitätsvergessen

„Als Bundeskanzler trage ich die Verantwortung für die Regierung. Punkt“, sagt er. Er gibt zu, sich zu fragen, was er hätte besser machen können. Er kritisiert das Heizungsgesetz, an dem auch ein SPD-Haus (Bauministerin Klara Geywitz, überdies eine Scholz-Vertraute) beteiligt war.

Lange wirkte es, als ignoriere der Kanzler die Probleme, die seine Regierung verursacht hat, vornehmlich. Als der „Spiegel“ ihn vor wenigen Monaten fragte, warum er keine Zuversicht vermitteln könne, sagte Scholz, es sei „einiges ziemlich gut gelaufen“.

Die Erkenntnis, dass diese Strategie der Selbstverteidigung nicht funktioniert, dass Scholz dadurch abgehoben und beinahe realitätsvergessen wirkt, ist wichtig. Davon allein wird die Regierung aber nicht beliebter.

Es gibt Sozialdemokraten, die sich von Scholz neue Ideen wünschen, wie die Stimmung im Land sich wieder bessern könnte. Sie verkennen die Gefahr, die darin läge. An großen Worten hat es dem Kanzler nie gemangelt.

Versprechen, die zu hoch gehängt wurden

Was hat er nicht alles gesagt: Ein „Doppel-Wumms“ während der Energiekrise. Erneuerbare Energien, sagte er, würden ein „Wirtschaftswunder“ auslösen. Über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das der Regierung 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen strich, sagte er den Bürgerinnen und Bürgern: „In Ihrem Alltag, hier und heute, ändert das Urteil nichts“. Was folgte, waren die Bauernproteste. Weil sich eben doch was änderte.

Die Beschreibung des Ist-Zustands ist alles, was dem Kanzler bleibt.

Valerie Höhne

Was sollte er jetzt versprechen? Einigkeit in der Ampel bei den drei Partnern? Hat er schon! Zum Beispiel nach dem 30-Stunden-Koalitionsausschuss.

Das Problem jeder neuen Idee: Scholz kann nicht versprechen, dass er sie verlässlich umsetzen kann. Dazu sind die Gräben in der Koalition zu tief. Die Regierung kann sich aber fehlende Verlässlichkeit nicht länger erlauben. Auch daran liegt der Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik, es schürt Unzufriedenheit und begünstigt den Rechtsruck. Die Beschreibung des Ist-Zustands ist alles, was dem Kanzler bleibt.

Das liegt auch daran, dass Scholz und die Ampel-Koalition den Menschen im Land kaum zugetraut haben, mit Härten umzugehen. Wie soll das möglich sein? Der Umbau hin zur klimaneutralen Wirtschaft ist wohl die größte Transformation seit der Industrialisierung.

Dazu kommen Krisen und Kriege. Die Welt ist in Aufruhr, aber die Deutschen sollen davon nichts mitbekommen? Die Regierung hat sich nicht einmal getraut, das Elterngeld für Bestverdiener zu kürzen.

Es wäre illusorisch, so weiterzuregieren. Besser wäre es, die Ampel würde die Menschen im Land an ihre Eigenverantwortung erinnern. Daran, dass ein solcher Umbau, zumal in diesen Zeiten, nur gemeinsam gelingen wird. Nicht ohne Schmerzen. Dann könnte die Bevölkerung anfangen, der Ampel-Koalition wieder zu glauben.

Mehr Bescheidenheit würde der Regierung – und diesem Kanzler – gut stehen. Sie sollten mehr Ehrlichkeit wagen.

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