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Kanzler Olaf Scholz stellte sich am Donnerstagabend der Bundestagsfraktion seiner Partei.

© Reuters/Liesa Johannssen

„Das nehme ich persönlich“: Der Kanzler zum Rapport bei der SPD-Fraktion

Olaf Scholz erwartete auf der Klausurtagung der SPD die Wut der Abgeordneten. Vielen Genossen reicht es mit dem Dauerstreit. Konnte der Kanzler sie besänftigen?

Was waren das für Bilder beim Bundesparteitag der Sozialdemokraten Mitte Dezember: Die SPD stand bei 14 bis 15 Prozent, aber der Kanzler wurde in der Berliner Messehalle von seiner Partei gefeiert. Olaf Scholz hielt eine gute Rede, stehende Ovationen, Scholz-Merchandise mit Augenklappe für fünf Euro.

Vier Wochen später ist Tristesse bei den deutschen Sozialdemokraten eingekehrt. Zu groß sind die Schmerzen, die die Sparpläne der Regierung bei vielen Abgeordneten verursachen.

Doch noch schlimmer erscheint den Genossen das Auseinanderdriften der Koalition schon wenige Stunden nach dem mühsam erarbeiteten Kompromiss zum Haushalt. Es ist wie so oft in dieser Bundesregierung: Kaum ist etwas gelungen, wird es wieder zerredet – und der Kanzler grinst nur schmallippig. So formuliert es eine Abgeordnete entnervt.

Ich bin jetzt so schlau wie vorher.

Ein SPD-Abgeordneter nach dem Auftritt von Kanzler Scholz bei der Fraktion

Gegen 16 Uhr sollte sich Scholz am Donnerstag der Bundestagsfraktion stellen, 16.30 Uhr ging es dann los. Nicht schmallippig, sondern mit Antworten. So wurde es erwartet. Auf der alljährlichen Klausur der Abgeordneten zum Jahresbeginn sollten die langen Linien der Politik der SPD besprochen werden. Zum einen: Wie geht es weiter mit der Schuldenbremse und den dringend nötigen Investitionen in den Umbau des Landes? Zum anderen: Wie geht es weiter mit diesem Kanzler?

„In dieser Sitzung kann es knallen“, hatte ein Abgeordneter vor dem Treffen gesagt. Knalllang geriet dann zumindest die Liste der Wortmeldungen: 41 Abgeordnete, ein Fünftel der Fraktion, meldeten Beiträge an. Quer durch alle Lager gibt es Kritik, unterschiedlich deutlich: an der Koalition, am Kompromiss zum Haushalt, am Kanzler, an seiner Kommunikation. Scholz verteidigt sich, so beschreiben es Teilnehmer, mit langen Schachtelsätzen, mancher spricht von: Worthülsen. „Alles wie so oft“, schreibt eine Abgeordnete.

Deutlich wird der Kanzler vor allem an einer Stelle: „Dass der Haushalt unsozial sei“, sagt Scholz, „das nehme ich persönlich.“ So erinnern sich mehrere Abgeordnete. Unter anderem hatte diese Kritik zuletzt der SPD-nahe Ökonom Marcel Fratzscher erhoben. Selbstkritik, so beschrieben es Abgeordnete, habe Scholz nicht geäußert. Nach drei Sitzungsstunden überwog Ratlosigkeit: „Ich bin jetzt so schlau wie vorher“, sagt ein langjähriger Abgeordneter.

Und dann ist da noch diese leidige Debatte um Boris Pistorius. Der äußerst beliebte Verteidigungsminister soll nach Meinung von zwei Dritteln der Deutschen das Amt von Scholz übernehmen – das besagt eine Umfrage der Bild. Eine große Mehrheit sehnt sich demnach eher nach dem knorrigen Niedersachsen als nach dem überlegen lächelnden Hanseaten. In der SPD wird derartige Berichterstattung wahlweise als „Schwachsinn“, „Medien-Ente“, „haltlos“ oder „schöne Spielerei“ zurückgewiesen – selbst im Lager derjenigen, die sonst meist für einen Spruch gegen den Kanzler zu haben sind.

Auch jene, die ihn schon lange kennen, bescheinigen „dem Boris“ zwar eine gute Regierungsarbeit, aber für das Kanzlerformat fehle es ihm sowohl am „Denken in langen Linien“ als auch an der Scholzschen Arbeitslust. Manch Abgeordneter weist schon seit Wochen darauf hin, dass Pistorius vor allem zugutekomme, dass wohl niemand in der Partei das Amt schlechter hätte ausfüllen können als seine Vorgängerin Christine Lambrecht. Das soll die unangenehme Debatte schnell beerdigen.

Ist Scholz wirklich der Richtige?

Allerdings zeigt die Heftigkeit der Zurückweisung auch, wie nervös die Genossen sind: Immer weniger Abgeordnete glauben daran, dass Scholz sich und seinen Politikstil ändern kann. Schon Mitte Oktober, noch vor der Haushaltskrise, hatte sich der Kanzler mehr Beinfreiheit erbeten und dafür Führung versprochen. „Wo bleibt die? Ich sehe davon nichts“, sagt eine andere Abgeordnete aus der Fraktion.

Noch weniger glauben sie, dass der Kanzler das schlimme Bild ändern kann, das viele Deutsche inzwischen von ihm haben. Oder dass Scholz und seine Leute das Kanzlerwunder von 2021 im Jahr 2025 wiederholen können. Und dann steht daneben dieser Boris Pistorius, einer, dem die Deutschen zuhören, wenn er spricht. Da lässt sich die Frage nicht mehr wegwischen: Ist Scholz wirklich der Richtige?

Einige Stunden vor seinem Auftritt bei der Fraktion sagt Scholz so einen Scholzsatz, der das Zeug zum Klassiker hat: „Wir leben ja in aufgeregten Zeiten, ein bisschen haben wir das auch gehört“. Er sagt das bei einem Besuch in Cottbus, der von lautstarken Protesten von Bauern begleitet wird. Ein Abgeordneter schickt das Zitat per SMS. Es sei genau dieses Beiläufige, dieses Stehen über den Dingen, das man nicht aus diesem Mann herauskriege, meint er.

Hier steht Scholz, dort gackert der Hühnerhaufen. So klingt das beim Kanzler häufig, so fühlt sich auch mancher in der SPD-Fraktion wahrgenommen. Wie lange lassen sich die angeblichen Hühnerhaufen der Republik das noch gefallen?

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