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Tarek Al-Wazir ist Vize-Ministerpräsident und Minister für Wirtschaft, Verkehr und Wohnen in Hessen.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Hessischer Spitzen-Grüner Tarek Al-Wazir: „Viele Menschen sind immer noch auf das Auto angewiesen“

Im Herbst will Tarek Al-Wazir Ministerpräsident von Hessen werden. Was will der Grüne anders machen als seine Parteifreunde in Berlin?

Herr Al-Wazir, die Berliner Grünen wollten die Regierende Bürgermeisterin stellen, nun sind Ihre Parteifreunde nur auf Platz drei gelandet. Was wollen Sie in Hessen besser machen?
Zunächst einmal will ich den Berliner Grünen gratulieren, dass sie ihr historisch stärkstes Wahlergebnis halten konnten. Wir werden sehen, ob sich bis zum amtlichen Endergebnis vielleicht sogar noch etwas in Richtung Platz zwei tut, in Hessen war das 2018 erst nach einigen Tagen klar.

Die Vorzeichen waren nicht leicht, denn der Berliner Senat insgesamt war laut Umfragen bei den Menschen ja nicht sehr beliebt. Unsere Ausgangslage hier in Hessen ist ganz anders. Hier gibt es eine deutlich höhere Zufriedenheit mit der Landesregierung, deshalb werden wir einen ganz eigenen Wahlkampf führen.

Wie Ihre Berliner Parteikollegin Bettina Jarasch sind auch Sie unter anderem für Verkehr zuständig. Werden Sie ebenfalls einen aggressiven Wahlkampf gegen das Auto führen?
Ich arbeite seit neun Jahren ganz real an der Verkehrswende. Das bedeutet den Ausbau von Rad- und Fußverkehr und die Stärkung der Schiene. Aber auch im Straßenbau gehen wir voran, allerdings mit einem Paradigmenwechsel. Wir legen den Fokus auf Sanierung vor Neubau und haben hierfür das Budget deutlich erhöht.

Wenn man regiert oder regieren will, hat man Verantwortung für alle.

Tarek Al-Wazir sieht die Parteien in der Pflicht, Politik für alle Menschen zu machen.

Wir sind ein Flächenland, wo viele Menschen immer noch auf das Auto angewiesen sind. Trotzdem arbeiten wir seit Jahren daran, dass mehr Menschen gerne vom Auto auf Bus, Bahn oder Rad umsteigen.

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In Berlin haben die Grünen vor allem die eigene Klientel innerhalb des Rings erreicht, in den Außenbezirken schmierte die Partei ab. Wie erreicht man die Mitte der Gesellschaft?
18,4 Prozent sind bei einer Landtagswahl ja nicht schlecht. Der Ausgang der Wahl aber zeigt, das stimmt, dass Berlin gespalten ist. Das bedeutet: Alle Parteien müssen sehen, wie ihre Handlungen in Teilen der Bevölkerung ankommen. Wenn etwa die CDU die Vornamen von Menschen abfragt, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, dann empört das viele Menschen, die damit ausgeschlossen werden.

Die Forderung nach einem Verbot nur von Verbrennermotoren im Inneren von Berlin ab 2030 ist natürlich nicht ausgrenzend gemeint, aber führt dazu, dass sich Menschen in den Außenbezirken nicht gerade eingeladen fühlen. Vor allem diejenigen mit Sorgen, ob es 2030 schon genug günstige Elektro-Gebrauchtwagen gibt. Es ist wichtig, dass Parteien unterschiedliche Profile und Ziele haben. Aber wenn man regiert oder regieren will, hat man Verantwortung für alle.

Müssen die Grünen Volkspartei wie in Baden-Württemberg sein, wenn sie weitere Ministerpräsidenten stellen wollen?
Ich bezweifele, dass es überhaupt noch Volksparteien alten Typs mit Mehrheitsfähigkeit in klassischen Lagern gibt. Das kann man ja auch in den Ländern beobachten. Schwarz-Gelb gibt es nirgends mehr, Rot-Grün immerhin noch in Hamburg und Niedersachsen.

Winfried Kretschmann bleibt der einzige Ministerpräsident der Grünen.
Winfried Kretschmann bleibt der einzige Ministerpräsident der Grünen.

© Dennis Williamson

Es gibt eher Mittelparteien, für die es extrem wichtig ist, dass sie miteinander gesprächsfähig bleiben. Deshalb hat mich die kategorische Absage an Schwarz-Grün von Kai Wegner kurz vor der Wahl sehr irritiert.

Sie kennen Schwarz-Grün aus Hessen. In Berlin scheinen die Parteien aber sehr weit auseinanderzuliegen.
Der Weg zwischen Franziska Giffey und den Grünen ist auch nicht besonders kurz, und in Hessen haben CDU und Grüne sich jahrzehntelang bekämpft. Am Ende geht es doch darum, ob Menschen in der Sache ernsthaft miteinander reden können.

Natürlich schauen die Grünen in Berlin mehr nach Friedrichshain-Kreuzberg als nach Spandau oder Marzahn. Bei der CDU und teilweise der SPD ist es genau andersrum. Sowohl Franziska Giffey als auch Kai Wegner haben sich im Wahlkampf vor allem auf die Grünen eingeschossen. Die Aufgabe der kommenden Wochen aber wird sein, die Spaltung zu überwinden, und zwar unabhängig davon, wer am Ende regiert.

Welche Lehren aus Berlin ziehen Sie für Hessen?
Die Menschen wollen zuerst einmal eine funktionierende Verwaltung und ordentliche öffentliche Infrastruktur. Wenn der Staat dieses Grundbedürfnis nicht erfüllen kann, wird es schwierig. Das sieht man am Wahlergebnis der SPD. Und außerdem hat sich bei der Entscheidung um den zweiten Platz mal wieder gezeigt, dass es auf jede Stimme ankommt. 

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