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In Trauer: Ein Porträt des ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow und Blumen werden einen Tag nach seinem Tod am Sitz seiner Stiftung in Moskau niedergelegt.

© Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Abschied von Gorbatschow in Berlin: Eine eigene Gedenkfeier ist die richtige Idee

Die Bundesrepublik lädt zum Gedenken, und zwar alle Welt: Damit würde der Westen politisch zum Gewinner. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Die spannende Frage ist: Wer ist politisch der größere Verlierer beim Begräbnis für Michail Gorbatschow? Der Westen oder Wladimir Putin? Sie wird gerade beantwortet.

Die aus dem Westen können nicht kommen, auch wegen des erbitterten Ukraine-Kriegs nicht. Bundeskanzler Olaf Scholz meint darum zurecht, es sei nicht die Zeit, über Reisen zu reden. Und Putin will nicht kommen, offiziell wegen Terminschwierigkeiten, aber sicher auch, weil er dann noch öffentlicher am Friedenswillen des vormaligen Sowjet-Präsidenten gemessen würde.

So gehen – mit Gründen – außer der Würdigung des großen Gescheiterten wieder Chancen der Annäherung an einen Dialog dahin. Wenn Putin es nicht will, dann mag der eine oder andere im Westen noch so wollen – der Westen im Ganzen kann nicht zu Ehren Gorbatschows nach Moskau reisen. Trotz allem, was die Welt, namentlich das glücklich wiedervereinte Deutschland, ihm verdankt. Seine glücklichsten Stunden, sagt Wolfgang Schäuble, der den Einigungsvertrag ausgehandelt hat.

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Der Einreisebann ist eines der Hindernisse, keine Frage. Was wäre, wenn die Oberen der westlichen Regierungen ihn ignorierten, und sei es, dass sie Putin damit provozierten? Es wäre keine gute Idee – der Kremlherrscher ist unausrechenbar. Darum würde nichts besser durch eine Provokation, möglicherweise sogar schlimmer. Putin könnte sich herausgefordert fühlen, wer weiß, wozu.

Nun ist für Moskau inzwischen alles geplant, eine Trauerfeier unweit des Kreml. Danach wird "Gorbi" auf dem Prominentenfriedhof neben seiner Frau beerdigt.

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Und im Westen? Da kann auch was geplant werden, etwas angemessen Großes sogar. Linke, Grüne und der ehemalige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hatten die bessere Idee: eine unabhängige Würdigung des Verstorbenen hierzulande.

Die Bundesrepublik Deutschland, repräsentiert durch den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler, die Bundestagspräsidentin, lädt ein zur Feierlichkeit – und zwar alle Welt. Im Bundestag oder am Brandenburger Tor, der Historie gemäß. Wer mit guten Absichten kommen mag, soll willkommen sein. Der Luftraum in Russland ist für "unfreundliche EU-Staaten" gesperrt – die sind so freundlich, ihren offen zu halten. In ihrem Friedenswillen ehren sie Gorbatschow. Damit wird der Westen in jedem Fall der Gewinner.

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