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Carsten Linnemann.

© Foto: dpa/Friso Gentsch

Die Thesen des Herrn Linnemann: Wie der CDU-Programmchef seine Partei aufrütteln will

Carsten Linnemann leidet unter der Konturlosigkeit seiner Partei. Mit 15 Forderungen will der CDU-Programmchef intern eine Debatte anfachen.

Manchmal muss man zur Ruhe kommen, um sich mit den grundsätzlichen Fragen zu beschäftigen. Für Carsten Linnemann war so ein Moment im Frühjahr 2021. Der Streit um die Kanzlerkandidatur der CDU war entschieden, da fuhr der Wirtschaftspolitiker ein paar Tage zum Wellness. Ayurveda. Runterfahren.

Bald dachte Linnemann an die großen Ziele, mit denen er in die Politik gestartet war. Die Dinge, die er geschafft hatte, erschienen ihm im Vergleich dazu klein. Er fragte sich: „Kann ich überhaupt noch was erreichen?“ Die CDU, so schien es ihm, hatte dauernd im Krisenmodus regiert, aber die großen, notwendigen Reformen im Land nicht angepackt.

Linnemann ist einer, der mit seiner Partei hart ins Gericht gehen kann. Er leidet unter der Konturlosigkeit der CDU. Lange führte er den einflussreichen Wirtschaftsflügel der Union, seit Anfang des Jahres ist er CDU-Vizechef. Und er leitet nun die Kommission, die das neue Grundsatzprogramm der CDU erarbeiten soll. Es ist ein einflussreicher Posten. Ende kommenden Jahres sollen die neuen Positionen der CDU stehen. „Mein Ziel ist es, dass ich 2025 jedes CDU-Mitglied nachts wecken und fragen kann: Wofür steht die CDU? Erstens, zweitens, drittens“, sagt Linnemann.

Doch Linnemann ist auch ein ungeduldiger Mensch. Und so hat er in diesen Tagen ein Buch herausgebracht. „Die ticken doch nicht richtig! Warum Politik neu denken muss“, heißt es. Darin beschreibt der 45-Jährige sein Hadern mit den verkrusteten Strukturen in Deutschland, mit der Politik und mit seiner Partei. Und er legt schon mal 15 programmatische Ideen vor, die aus seiner Sicht das Land nach vorne bringen sollen.

Eine davon – ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für junge Menschen – hat die CDU bereits auf ihrem Parteitag im September zur Parteilinie gemacht. Für die anderen Forderungen will Linnemann jetzt werben. Und eine Debatte in der Partei auslösen. „Da ist es noch zu ruhig“, findet er. Er könne sich schon vorstellen, dass von seinen 15 Ideen fünf bis zehn Parteiposition werden.

„Einfach mal machen“, ist ein Lieblingsspruch von Linnemann. Diese Mentalität sei den Deutschen abhandengekommen. Ein überbordender Staatsapparat ersticke jeden Impuls, etwas auszuprobieren, im Keim. Linnemanns Vorbild ist dagegen der Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, Claus Ruhe Madsen. In seiner Zeit als Rostocker Bürgermeister habe er in der Pandemie „einfach gemacht“. Habe als die Schulen geschlossen waren, Lehrer ermutigt, draußen Unterricht zu machen. Und für den Einzelhandel das Click&Meet“-Konzept ermöglicht, ohne irgendwo um Erlaubnis zu fragen. Das habe ihm imponiert, sagt Linnemann.

Warum nicht mal mit neuen, flexiblen Arbeitszeiten experimentieren?

Carsten Linnemann wirbt für eine Kultur des Ausprobierens

Für Deutschland will er deshalb erstmal Pilotregionen, in denen „Vorschriften beherzt aufgehoben“ werden. Einzelne Städte, Landkreise und Kommunen sollten pragmatische Regulierungen ausprobieren dürfen.

„Warum nicht mal mit neuen, flexiblen Arbeitszeiten experimentieren? Warum nicht den Schulleitern einfach mal mehr Entscheidungsbefugnisse geben? Warum nicht mal auf das Ausfüllen von bestimmten Statistiken für Handwerker verzichten?“ Nach einem Jahr könne man dann schauen, wie es gelaufen sei und ob es Missbrauch gegeben habe.

Linnemanns Vorschläge reichen von einer starken Verkleinerung des Bundestags über die Beschneidung des Beamtenapparates bis hin zur Begrenzung der Amtszeiten von Kanzlern. Die EU will Linnemann auf Kernaufgaben konzentrieren. Für Sozialausgaben fordert er eine Bremse. Sie sollten nur 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. „Das würde uns Politiker dazu zwingen, mit dem Geld der Bürger vernünftig umzugehen.“

Linnemanns Buch ist geprägt von den Gesprächen, die er mit Bürgerinnen und Bürgern geführt hat. Oft ruft er Menschen, die ihm eine Mail schreiben, persönlich zurück. Er erzählt von Bauunternehmern in Berlin, die Wohnungen planen und an der Bürokratie fast verzweifeln. Oder von dem Unternehmer, der Luftfilter für Schulen zur Verfügung stellen wollte und gegen Wände lief.

Ob ausgerechnet die 15 Vorschläge von Linnemann die Wähler von der CDU überzeugen würden, ist unklar. Aber Linnemann geht es um Unterscheidbarkeit. Sein Ziel ist, dass die CDU in ihrem Wahlprogramm 2025 fünf bis zehn Vorschläge hat, die so bei keiner anderen Partei zu finden sind. Für die CDU wäre das ein Fortschritt. Spontan nach seinen drei wichtigsten Zielen gefragt konnte Unionskanzlerkandidat Armin Laschet einst nur zwei nennen.

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