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Schüler bei den Hausaufgaben *** Pupils doing their homework MR:Y

© Imago/Wolterfoto/Jörn Wolter

Nach Vorstoß von Linken-Chefin Wissler: Sollen Hausaufgaben abgeschafft werden?

Linken-Parteichefin Janine Wissler hat im Tagesspiegel verlangt, dem Stress ein Ende zu setzen. Ihre These findet viel Zustimmung – ein Überblick.

Von Hans Monath

| Update:

Die Forderung der Linken-Parteichefin Janine Wissler nach Abschaffung von Hausaufgaben hat in Politik und Gewerkschaften ein überwiegend positives Echo ausgelöst. Der Chef des GEW-Landesverbandes Berlin, Tom Erdmann, nannte das Plädoyer Wisslers berechtigt. „Hausaufgaben sind sozial ungerecht, sie zementieren die soziale Abhängigkeit von Bildungserfolgen“, sagte Erdmann dem Tagesspiegel. Obwohl in Berlin alle Grundschulen Ganztagesschulen seien, würden Lehrkräfte dennoch Hausaufgaben geben, weil sie unter Druck stünden, den Lehrplan zu erfüllen. „Die Vergleichsarbeiten in der 3. Und 8. Klasse sollten abgeschafft werden“, meinte der Gewerkschaftsvertreter.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, lehnte Wisslers Vorschlag allerdings kategorisch ab. „Über die positive Funktion von Übungs- und Hausaufgaben gibt es genügend Studien“, sagte er. Gegner von Hausaufgaben würden immer neue Argumente suchen und finden. „In einer Ganztagsschule kann man auf Hausaufgaben verzichten bzw. diese in die Schule integrieren. Bei einer Vormittagsschule nicht“, fügte er hinzu.

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Oliver Kaczmarek, sprach sich grundsätzlich gegen Hausaufgaben aus: „Nach einem ganzen Tag in der Schule muss Schluss sein. Dann haben auch Schülerinnen und Schüler ein Recht auf Freizeit und Erholung“, sagte er. Für die SPD sei wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler in der Schule genug Zeit hätten, ihre Aufgaben zu erledigen. „Deshalb bleibt der Ausbau der Ganztagsschulen und die Realisierung des Rechtsanspruchs eine der prioritären Aufgaben“, meinte der SPD-Politiker. Mehr Zeit für Bildung und Betreuung in der Schule bedeutet für die SPD auch, dass dort auch Zeit für rhythmisiertes Lernen, für Übungs- und Vertiefungsarbeiten sein müsse.

Unions-Bildungspolitiker Thomas Jarzombek (CDU), warnte dagegen vor einer Abschaffung der Hausaufgaben. Er sei der Überzeugung, „dass die Lehrerinnen und Lehrer mehr Möglichkeiten brauchen und nicht mehr Einschränkungen, deshalb ist das ein kontraproduktiver Vorschlag“, sagte er der Zeitung. Das Wiederholen und Vertiefen von Gelerntem sei wichtig, „damit die Dinge auch wirklich eingeprägt werden“.

Warnt vor einer Vertiefung sozialer Spaltung durch Hausarbeiten: Janine Wissler, Vorsitzende der Partei Die Linke.

© Imago/Christian Spicker

Sollte Wisslers Forderung umgesetzt werden, würde das vor allem Schülerinnen und Schüler schaden, die keine Ganztagsschulen besuchten. „Wenn hier der Nachmittag nur noch mit Sport und Spiel verbracht wird, werden diese Kinder zurückfallen“, meinte der CDU-Politiker.

Jarzombek sprach sich für eine Weiterentwicklung von Hausaufgaben durch Digitalisierung aus. „Interaktive Lernangebote mit spielerischen Elementen (Gamification) können Kinder besser motivieren zu lernen, auch und gerade in bildungsferneren Elternhäusern“, erklärte er. Digitale Angebote seien auch eine große Hilfe für Kinder, die regelmäßig Schwierigkeiten hätten, ihre passenden Lernunterlagen zusammenzustellen.

„Ein wesentlicher Schritt für mehr Bildungsgerechtigkeit“

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Nina Stahr, stimmte Wisslers These zu, wonach der Bildungserfolg eines Kindes sehr stark davon abhänge, wie stark sich das Elternhaus in die Bildung einbringe. „Hausaufgaben verstärken diese Tendenz. Kinder, deren Eltern bei Hausaufgaben helfen und unterstützen können, haben deutlich bessere Voraussetzungen als Kinder aus Familien, in denen das nicht geschieht“, sagte sie. Der Ausbau des Ganztags, der durch den Bund finanziell unterstützt werde, sei „ein wesentlicher Schritt für mehr Bildungsgerechtigkeit“. Dort können Kinder in der Schule oder im Hort bei ihren Hausaufgaben unterstützt werden.

Sie sei der Überzeugung, „dass Hausaufgaben lediglich zur Festigung des Gelernten genutzt werden sollten“. Die Lehrpläne müssten so entschlackt werden, dass alle Inhalte tatsächlich im Unterricht erarbeitet werden könnten und Lehrkräfte nicht gezwungen würden, immer mehr Schularbeit durch Hausaufgaben in die Verantwortung der Eltern zu übertragen.

Die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ria Schröder, sprach sich für eine Überprüfung von Hausaufgaben aus. Wiederholung und Vertiefung seien wichtige Elemente des Lernens, bei der Erledigung von Hausaufgaben sei die Unterstützung der Eltern aber oft notwendig.

„Ich begrüße es daher, wenn die Erteilung von Hausaufgaben evaluiert wird und diese nur dann aufgegeben werden, wenn dies pädagogisch sinnvoll ist, wenn Lehrkräfte darauf individuelles Feedback geben können und die Kinder zu Hause oder in der Schule die Möglichkeit haben, die Aufgaben auch tatsächlich zu bewältigen“, sagte Schröder.

Ich begrüße es, wenn die Erteilung von Hausaufgaben evaluiert wird.

Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion

Wissler hatte in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel betont: „Der alltägliche Hausaufgaben-Stress vergiftet das Familienleben, bedeutet Streit, Überforderung, Tränen und schürt Aggressionen.“ Hausaufgaben seien ein „Outsourcing schulischer Aufgaben in die Familien“.

Das vertiefe die Spaltung im Bildungssystem noch, wie das Homeschooling während der Corona-Krise deutlich gezeigt habe. „Wenn man in der Oberstufe die Literatur für den Deutsch-Leistungskurs zu Hause liest, ist das okay, oder dass man für Prüfungen, Referate und Klausuren auch zu Hause lernt. Aber tägliche Hausaufgaben, deren Erfüllung in der Schule kontrolliert wird, müssen abgeschafft werden“, forderte Wissler.

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