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Migranten aus Eritrea, Libyen und dem Sudan sitzen in einem Holzboot, bevor sie von Helfern der spanischen Nichtregierungsorganisation Open Arms im Mittelmeer, etwa 30 Meilen nördlich von Libyen, unterstützt werden.

© dpa/AP/Joan Mateu Parra

Auf verlorenem Posten: Die fast aussichtslose EU-Asylpolitik der Grünen

Die Partei will sich nicht mit den bisherigen europäischen Beschlüssen abfinden. Aber ihre Forderungen sind in Brüssel kaum mehrheitsfähig.

Die Grünen setzen auf Europa. Wenn es um die Reform des EU-Asylsystems geht, dann will die Öko-Partei vor allem bei den umstrittenen Grenzverfahren auf EU-Ebene noch Veränderungen in ihrem Sinne erwirken.

Wie die Grünen will auch das EU-Parlament Familien mit Kindern von den Schnellverfahren für Migranten mit geringer Bleibeperspektive ausnehmen. Deshalb betrachtet die Partei das Europaparlament im weiteren Brüsseler Verfahren als Verbündeten. Doch die Hoffnungen könnten trügen.

Anfang Juni hatten die EU-Innenminister unter anderem beschlossen, dass für Migranten aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent künftig Verfahren an den EU-Außengrenzen gelten sollen. Die deutsche Ressortchefin Nancy Faeser und ihre EU-Amtskollegen hatten seinerzeit festgelegt, dass lediglich unbegleitete Minderjährige von diesen Schnellverfahren ausgenommen werden sollen.

Der Beschluss der EU-Innenminister, der auch bei dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel zum Thema werden dürfte, war ebenfalls von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mitgetragen worden. Anschließend wurde aber bei einem kleinen Parteitag in Bad Vilbel die Forderung aufgestellt, dass es gegenüber dem Beschluss der EU-Innenminister zu „Verbesserungen in der Europäischen Asylpolitik“ kommen müsse.

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Der Beschluss des Parteitags ist bewusst schwammig gehalten. Denn den Grünen dürfte wohl bewusst sein, dass ein Zurückdrehen des Beschlusses der EU-Innenminister auf europäischer Ebene nicht ganz einfach werden dürfte. Der Grund: Im mittlerweile gestarteten sogenannten Trilog, der den endgültigen Text der Verordnungen zum neuen EU-Asylsystem festlegen soll, sind neben dem EU-Parlament auch die Mitgliedstaaten vertreten. Und unter den 27 EU-Ländern pocht eine Mehrheit darauf, dass die endgültige Lösung möglichst nah am Luxemburger Kompromiss der EU-Innenminister bleibt.

Das EU-Parlament wird in den Trilog-Verhandlungen eine Asylpolitik fordern, die im Vergleich zur Positionierung der europäischen Innenminister weniger strikt ist. Allerdings werden sich auch die Abgeordneten des Straßburger Europaparlaments kaum allein an den Beschlüssen des Bad Vilbeler Länderrates orientieren.

Für die weiteren Verhandlungen über die umstrittenen Grenzverfahren ist für das Europaparlament die Französin Fabienne Keller zuständig. Die Liberale sagte dem Tagesspiegel, sie hoffe, dass sich die Grünen am Ende des Trilog-Verfahrens im Verhandlungsergebnis wiederfinden könnten. Allerdings hält sie Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen im Gegensatz zu vielen Grünen im Grundsatz für keine schlechte Sache.

Ich bin überzeugt davon, dass die Schnellverfahren eine geringere traumatische Wirkung haben als Verfahren, die sich lange hinziehen.

Fabienne Keller, Verhandlungsführerin des EU-Parlaments

„Ich bin überzeugt davon, dass die Schnellverfahren eine geringere traumatische Wirkung haben als Verfahren, die sich lange hinziehen“, sagte Keller weiter. Wenn Familien eine geringe Chance auf Asyl haben, sei es besser, „schnell und gut“ zu verfahren, erklärte sie zur Begründung. Ein Asylverfahren, das sich über ein Jahr hinziehe, habe hingegen auf die Betroffenen eine destabilisierende Wirkung.

Keller vertritt in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten die Position des EU-Parlaments, der zufolge Familien mit Kindern unter zwölf Jahren von den Grenzverfahren ausgenommen werden sollen. Dies ähnelt der Forderung der Grünen. Ob sich das EU-Parlament damit in den weiteren Verhandlungen durchsetzen werde, lasse sich nicht vorhersagen, sagte Keller.

Als „weniger ideologisch“ bezeichnete sie ihre Haltung, wenn es um die Frage geht, ob die Grenzverfahren für die Mitgliedstaaten verpflichtend sein sollen. Das EU-Parlament will wie die Grünen die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichten, diese Schnellverfahren durchzuführen. Die Debatte lasse sich entspannen, indem die EU-Kommission einen Plan zur Umsetzung der Verfahren an den EU-Außengrenzen vorlege – inklusive des Personalbedarfs an Polizeibeamten, Erziehern, Medizinern und Psychologen, so Keller.

Während der Flüchtlingskrise von 2015. Migranten kommen auf der griechischen Insel Lesbos an.

© AFP/ARIS MESSINIS

Dass die Grünen im EU-Parlament keineswegs die Mehrheitsmeinung vertreten, zeigte sich bereits im vergangenen März bei einer Abstimmung im Innenausschuss. Der Ausschuss legte damals die Position des EU-Parlaments zu den Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen fest. Der Mechanismus für die Grenzverfahren wurde seinerzeit gegen die Stimmen der Grünen und Linken beschlossen.

Zu denen, die seinerzeit gegen die Festlegung im Innenausschuss des Europaparlaments stimmten, gehörte auch der Grüne Erik Marquardt. Unmittelbar nach dem Beschluss der EU-Innenminister kündigte der Europaabgeordnete noch an, er werde dafür kämpfen, dass die in Luxemburg verhandelten Positionen „in den Verhandlungen mit dem Europaparlament nicht Gesetz werden“. Beim kleinen Parteitag in Bad Vilbel stimmte er dann aber dem Antrag des Bundesvorstandes zu, der auf rote Linien für die Trilog-Verhandlungen verzichtete.

Die EU-Kommission, das Europaparlament und die Mitgliedstaaten haben derweil ein Interesse daran, das Thema vor den Europawahlen im Juni 2024 abzuräumen. Im anderen Fall, so die Befürchtung, könnten ultrarechte Partei europaweit von einem ungelösten Streit um die Reform des Asylsystems profitieren.

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