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Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, gibt ein Presse-Statement zum Russland-Ukraine-Konflikt ab.

© Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Willy Brandt war gestern: Die SPD setzt auf eine neue Russlandpolitik – das wird der Partei weh tun

SPD-Chef Klingbeil listet gnadenlos Fehler auf. Damit bereitet er den Boden für eine neue Russlandpolitik. Die wollte Kanzler Scholz schon lange.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Von einer Freundschaft waren Deutschland und Putinland nie weiter entfernt als jetzt. Dass das so bleiben wird, hat SPD-Chef Lars Klingbeil soeben der Partei klar gemacht. Hier vollzieht sich nicht weniger als ein Paradigmenwechsel in der Russlandpolitik; der nächste Teil der Zeitenwende, die Olaf Scholz als Kanzler eingeläutet hat.

Die SPD steht also als zugeneigter Vermittler nicht mehr zur Verfügung – das ist beileibe keine „Petitesse“, ein Begriff, den Klingbeils Partei-Urvater Willy Brandt geprägt hat. Weder für die Partei noch für Deutschland.

Zumal sich das gegen Brandts Paradigmen für Entspannungspolitik, lange fast sakrosankt, wendet. „Wandel durch Annäherung“ etwa: Die Hoffnung, durch immer engere wirtschaftliche Verflechtung dauerhaft Stabilität und Frieden in Europa zu sichern, ist zerstoben, zerstört von Wladimir Putin.

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Kein Rückkehr zum Status quo vor dem Krieg

„Normale“ Beziehungen mit Russland kann es kurzfristig nicht geben – aber auch langfristig nicht. Denn es soll „keine Rückkehr zum Status quo vor dem Krieg gegen die Ukraine“. Sagt Klingbeil. Und zählt zu den Fehleinschätzungen, dass Deutschland sich mit seiner Energiepolitik abhängig von Russland gemacht habe. Damit das nie wieder passiert, soll sich dementsprechend die Haltung zu Russland grundsätzlich ändern.

Was für ein Ton! Ungewohnt von der SPD: Sicherheit und Stabilität in Europa nur mit Russland – nach den Worten von Klingbeil vorbei. Jetzt geht es um „Sicherheit vor Russland“.

Das klingt nebenbei wie eine schroffe Absage an die, die auf Russland nicht ganz so ablehnend schauen, mitunter sogar ein gewisses Verständnis haben für den Kremlherrscher, für eine aus westlicher Zurückweisung herrührende Verletztheit. Die so denken und reden, gibt es schon noch. Manche sitzen in Parlamenten, manche sogar in Landesregierungen.

Die SPD wird nun ihre Außen- und Sicherheitspolitik bei einem kommenden Parteitag 2023 nicht nur neu formulieren, sondern neu konzipieren; die Kommission Internationale Politik erarbeitet Vorschläge. Das wird, das ist ein großer Akt, die Vorbereitung eines Bruchs. Der wird weh tun.

Immerhin werden den auch die mitvollziehen müssen, die über Jahrzehnte für Außenpolitik verantwortlich waren, voran der heutige Bundespräsident und zweimalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier, oder Nachfolger Sigmar Gabriel, früher SPD-Chef. Dass sie Fehler eingestanden haben, war nur der erste Schritt.

Der Versuch einer Politik „Brandt 2.0“ ist perdu – Klingbeil bereitet einer neuen Scholz-Politik den Boden. Denn es war der heutige Kanzler, der schon vor Jahren mit der bisherigen Russlandpolitik brechen wollte. Jetzt ist seine Zeit, und die führt zur Wende.

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