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Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat

© dpa/Christoph Soeder

Migrationspolitik als Sprechblase: Faeser hat viele Pläne, aber es kommt auf Handlungen an

Im Bereich Migration und Kriminalität häufen sich Probleme. Die Politik reagiert mit immer neuen Ankündigungen, wie jetzt die Innenministerin. Das sieht nach Nebelkerze aus und nützt vor allem der AfD.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Der Begriff „Clan“ ist schlagzeilentauglich, weil er schön kurz ist. Mit nur vier Buchstaben bringt er zusammen, was viele Menschen beschäftigt: Migration und Kriminalität.

Wer gegen Clans vorgehen will, kann sich also in der Regel mehrheitlicher Zustimmung sicher sein. Jetzt hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Thema ergriffen. Sie will „Angehörige“ von kriminellen Clans ohne Begehung einer Straftat und „unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung“ abschieben lassen.

Das klingt auch für juristische Laien nach einem Ritt in die rechtliche Nebelzone: Wer ist „angehörig“, wäre das nicht Sippenhaft, wohin abschieben, geht das überhaupt? Zahlreiche Fragen stellen sich, und entsprechend hieß es gleich im Echo des Tuschs, es handele sich um ein „Diskussionspapier“, die Vorschläge sollten nun geprüft werden.

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Theoretisch ist das ein gangbarer Weg: Man kann Vorschläge in die Öffentlichkeit bringen und deren rechtliche Beurteilung parallel zur politisch-gesellschaftlichen Debatte anstrengen. Aber praktisch lässt sich sagen: Bei diesem Themenfeld ist für diese Taktik definitiv nicht die richtige Zeit.

Unregulierte Migration und Kriminalität plus Fragen der Abschiebung sind ein ständig wachsendes Ärgernis, dem zu oft mit nicht realisierbaren Vorhaben begegnet wird. Wie zuletzt der Ruf nach mehr Abschiebegewahrsam und mehr Rückführungsabkommen, was entweder schon innerhalb der Koalition an unterschiedlichen Vorstellungen scheitert oder an internationalen Kooperationspartnern.

Folgenlose Ankündigungen haben trotzdem einen Effekt

Es bleibt aber nicht völlig ohne Folgen, wenn man Pläne für mehr Migrationssteuerung und -kontrolle vorstellt, aus denen dann nichts wird. Es bleibt auch nicht ohne Folgen, wenn eine Spitzenpolitikerin wie Saskia Esken acht Jahre nach 2015 nunmehr verkündet, man müsse Migration „in Ordnung bringen“.

Folgen dieser Luftnummern lassen sich am Wasserstand im Reservoir der AfD-Zustimmung ablesen. Und vor diesem Hintergrund ist der neue Faeser-Vorschlag, dessen juristische Trag- und politische Schlagkraft ungeklärt ist, dann schon fast fahrlässig.

Mit Regeln zur Abschiebung in Sachen Clan-Kriminalität etwas retten? Dafür sei einfach schon „zu viel Zeit ins Land gegangen“. Das sagte schon 2019 Berlins damaliger Innensenator Andreas Geisel, der außerdem wusste, dass etwa drei von vier Clan-Mitgliedern die deutsche Staatsbürgerschaft hätten. Von den restlichen 25 Prozent seien viele mit deutschen Staatsbürgern verheiratet oder hätten deutsche Kinder.

Was ist vor so einem real-biographischen Hintergrund von der neuen Initiative von Nancy Faeser zu erwarten? Womöglich nichts.

Der Vorschlag ist gefundenes Fressen für Stammtische

Er wird aber ziemlich garantiert das nächste gefundene Fressen für Stammtische, für höhnische Kommentare zur politischen Quatschbude und Laber-Politik, die nichts geregelt bekommt.

Und auch diesseits der Stammtische wächst der Eindruck, dass es in der hiesigen Politik zu oft bei Diskussionspapieren und Expertenberichten bleibt und zu selten etwas passiert. Darüber wächst der Frust in der wegen der vielen Krisen gereizten Bevölkerung zusehends, und das zurecht.

Wenn Politik als Sprechblasen-Show wahrgenommen wird, wenden die Bürger sich enttäuscht oder wütend ab – und manche finden dann eben auch Interesse an denen, die sich mangels Praxistest unwiderlegt als Alternative zum Gerede anpreisen können.

Dass Faeser durch ihre selbst gewählte Doppelrolle als Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die Hessen-Wahl am 8. Oktober zudem in einer schwierigen Doppelmission unterwegs ist, macht es allen, die etablierte Parteienpolitik in den Dreck ziehen wollen, nochmal leichter. Und ist geeignet, auch jene wackeren Demokratie-Anhänger sauer zu machen, die in der ganzen Parteien- und Politikverachtung einen Anlass zu ernster Sorge sehen. Kann es denn sein, dass solche Überlegungen an der Spitze eines Bundesinnenministeriums nicht angestellt werden?

Das alles ist natürlich kein Problem von einzelnen Parteien oder einzelnen Politikern. Nebelkerzen-Aktionen aus der Politik gab es immer. Und sie lassen sich aktuell auch in der Debatte um die Sicherheit in Berlins Görlitzer Park besichtigen. Der Park ist nach einer Gruppenvergewaltigung wieder in den Schlagzeilen, und es äußern sich viele Landespolitiker mit Vorschlägen zur Verbesserung der Situation, ganz so, als sei das Thema neu. Ist es aber nicht. Was die Bevölkerung natürlich weiß. 

Das Ankündigen von Maßnahmen ersetzt kein Handeln. Wer sich den Verdacht aussetzt, auch bei drängenden Problemen lieber Papiere zu verfassen und Vorschläge zu machen, als in der Realität für tatsächliche Veränderungen zu sorgen, verprellt und verärgert die Bevölkerung, die sich für Gerede nicht interessiert, wohl aber für das, was im Land passiert.

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