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Klimaaktivisten vor dem Monet-Gemälde  im Potsdamer Museum Barberini

© Foto: Uncredited/AP/dpa/Letzte Generation

Klimaaktivisten attackieren Kunstwerke?: Der Kartoffelbrei trifft doch nur eine Glasscheibe

Die Wut über die Aktionen von Klimaschützern ist groß, Schlagzeilen suggerieren Kulturbanausentum. Doch kein einziges Kunstwerk wurde bislang beschädigt.

Eine Glosse von Malte Lehming

Das gab ja wieder mächtig Ärger. Schon in den Schlagzeilen schwang Empörung mit. „Klimakleber kippen Kartoffelbrei auf 110-Millionen-Gemälde“, hieß es – und: „Klimachaoten attackieren weltberühmtes Gemälde.“ Von einem Anschlag auf die Kultur war die Rede, in sozialen Netzwerken wurden Vergleiche zu zerstörten Buddha-Statuen gezogen.

Zur Erinnerung: Im März 2001 zerstörten afghanische Taliban zwei der bis dahin größten stehenden Buddha-Statuen der Welt im Tal von Bamiyan im Zentrum des Landes. Sechs Jahre später sprengten Islamisten in Pakistan eine 40 Meter hohe, rund 1300 Jahre alte Buddha-Skulptur. Im syrischen Palmyra wüteten die Terrormilizen des „Islamischen Staats“ gegen antike Tempel und Theater.

Bilderstürmerei hat eine lange, unrühmliche Tradition. Für die Reformatoren im 16. Jahrhundert waren christliche Skulpturen und Gemälde eine Art Götzendienst, der lediglich die sinnliche, fleischliche Begierde des Menschen befriedigt. Sie beriefen sich auf das Bildnis-Verbot – „Du sollst Dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen!“ – und zerstörten Tausende von Kunstwerken.

Die Kunstwerke sind vollkommen unversehrt

Nun also die Klimaaktivisten. Kartoffelbrei auf Claude Monets „Getreideschober“, Tomatensuppe auf Vincent van Goghs „Sonnenblumen“, Sahnetorte auf die „Mona Lisa“ im Pariser Louvre.

Doch Halt! Es gibt da einen entscheidenden Unterschied. Die Buddha-Statuen, antiken Tempel und christlichen Darstellungen wurden unwiederbringlich vernichtet. Hingegen sind die Kunstwerke, auf die es die Klimaaktivisten abgesehen hatten, vollkommen unversehrt.

Allerdings sind Kollateralschäden zu beklagen. Bilderrahmen müssen restauriert, Kleberückstände entfernt werden. Das kostet viel Geld. Wegen Sachbeschädigung müssen die Täter und Täterinnen zur Verantwortung gezogen werden.

Doch rücksichtloses Kulturbanausentum, das sich durch Anschläge auf Meisterwerke der Kunstgeschichte ausdrückt, ist ihnen nicht vorzuwerfen.

Die Werke waren stets durch eine Glasscheibe geschützt. Das wussten die Aktivisten. Sie hatten sich vorab genau informiert.

Genau genommen handelte es sich also nie um Anschläge auf Kunstwerke, sondern um Anschläge auf Glasscheiben vor Kunstwerken. Überschriften wie „Monet-Gemälde mit Kartoffelbrei beworfen“, sind – streng genommen – falsch und tendenziös, weil in ihnen der Schutzfaktor des Gemäldes nicht zur Sprache kommt. Eine Absicht wird suggeriert, die es nicht gab.

Freilich ist es verständlich, dass im Schock über diese Taten solche Nuancen verloren gehen. Die Glasscheibe ist durchsichtig. Es wirkt folglich, als ob ein Anschlag auf ein Kunstwerk verübt wurde. Dieser Als-ob-Effekt ist auch aus anderen Zusammenhängen bekannt.

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Viele Menschen haben Skrupel, auf dem Foto eines Familienangehörigen mit einer spitzen Nadel dessen Augen auszustechen. Dabei ist es nur ein Bild auf einem Stück Pappe. Rational spricht nichts dagegen. Aber ein Rest Voodoo-Glaube – der Als-ob-Effekt – macht sich auch hier bemerkbar.

Klimaaktivisten werfen Nahrungsmittel auf Glasscheiben vor weltberühmten Gemälden: Das wäre die richtige Schlagzeile. Allerdings hat sie einen schwerwiegenden Nachteil. Sie wäre ein wenig langweilig.

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