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Demonstrantinnen und Demonstranten vor dem Berliner Hauptbahnhof.

© Annette Riedl/dpa

Großer Knall der Gewerkschaften: Der Streik von EVG und Verdi ist unverhältnismäßig

Auf den Streik am kommenden Montag hatten sich die Gewerkschaften schon frühzeitig verständigt – unabhängig vom Verlauf der Verhandlungen. Das beschädigt das Streikrecht.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Ein Streik ist für eine Gewerkschaft das wirksamste Instrument zur Durchsetzung tariflicher Forderungen und damit zur Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen. Wenn sich die Arbeitgeber in den Verhandlungen die Tasche zuhalten, dann bedarf es zur Lösung des Verteilungskonflikts eines Arbeitskampfes.

Schmerzen sind erwünscht: Ein Streik soll und darf dem bestreikten Unternehmen oder Dienstherrn wirtschaftlichen Schaden zufügen. Jedoch unter der Voraussetzung, dass ernsthaft verhandelt wurde und der Streik als letztes Mittel zum Einsatz kommt. So weit die Theorie.

Am kommenden Montag beginnt die dritte und entscheidende Verhandlungsrunde für 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Kommunen und beim Bund.

Außer Spesen nichts gewesen – so verliefen die Verhandlungen bislang, weshalb Verdi in den vergangenen Wochen mit Warnstreiks in Kitas und Krankenhäusern, bei Müllabfuhren und Verkehrsbetrieben den Druck auf die Arbeitgeber erhöht hat. Das ist legal und legitim. Der Großstreik am kommenden Montag, also parallel zu den hoffentlich abschließenden Verhandlungen, ist dagegen nicht verhältnismäßig.

Streik zur Mitgliederwerbung

Offenkundig haben sich die beteiligten Gewerkschaften, neben Verdi sind die Eisenbahner dabei sowie Polizisten und Lehrer, schon frühzeitig auf einen gemeinsamen Großkampftag verständigt – unabhängig vom Verlauf der Verhandlungen.

Das Kalkül der Gewerkschaften: Mit einem großen Knall auf sich aufmerksam machen und die Tarifauseinandersetzung nutzen als Kampagne zur Mitgliederwerbung. Ein Streik zur Stärkung der eigenen Organisation. Das macht die Eisenbahngewerkschaft EVG, die sich neben der krawalligen Lokführergewerkschaft GdL behaupten muss. Und Verdi sowieso.

Die Dienstleistungsgewerkschaft verliert trotz der Transformation vom verarbeitenden Gewerbe hin zu Dienstleistungen seit Jahren Mitglieder, gut 700.000 in den letzten 20 Jahren. Der Jahresbeginn 2022 brachte eine Trendwende, auch mithilfe der Warnstreiks gewann Verdi fast 50.000 neue Mitglieder. Für den Verdi-Vorsitzenden Frank Werneke kommt das wie gerufen, er will im September wiedergewählt werden.

Gute Mitgliederzahlen und ein fetter Tarifabschluss im öffentlichen Dienst sind da hilfreich, zumal die Tariferhöhungen in der Pandemie mäßig ausfielen. Mit dem Verständnis der Millionen Betroffenen, die am Montag nicht vom Fleck kommen, darf Werneke nicht rechnen. Vielmehr stehen Ansehen und Image der Gewerkschaft auf dem Spiel, wenn Verdi überzieht.

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